BTU-Präsident Jörg Steinbach: „Wo Uni dransteht, muss auch Uni drin sein“
Der neue Präsident der BTU Cottbus, Jörg Steinbach, erklärt im Interview, wie er Uni und FH nach der umstrittenen Fusion endlich zusammenführen will und wie er Studierende für Cottbus begeistert.
Herr Steinbach, was reizt Sie nach den langen Jahren an der TU Berlin an dem Wechsel an eine kleine Uni wie Cottbus?
Man kann dort weitestgehend von null anfangen. Die beiden Vorgängerinstitutionen, die alte BTU und die Hochschule Lausitz, haben Jahre der Irrungen und Wirrungen hinter sich, mit unzähligen Empfehlungen und Kommissionen. Jetzt gibt es die Chance, dieses Konstrukt tatsächlich neu zu gestalten. Wenn man in meinen Lebenslauf guckt, sieht man, dass mir so etwas immer Spaß gemacht hat.
Sie übernehmen die BTU in einer schwierigen Lage. Die Fusion der „alten“ BTU mit der FH Lausitz war umkämpft, die Suche nach einem Gründungspräsidenten hat die Uni ein Jahr lang gelähmt. Wie nehmen Sie die Stimmung an der Hochschule wahr?
Ich glaube, es ist mir gelungen, einen Gedanken unter die Mitglieder der neuen Universität zu bringen: Es macht keinen Sinn, rückwärtszuschauen. Wir wollen jetzt gemeinsam auf den Reset-Knopf drücken. Das hat eine Aufbruchstimmung erzeugt, die die Wunden der Vergangenheit heilt. Allgemein anerkannt wird, dass ich sehr schnell antrete. Am 16. Juli halte ich meine letzte Vorlesung an der TU Berlin, am nächsten Tag geht es in Cottbus los.
Wie kann aus Universität und Fachhochschule etwas gemeinsames Neues werden? Die Wissenschaftsministerin wünscht sich eine „Hochschule neuen Typs“.
Die wichtigste Aussage ist: Es steht Universität draußen dran, also muss auch Universität drin sein. Ein Schwerpunkt wird es sein, ein Forschungsprofil für die Uni zu entwickeln, das als Nische zwischen den Goliaths Dresden und Berlin sichtbar ist. Die Aufnahme in die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist ein wichtiges Ziel.
Was planen Sie für die Lehre?
Dort wird man die Dualität fortführen. Es gibt Fächer, bei denen die regionale Wirtschaft deutlich wünscht, dass die neue Uni als Nachwuchsschmiede für Mitarbeiter fungiert. Andere Fächer wird man stärker wissenschaftlich ausrichten. Mir schwebt ein Modell ähnlich einer Leiter vor: Parallele anwendungsorientierte und forschungsorientierte Stränge, die aber an zwei oder drei Stellen im Bachelor wie im Master durch Sprossen verbunden sind, so dass Studierende verlustfrei von einem Strang in den anderen wechseln können. Die jungen Menschen, die heute die Schule mit dem Abitur verlassen, können oft noch gar nicht einschätzen, ob sie eher forschungs- oder anwendungsorientiert studieren wollen. Ihnen beide Optionen anzubieten, ist schon jetzt ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem aber noch stärker zukünftig geworben werden muss.
Viele in Cottbus fürchten Kürzungen. Werden Sie an den rund 230 Professuren festhalten?
Nein, das kann ich nicht versprechen. Allerdings strebe ich auch keine Kürzung auf 150 Professuren an, wie es eine Kommission vorgeschlagen hat. Ich werde jetzt alle Institute besuchen und mir persönlich ein Bild von den Stärken und Schwächen machen. Daran wird sich der Hochschulentwicklungsplan spiegeln, den wir aufstellen müssen. Wichtig ist mir, dass in den einzelnen Wissenschaftsbereichen eine inhaltlich kritische Masse langfristig sichergestellt ist.
Die TU Berlin hat sich – gerade als Mitglied der „TU9“ – immer als führende Technische Universität verstanden, die sich dezidiert von den Fachhochschulen abgrenzt. Können Sie Ihre Erfahrungen von der TU dennoch nach Cottbus übertragen?
Das glaube ich schon. Erst mal habe ich durchaus einen Leumund, mit den Kollegen der Fachhochschulen gut zu kommunizieren – die HTW Berlin und die Beuth-Hochschule werden das aus den letzten Hochschulvertragsverhandlungen bestätigen können. Das Zweite: Ich will versuchen, aus einem Konstrukt, das politisch oktroyiert ist, ein Erfolgsmodell zu machen. Wenn es uns gelingt, hier Standards zu setzen, könnte es womöglich ein Vorbild für andere kleinere Hochschulen sein.
Wie andere Hochschulen in Ostdeutschland auch muss die BTU aktiv um Studierende werben. Wie können Sie für Bewerber noch interessanter werden?
Ein Punkt ist auch unter Abiturienten in der Region noch gar nicht richtig angekommen. Das Studieren an einer Uni mit 10 000 Studierenden und sagen wir einmal 200 Professoren hat eine ganz andere, persönlichere Atmosphäre als das Studium an anonymen Tankern wie der TU Dresden oder der TU Berlin. Das müssen wir noch viel deutlicher vermarkten. Dazu müssen internationale Kooperationen kommen, was an der BTU schon ein gut bestelltes Feld ist. Und was den Standort Cottbus angeht: Ich gehe mit gutem Beispiel voran und werde unter der Woche nicht nach Berlin pendeln, sondern von Montagmorgen bis Freitagabend dort greifbar sein.
Woran werden Sie messen, ob die Fusion erfolgreich ist?
Die Anerkennung als Mitgliedshochschule der DFG wird ein Indikator sein. Ein zweiter wird die Anerkennung durch die regionale Wirtschaft sein: Können wir über die Ausbildung an der Uni einen Zuzug von Menschen in die Region erzeugen? Bis wann das alles geschieht, da halte ich mich lieber zurück. Sicher nicht in den ersten hundert Tagen.
- Die Fragen stellte Tilmann Warnecke.
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