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Internationalität schmückt. Aber Studierendenvertreter und ausländische Studierende beklagen immer wieder undurchsichtige Abläufe bei der Zeugnisprüfstelle Uni-Assist. Das Foto zeigt ein Plakat auf dem Campus der Hochschule Anhalt in Köthen.
© picture alliance / dpa

Ausländische Studierende: Willkommen in der Bürokratie von Uni-Assist

Uni-Assist überprüft die Zeugnisse ausländischer Studienbewerber. Seit jeher gibt es Kritik. Zu Recht?

Jelena aus Serbien ist eine internationale Studentin wie aus dem Bilderbuch. Interessiert, ehrgeizig, offen. Den Anglistik-Bachelor im Koffer, will sie jetzt nach Deutschland und an der Freien Universität ihren Master machen. Sie hat gute Noten und Freunde in Berlin. Jelena findet heraus, dass ihre Bewerbung nicht direkt an die FU geht, sondern sie ihre Unterlagen vorher an die Zeugnisprüfstelle „Uni-Assist“ schicken muss. Von da an wird es kompliziert. Als es ihr ein Jahr später endlich gelingt, sich zu immatrikulieren, sagt sie konsterniert: „Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich nicht nach Deutschland gekommen.“

Uni-Assist ist für ausländische Studierende ein Nadelöhr, durch das sie sich samt aller Bewerbungsunterlagen durchfädeln müssen. Erst danach vergibt die Wunschuni die eigentliche Zulassung. Doch seit Gründung des Vereins im Jahre 2003 gibt es Kritik: Uni-Assist sei eine überbürokratisierte und diskriminierende Einrichtung, die die Internationalisierung der Hochschulen erschwere, statt sie voranzutreiben. Ist diese Kritik berechtigt?

Jelena: "Mich haben Sie allein gelassen"

Zurück zu Jelena. Sie hat den erforderlichen Englischtest absolviert, alle Unterlagen pünktlich abgeschickt. Dann der Schock: Die FU lässt sie nicht zum Master zu. Begründung: „Mangelnde Sprachkenntnisse“. „Ich fand das merkwürdig, denn meine Ergebnisse waren überdurchschnittlich“, erzählt Jelena. Sie findet heraus, dass die FU ihre Testergebnisse in Wahrheit nie erhalten hat. Dabei hatte Uni-Assist ihr schriftlich bestätigt, dass ihre Bewerbung vollständig gewesen sei. Die folgenden Monate versucht Jelena, das Problem zu lösen. Geht von dieser Professorin zu jenem Studienbüro und dieser Beratungsstelle, immer im Kreis, ohne Ergebnis. Das Semester beginnt ohne sie. „Es war entmutigend. Die FU schmückt sich mit dem Label ‚Internationale Netzwerkuniversität’. Mich haben sie alleingelassen.“

Trotz jahrelanger Kritik an Uni-Assist sei Jelenas Fall weiterhin typisch, sagt der AStA der FU. Immer wieder gingen Beschwerden ein. Das Bewerbungsverfahren sei kompliziert, der Kontakt unpersönlich, es komme zu Fehlern, die den Bewerbungsprozess torpedierten. Lasse Thiele vom AStA findet, Uni-Assist sei ein Stolperstein für ausländische Studierende: „Wer weiß, wen dieses Verfahren noch vor der eigentlichen Bewerbung vom Studium ausschließt?“

Studierendenvertreter fordern, dass die Unis die Aufgabe wieder selbst übernehmen

Ein weiterer Vorwurf: Diskriminierung ausländischer Studierender. Die müssen nämlich für die Prüfung der Bewerbung 75 Euro – plus Überweisungskosten – zahlen, ihre deutschen Kommilitoninnen aber nicht. Der AStA der TU zückte einen rhetorischen Dolch und sprach von „Uni-(R)assist“; Thiele formulierte es diplomatischer: Verstoß gegen den „Gleichbehandlungsgrundsatz“, schrieb er in einer Tischvorlage zur Sitzung des Akademischen Senats der FU im April 2015. Kurz darauf kam es zum Eklat, als 50 Studierende die AS-Sitzung stürmten und riefen: „Uni-Assist abschaffen!“ An der Humboldt-Universität wird darüber schon lange diskutiert. Thiele findet, dass sich die Universitäten in Sachen Internationalisierung aus der Verantwortung ziehen, indem sie eine „Hoheitsaufgabe“ einfach auslagern.

Die Zahlen aus dem Arbeitsalltag von Uni-Assist zeigen die Dimensionen, um die es geht. 160 000 Unterlagen wurden 2015 geprüft, das Bewerbungsaufkommen wächst jährlich um fast 25 Prozent. 140 Mitarbeiterinnen prüfen Dokumente und schreiben E-Mails; führen im Callcenter bis zu 300 Telefonate am Tag. Sie sprechen mehrere Sprachen und werden laufend über die Bildungssysteme der 180 Herkunftsländer geschult. Laut interner Statistik dauert die Rückmeldung auf Anfragen in den Stoßzeiten drei bis vier Tage; in den restlichen Monaten 24 Stunden. Jede Beschwerde werde innerhalb von drei bis vier Tagen nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft.

