Klimawandel: Wie Schnee und Eis auf Grönland verschwinden
Im Winter ist es in Grönland inzwischen drei Grad Celsius wärmer als noch 1990. Statt Schnee fällt immer häufiger auch Regen – mit fatalen Folgen.
Auf Grönland regnet es immer öfter und zumindest im Süden nun auch mitten im Winter. Neben dem Regenwasser begünstigten auch die damit verbundenen Wetterverhältnisse - warme Winde, höhere Temperaturen und stärkere Bewölkung - die Schneeschmelze, berichtet ein internationales Team um Marilena Oltmanns vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. "Wir waren überrascht, dass es auf Grönland sogar im tiefen Winter regnen kann", sagt Oltmanns. "Zu der Zeit fiel auch an den südlichen Küstengebieten früher immer nur Schnee." Dabei habe der Niederschlag insgesamt nicht zugenommen, er falle nur immer häufiger als Regen, schreiben die Forscher im Journal "The Cryosphere".
Durchschnittstemperatur hat sich im Winter um drei Grad erhöht
Mit dem Klimawandel steigen die Temperaturen in der Arktis und den Nachbarregionen besonders rasch. Seit 1990 habe sich die Durchschnittstemperatur auf Grönland im Sommer um 1,8 Grad Celsius erhöht, im Winter sogar um drei Grad. Dies führe dazu, dass die Temperatur bei Niederschlägen häufiger über den Gefrierpunkt steige und es deswegen eher regne statt schneie, erläutert Oltmanns. "Dadurch hat sich die Anzahl der Regenereignisse im Winter stark erhöht."
Insgesamt verliere Grönland derzeit rund 270 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr. Ursachen für den Verlust sei abbrechendes Eis und vor allem die Eisschmelze, schreiben die Forscher um Oltmanns. Sie untersuchten insbesondere Wetterereignisse, bei denen warme Luft vom Süden nach Grönland strömt und zu Wolken, Regen und der Eisschmelze führt.
Flüssiges Wasser sei einer der stärksten Auslöser für eine Eisschmelze, sagt Co-Autor Marco Tedesco vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University (USA). Es enthalte viel Wärmeenergie. Wenn Wasser in eine Schneeschicht eindringe, schmelze der Schnee in seiner Umgebung. Bewölkung verhindere zudem, dass viel Wärme aus einem Gebiet entweiche.
Regen beschleunigt die Eisschmelze - vor allem im Winter
Im Sommer können diese Regenereignisse laut Oltmanns länger anhaltende Schmelzperioden auslösen. Denn das Regen- und Schmelzwasser mache den Schnee dunkler, so dass er dann mehr Wärmeenergie von der Sonne aufnehme. Das verstärke die Schneeschmelze. Im Winter brächten vom Atlantik einströmende Tiefdruckgebiete feuchte Luft in südliche Küstengebiete von Grönland, wo es nun selbst zu dieser Jahreszeit regne.
Solche Wetterereignisse seien derzeit Ursache für 28 Prozent der gesamten Schneeschmelze. Die von ihnen verursachte Schmelze habe sich von 1988 bis 2012 im Sommer etwa verdoppelt, im Winter sogar verdreifacht, schreiben die Forscher.
Für ihre Studie kombinierten sie Daten von Satelliten, die Schnee von flüssigem Wasser unterscheiden können, mit sieben automatischen Wetterstationen entlang der Küste und im Landesinneren. In 313 von ihnen analysierten Fällen löste Regen eine Eisschmelze aus. Im Frühling, Herbst und Winter sei die Zahl solcher Wetterereignisse insgesamt von 1988 bis 2012 stark gestiegen. Die Fläche, die im Sommer dem Regen und Schmelzen ausgesetzt sei, habe sich mehr als verdoppelt.
Nach früheren Angaben des Alfred-Wegener-Instituts stieg der jährliche grönländische Eisverlust von 2004 bis 2015 von 253 auf 272 Tonnen pro Jahr. Danach sei der Verlust der Eismasse relativ konstant geblieben, sagte Oltmanns. Der Eisverlust könne wieder steigen, es gebe bei allen Klimaereignissen viele natürliche Schwankungen.
Grönland ohne Eis? Das hat einen sieben Meter höheren Meeresspiegel zur Folge
Allein die Eisschmelze von Grönland hat nach Angaben der Forscher den Meeresspiegel von 1992 bis 2011 um 7,5 Millimeter erhöht. Bislang ist er laut Weltklimarat insgesamt seit Beginn der Industrialisierung um rund 20 Zentimeter gestiegen. Der Meeresspiegel könne durch das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes langfristig um sieben Meter steigen. Wie lange das dauert, ist jedoch nicht bekannt.
Auch in der Tundra von Nordkanada regnet es im Winter häufiger, was Rentieren die Futtersuche erschwert. Gewöhnlich schaben sie mit ihren Hufen den Schnee beiseite, um Pflanzen zu finden. Regen aber gefriert auf dem Boden der Tundra und überzieht diese mit einer Eisschicht. Im schlimmsten Fall verhungerten die Tiere, beklagen Tierschützer. Simone Hummel (dpa)