Ausbildungsförderung: Zahl der Bafög-Empfänger geht trotz Reformen weiter zurück
Obwohl die Elternfreibeträge gestiegen sind, erhalten weniger Studierende Bafög. Mit der Coronakrise könnte die Zahl der Berechtigten aber wieder steigen.
Eine Bafög-Reform, mit der unter anderem seit dem Herbst 2019 die Elternfreibeträge schrittweise angehoben werden, sollte die Trendwende hin zu deutlich mehr Geförderten bringen. Doch der Rückgang der Bafög-Berechtigten setzt sich im siebten Jahr in Folge fort.
Wie aus der am Montag veröffentlichten Bafög-Statistik des Statistischen Bundesamts hervorgeht, sank die Zahl Bafög-Empfänger unter den Studierenden gegenüber 2018 um 28.000 auf 489.000 - ein Rückgang um 5,5 Prozent. Dies bedeutet, dass nur noch elf Prozent der Studierenden die Ausbildungsförderung erhalten.
Bei den Schülerinnen und Schülern beträgt der Rückgang mit 191.000 Geförderten im vergangenen Jahr sogar 8,7 Prozent.
Karliczek macht gute Wirtschaftslage 2019 verantwortlich
Die von der Bundesregierung angekündigte Trendwende, mit der die Zahl der Geförderten um 100.000 steigen sollte, drohe damit auszubleiben, warnt das Deutsche Studentenwerk. Die dreistufige Erhöhung der Elternfreibeträge scheine nicht auszureichen, kritisierte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW).
Für Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) spiegelt die Statistik "Schwarz auf Weiß die sehr gute wirtschaftliche Ausgangslage wider, in der sich unser Land vor der Pandemie befunden hat".
Karliczek rechnet jedoch wegen der coronabedingt derzeit angespannten wirtschaftlichen Lage und entsprechend sinkenden Eltern-Einkommen mit mehr Bafög-Berechtigten. Mit der von ihr verantworteten Bafög-Reform sehe sie "Deutschland auf diese Herausforderung gut vorbereitet", erklärte die Ministerin am Montag.
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Dem widerspricht das Deutsche Studentenwerk. Gebraucht werde "eine weitere kräftige Steigerung vor allem der Elternfreibeträge, die über die beabsichtigte Erhöhung zum Wintersemester 2020/2021 hinausgeht". Darüber hinaus fordert das DSW vom Bund, die Förderhöchstdauer von einem Semester über die Regelstudienzeit auf zwei Semester zu erhöhen. Das wäre der Studienrealität von 70 Prozent der Studierenden angemessen.
Den Bafög-Höchstsatz (für Studierende lag er 2019 bei 853 Euro) erhielt etwas mehr als die Hälfte der Bafög-Empfänger und -Empfängerinnen. Die Zahl der Vollgeförderten sank um 4,6 Prozent, die der Teilgeförderten um 8,3 Prozent. Die Ausgaben des Bundes für das Bafög verringerten sich 2019 gegenüber dem Vorjahr um rund 84 Millionen Euro auf 2,6 Milliarden Euro und damit um 3,1 Prozent.
SPD will Gesetzesnovelle prüfen
Um den "Sinkflug des Bafög" zu stoppen, müssten in einer erneuten Reform auch die Fördersätze angehoben und das Teildarlehen auf einen Vollzuschuss umgestellt werden, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Der "marode Zustand" des Bafög sei für die prekäre Lage von Studierenden in den Coronakrise verantwortlich, kritisierte der GEW-Vorsitzende Andreas Keller. Erhalte nur noch gut jeder zehnte Studierende Bafög, müsse sich die große Mehrheit mit Nebenjobs durchschlagen - von denen bekanntlich viele weggefallen sind.
Die FDP im Bundestag fordert eine grundlegende Strukturreform hin zu einer elternunabhängigen Ausbildungsförderung, während die Grünen für ein Zwei-Säulen-Modell mit einer elternunabhängigen und einer bedarfsabhängigen Säule plädieren.
Die SPD-Fraktion kündigte an, in der Regierungskoalition gesetzliche Nachbesserungen noch in dieser Legislaturperiode zu verlangen, wenn sich im Herbst keine Trendwende abzeichne. Dass Karliczek das Bafög in der Coronakrise nicht kurzfristig für notleidende Studierende geöffnet habe, sei "ein schwerer Fehler". Sie habe damit die Chance verpasst "neues Vertrauen fürs Bafög zu schaffen", erklärte der bildungspolitische Sprecher Oliver Kaczmarek.