Trump und die Folgen: Wieder einmal im Niemandsland
US-Einreiseverbot: Der Exilant Mohsen Kadivar musste das Wissenschaftskolleg verlassen. Ein Gastbeitrag.
Am 8. Februar sitzt der iranische Geistliche und an der Duke University lehrende Exilant Mohsen Kadivar im Wissenschaftskolleg beim Mittagessen seinem protestantischen Kollegen gegenüber: Sie sind einander vorher noch nie begegnet, auch nicht in ihren Texten. Natürlich kennen sie sich mit konfessionellen Kontroversen aus, ob sie sich über diese austauschen oder über den Begriff der Gnade oder die Kritik der Theokratie, das ist vom Nachbartisch nicht auszumachen. Es spielt auch keine Rolle: Wie in allen Einrichtungen mit dem Namen Institute for Advanced Study sind auch am Wissenschaftskolleg solche unerwarteten Begegnungen und absichtslosen Gespräche Prinzip. Ob etwas aus ihnen wird, entscheiden nur die Beteiligten. So soll es sein. Besser: so sollte es sein.
Denn am 8. Februar ist es anders. Am Vortag hat Mohsen Kadivar eine Antwort von den Anwälten der Duke-Universität erhalten, an der er lehrt und mit deren Verantwortlichen er seit dem 27. Januar in ständigem Austausch steht. Seit dem Tag, an dem das Einreiseverbot unter anderem für iranische Staatsangehörige verhängt wurde, das ihm die Rückkehr in die USA zu verwehren scheint. In den Tagen ist alles unklar: werden Inhaber der Green Card, die er als Professor seit fast zehn Jahren besitzt, von dem Bann ausgenommen? Soll er sofort in die USA aufbrechen? Was geschieht, wenn man ihn an der Grenze zurückweist?
Kann man Rechtsmittel einlegen?
Mohsen Kadivar wird mit Presseanfragen überhäuft, die in North Carolina erscheinende „Herald Sun“ veröffentlicht am 30. Januar einen Artikel über seinen Fall. Schon am Tag nach dem Interview fragt er sich, ob er sich nicht zu sehr exponiert hat und die amerikanischen Behörden doppelt und dreifach misstrauisch macht: als Iraner, als eine explizit religiöse Stimme in inneriranischen Debatten, als Akademiker und public intellectual. Wir sollen ihm einen Rat geben. Reden Sie mit den Anwälten der Universität, sagen wir. Kann man Rechtsmittel einlegen? Was kann Duke an Unterstützung bieten? Was können wir tun, falls ihm die Wiedereinreise in die USA verweigert wird?
Wieder einmal steht Mohsen Kadivar im Niemandsland. Einst Anhänger der Revolution und zum theologischen inneren Zirkel der Islamischen Republik Iran gehörend, fällt Kadivar, der schon 1978 aufgrund von Protesten gegen den Schah verhaftet wurde, auch bei den neuen Machthabern in Ungnade: seine scharfe, theologisch argumentierte Kritik an der Praxis der politischen Eliten handelt ihm nach Lehrverboten und Schikanen schließlich die Anklage wegen Unruhestiftung und Propaganda gegen die Islamische Republik ein. In den Jahren 1999 und 2000 verbüßt er eine 18-monatige Gefängnisstrafe.
Nach der Haft lehrt er an iranischen Universitäten, gerät immer wieder ins Fadenkreuz der Politik und des orthodoxen Klerus, erfährt Verunglimpfungen und sieht sich Kampagnen ausgesetzt. Im Jahr 2007 verweigert man ihm die Ausreise. Ein Gastaufenthalt führt ihn 2008 in die USA, etliche Einladungen und Angebote, die er vor Ort erhält, liefern den Vorwand, ihn aus seiner Position im Iran unrechtmäßig zu entlassen. Die Duke University gibt ihm 2015 einen Fünfjahresvertrag. Er besitzt die iranische Staatsbürgerschaft, die Green Card, die Heimatlosigkeit des Dissidenten und die Wachsamkeit des Verfolgten.
Das Einreiseverbot kennt keine Nuancen
Mohsen Kadivar ist einer von vielen in ihrer Heimat angefeindeten Intellektuellen, die an den amerikanischen Universitäten eine neue Heimstatt gefunden haben. Ob durch die Vermittlung fester Positionen oder über Programme wie Scholars at Risk setzen sich die Universitäten leidenschaftlich dafür ein, dass die Stimmen dieser Unbequemen vernehmbar bleiben. In den vergangenen Jahren waren die Harvard-Verantwortlichen von Scholars at Risk ungemein hilfreiche und verlässliche Partner auch für deutsche Einrichtungen, sie haben syrischen Kantianern und iranischen Romanciers nach ihrem Aufenthalt in Deutschland zu Stellen und Stipendien verholfen. Niemand empfindet die Ironie tiefer als sie, dass das Risiko nun vom eigenen Land ausgeht. Im Falle von Mohsen Kadivar sind ihnen die Hände gebunden. Und was eine Verstetigung des Einreisestopps für sie bedeuten würde, wagen sie sich kaum auszumalen.
Das Einreiseverbot der Trump-Regierung kennt keine Nuancen, es kennt nur den Unterschied zwischen Freund und Feind, zwischen „uns“ und den „bad dudes“, die man an ihren falschen Pässen und der Religion erkennt. Es entzieht Exilanten, Dissidenten und Reformern den politischen Schutz, den intellektuellen Nährboden und die materielle Existenzgrundlage. Es treibt die Gefährdeten bestenfalls ins Limbo, schlimmstenfalls zurück in die Arme ihrer Verfolger. Es bestärkt den Zynismus derjenigen, die immer schon wussten, dass die Amerikaner es mit ihrer Humanität nicht ernst meinen. Und es fordert uns heraus zu sagen, wie ernst wir es mit unserem Einsatz meinen.
Die Anwälte der Duke University raten Kadivar am 7. Februar, so schnell wie möglich in die USA zurückzukehren, keinesfalls jenseits des 90-Tage-Banns, der ursprünglich verhängt wurde. Vor einem bestimmten Flughafen als Ort der Wiedereinreise warnen sie. Die Universität trägt die finanziellen Lasten. Am 16. Februar ist Mohsen Kadivar in die USA zurückgereist.
Der Autor ist Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin.
Von Luca Giuliani