Die Software wird kontinuierlich weiterentwickelt

Martin Knechtges, der sich bei Uni-Assist seit März 2015 um das Informationsmanagement kümmert, findet selbst, dass die Belegschaft in den letzten Jahren phasenweise stark gefordert war, um das Wachstum zu meistern. Dennoch: Der Aufwand für ausländische Studierende habe sich erheblich verkleinert – etwa weil Mehrfachbewerbungen an verschiedenen Unis für nur 15 Euro zusätzlich möglich sind. Auf der Haben-Liste stehe eine kontinuierlich weiterentwickelte Software, eine Datenbank über Dokumentfälschungen und der ständige Austausch mit den Mitgliedshochschulen. Außerdem hat der Bund in Aussicht gestellt, die Kosten der Bewerbungen von Flüchtlingen zu übernehmen.

„Die Rede von Uni-Assist als bürokratischer Hürde würde ich daher gerne zurückweisen“, sagt Knechtges. Den Rassismus-Vorwurf findet er „eine echte Zumutung“ angesichts der Anstrengungen des multinationalen Teams in der Geschäftsstelle. Ein „geordnetes Verfahren“, das allen rechtlichen Vorgaben entspreche, sei die „Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Studium“: Nur so sei sichergestellt, dass deutsche und ausländische Studierende einander auf fachlicher Augenhöhe begegnen, meint Knechtges.

Umständliche Mehrfachberatungen

Eigentlich eine gute Idee, die aufwendige Bewerbungsprüfung zu bündeln, sagt Nina Lawrenz, Studiengangskoordinatorin am Lateinamerika-Institut der FU. „Doch leider klappt das Outsourcing nicht.“ Die geteilte Zuständigkeit zwischen Uni-Assist und Uni führe aus ihrer Erfahrung zu umständlichen Mehrfachberatungen. Das Problem: Die Hochschulen sparen sich durch Uni-Assist das Personal für die Bewerbungsprüfung. Die Anfragen an das nicht-existente Personal kommen aber trotzdem. Und die chinesischen, indischen, syrischen Studierenden, sozialisiert in anderen Schul-, Uni- und Verwaltungssystemen, lesen sich derweil auf www.uni-assist.de durch Sätze wie diesen: „Before beginning their degree, the applicant must take the Studienkolleg course and pass the Feststellungsprüfung assessment.“

Für die Universitäten ist Uni-Assist inzwischen unverzichtbar. 41 Hochschulen gehörten, neben Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Deutschem Akademischen Austauschdienst (DAAD), zu den Gründungsmitgliedern des Vereins. Damals gab es ein Gründungsdarlehen im niedrigen sechsstelligen Bereich. Inzwischen lassen 172 Hochschulen die Bewerbungsprüfung über Uni-Assist laufen. „Effizienzsteigerung“, nennt Thomas Kathöfer das, der bis vor Kurzem noch Generalsekretär der HRK war und im Vorstand von Uni-Assist saß: „Mit der Beauftragung eines professionellen Dienstleisters reagieren die Hochschulen auch auf ihre unzureichende Grundfinanzierung.“

Die Zahl der Studierenden aus dem Ausland wächst schnell

Ein „Backsourcing“, wie Kritiker es fordern, ist daher unwahrscheinlich. Im Wintersemester 2014/15 gab es etwa an der FU 4698 Bewerbungen aus dem Ausland, ein Jahr später waren es schon 5228. Je mehr diese Zahlen steigen, umso mehr sind die Hochschulen auf Hilfe angewiesen. 300 000 ausländische Studierende gibt es aktuell; für 2020 hat Bundesforschungsministerin Johanna Wanka 350 000 avisiert.

Die Internationalisierung ist ein Großprojekt der deutschen Wissenschaftslandschaft. Uni-Assist ist hierfür ein systemrelevantes Werkzeug, das bürokratische und kulturelle Fliehkräfte zusammenhalten muss: Der Verein soll formale Standards entwickeln, ein gerechtes Verfahren überwachen, soll als „Serviceagentur“ den Spardruck der Hochschulen katalysieren und als Erstkontaktstelle ins Ausland zugleich eine sympathische Willkommenskultur vermitteln. Selbst Lasse Thiele vom FU AStA vermutet, dass die Masse der Anträge gut bearbeitet wird: „Sonst gäbe es Uni-Assist nicht mehr.“ Seine Kritik ist prinzipieller Natur: Es fehle Geld im System. Wieso müssten das ausgerechnet die vorgeblich politisch herbeigesehnten ausländischen Studierenden bezahlen – mit Geld und Nerven?

"Zu viele schwarze Löcher"

Jelena hat es am Ende durch das Nadelöhr geschafft. Allerdings erst, nachdem sich eine Professorin für sie eingesetzt, sie sich noch mal beworben, noch mal bezahlt und ein ganzes Semester verloren hat. Ihr Englischtest, recherchiert Knechtges auf Anfrage des Tagesspiegels, war mit einer falschen Referenznummer verknüpft. In der Folge liefen die Suchanfragen der FU im Computersystem ins Leere. Die Schuldfrage klärt das nicht; vielleicht haben sich auch nur die Datenbanken verhakt. Jelena bleibt skeptisch: Der Fehler hätte Uni-Assist rechtzeitig auffallen können. Und wieso schob die FU mangelnde Sprachkenntnisse vor, statt nach dem fehlenden Test zu fragen? Sie sagt: „Dieses System hat zu viele schwarze Löcher, die es allen Seiten erlauben, ihre Fehler zu verdecken.“

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