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Verschlungene Wege. Die Finanzen der beiden Hochschulen sind schon zusammengelegt. Doch wissenschaftsrelevante Entschdiedungen darf die Leitung noch nicht treffen. Im Bild die BTU-Bibliothek.
© dpa

BTU Cottbus-Senftenberg: Neustart mit Hindernissen

Nach der umstrittenen Fusion startet die neue BTU Cottbus-Senftenberg gedämpft ins Semester. Von "Katerstimmung" ist die Rede, der Handlungsspielraum der Leitung ist begrenzt.

Über ein Jahr lang dauerten die Kämpfe. Demonstrationen auf dem Campus, eine Menschenkette durch Cottbus, ein Staffellauf nach Potsdam, Volksbegehren, Klagen – vergebens. Am ersten Juli wurde die Brandenburgische Technische Universität Cottbus (BTU) mit der Fachhochschule Lausitz zur gemeinsamen Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg fusioniert, trotz starken Widerstands insbesondere von der Cottbuser Uni.

Wie ist die neue BTU gestartet – ins erste gemeinsame Wintersemester? Auf dem Campus im Herzen von Cottbus jedenfalls ist vom Protest der vergangenen Monate noch einiges zu sehen. Auf einem Rasenstück steht ein mit Kerzen und Kuscheltieren geschmückter Grabstein für die „alte“ BTU – Todesdatum 1. Juli 2013. An einer Glasfassade hängt ein Banner: „We Love BTU“.

Auch sonst ist von Veränderung und Aufbruch nicht viel zu spüren. Es ist ein sonniger Herbsttag, hunderte Studierende sitzen um den zentralen Platz vor der Mensa, es wird geredet, gegessen, gelesen. „Erst mal hat sich nur der Name der Uni geändert“, sagt der 24-jährige Architekturstudent Marc Faustmann. „Die Stimmung ist eigentlich ganz in Ordnung.“ Ähnlich sieht das die 23-jährige Virginia Lober, die Wirtschaftsingenieurwesen studiert: „Es geht, aber bei den Professoren sieht das etwas anders aus.“

Das gilt vor allem für die Professorenschaft der „alten“ BTU. Für ihn und viele seiner Kollegen herrsche „Katerstimmung“, sagt Rembert Reemtsen, Professor für Ingenieurmathematik und früher Senatsvorsitzender der BTU. „Vorherrschend sind Frustration, Verbitterung und Galgenhumor, worin sich eine Distanz und Nicht-Identifikation mit der neuen BTU ausdrückt.“ Und mit dem neuen Hochschulleiter: Im Juli setzte das Wissenschaftsministerium den früheren Ministerialbeamten Birger Hendriks als Gründungsbeauftragten ein. Reemtsen beklagt, dass er kein Verständnis für die Fusionsgegner zeige. Die Fronten bleiben verhärtet. Obwohl aufgelöst, trifft sich der ehemalige BTU-Senat weiter auf informeller Ebene, um die Lage zu diskutieren.

Während man sich an der BTU durch die Fusion mit einer Fachhochschule herabgesetzt fühlt, bedeutet sie für die ehemalige FH Lausitz eine Aufwertung. Dementsprechend äußern sich Professoren der ehemaligen FH weniger distanziert – obwohl sie weiterhin mehr Lehrverpflichtungen haben und weniger Geld verdienen als die Professoren der alten BTU, was bereits Diskussionen auslöst. Der Umweltökonom Stefan Zundel, Mitglied des Leitungsteams um Hendriks, betont die Chancen der Fusion: „Sie kann ein Fortschritt sein, wenn zum Beispiel mehr Flexibilität in die Studiengänge kommt.“ Natürlich gebe es Ängste unter den Kollegen, da Verteilungskonflikte um Mittel absehbar seien. Derzeit befinde man sich in einem „Übergangsjahr“: „Es läuft erst mal alles so weiter wie bisher, bis der neue Gründungspräsident gefunden ist.“

Für Reemtsen ist das „Stillstand“. Der Gründungsbeauftragte dürfe sowieso „keine wissenschaftsrelevanten Entscheidungen treffen“, sagt Reemtsen. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht nach einer Klage von BTU-Mitgliedern unlängst den Handlungsspielraum der Unileitung eingeschränkt. Weil die Hochschullehrenden bei der Einsetzung des Gründungsbeauftragten nicht beteiligt waren, dürfe dieser zum Beispiel nicht die Zusammenlegung von Studiengängen bewilligen, bestätigt die Uni. Auch der Gründungssenat und der erweiterte Gründungssenat, die gerade gewählt wurden, sind letztlich erst handlungsfähig, wenn der neue Präsident im Amt ist. Würde dieser Ende 2013 gewählt, könnte er frühestens im März sein Amt antreten.

Wie kann so schnell eine Hochschule „neuen Typs“ entstehen, wie es sich das Ministerium wünscht? Trotz der Einschränkungen durch die Richter will Birger Hendriks von „Stillstand“ nichts wissen: „Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, die BTU Cottbus-Senftenberg zur vollen Funktionsfähigkeit mit neuer Leitungsstruktur zu führen und den Prozess der internen Neuordnung einzuleiten.“ Verwaltung und Finanzen beider Hochschulen seien bereits zusammengeführt, auch wenn das für die Studierenden kaum spürbar sein dürfte. Ein „Uni-College“, das Bewerbern ohne Abitur den Einstieg erleichtern soll, befinde sich im Aufbau. Bewerben kann man sich ab Frühjahr 2014.

Ob das College wie erhofft die Attraktivität der neuen BTU steigert, wird sich zeigen. Aktuell ist das Gegenteil zu verzeichnen. Die Zahl der Studierenden hat sich im Vergleich zu 2012 um sechs Prozent verringert. Weniger Erstsemester haben sich eingeschrieben (siehe Kasten). Ob der Rückgang an der Diskussion um die Fusion liegt? Das könne ganz andere Ursachen haben, widerspricht Uni-Sprecherin Susett Tanneberger. Ohnehin könnten sich Interessierte noch spontan bis Ende Oktober immatrikulieren.

Während die einen den neuen Uni-Betrieb gestalten möchten, hoffen die anderen, dass die Fusion doch noch gekippt wird. Noch muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Fusion wegen Verletzung der Hochschulautonomie insgesamt verfassungswidrig war. „Wir hoffen, dass wir die Entscheidung innerhalb eines Dreivierteljahres bekommen“, sagt Reemtsen. Der Kampf ist also noch nicht zu Ende – auch für den Studierendenrat nicht. „Protest lohnt sich in jedem Fall, schon allein um darauf aufmerksam zu machen, was hier passiert ist“, sagt ein Studierendenvertreter. Man wolle auf Uni-Gremien und die Leitung „Druck von innen“ aufbauen.

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