Unis im Wettbewerb: Wenn Rankings Politik machen
Uni-Ranglisten gewinnen an Einfluss. Ist das riskant? Eine deutsch-australische Debatte
„Es ist mehr Politik in Rankings als Wissenschaft“, meint Peter Coaldrake, Vize-Kanzler der Queensland University of Technology. Damit sprach der Australier am Montagabend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften aus, was auch in Deutschland viele Wissenschaftler denken. Auf der Basis dürrer und verzerrender Daten würden Hochschulen „international ständig aufeinandergehetzt“, hat Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, einmal formuliert und den Ausstieg seiner ganzen Uni aus allen Rankings angekündigt. Indes, die Rankings werden nicht verschwinden, weshalb Berlins Einstein-Stiftung zu einer deutsch-australischen Diskussion in die Akademie eingeladen hatte.
Wie eine Uni in den großen Rankings dasteht, wird immer wichtiger, sagte Coaldrake. Auf Australien trifft das besonders zu. Die Labor-Regierung unter Julia Gillard gab im Jahr 2012 sogar als Ziel aus, bis 2025 sollten zehn von Australiens 37 öffentlichen Unis unter den weltweiten Top 100 stehen. Für Australien ist das schon deshalb von Bedeutung, weil es sich mit seinen hohen Studiengebühren auf dem dynamischen asiatischen Hochschulsektor behaupten muss. Die höhere Bildung ist für Australien zum drittgrößten Exportfaktor geworden, sagte Coaldrake. Der Anteil ausländischer Studierender an Australiens 1,26 Millionen Studierenden liegt im Schnitt bei einem Viertel, besonders viele kommen aus China und Indien.
Manche Rankings sind Australien besonders gnädig
So sind Australien solche Rankings gnädig, die den Anteil internationaler Studierender mit einbeziehen, sagte Coaldrake. Im Academic Ranking of World Universities (ARWU) bringt Australien inzwischen sechs Hochschulen unter die ersten 100 (im Jahr 2006 waren es erst zwei), im Times Higher Education Ranking (THE) bleibt die Zahl in zehn Jahren konstant bei sieben. Bislang gelinge es Australien, gute Studierende aus dem Ausland anzuziehen, sagte Coaldrake, die besten strebten aber an die berühmte US-Unis.
Forscherinnen und Forscher richten sich nicht nach Rankings, wurde an dem Abend festgestellt. Sie wissen, ob ihre peers an einer bestimmten Uni im Ausland stark sind und entscheiden danach, ob sie sich der Gruppe anschließen wollen. Studierende hingegen richten sich sehr wohl nach Rankings. Dabei sind sie an den in Rankings erfolgreichen großen Forschungsuniversitäten in Australien weniger zufrieden mit der Lehre als Studierende an anderen Unis, wie Coaldrake mit Blick auf entsprechende Evaluationen sagte. Erst zwei von 17 Weltrankings beurteilten die Lehre, was sich wegen des Wettbewerbs um internationale Studierende bald ändern wird: „Die Studierenden sehen sich als Konsumenten und haben ihre Ansprüche.“
Jürgen Mlynek: "Ich glaube nur an Statistiken, die ich selbst gefälscht habe"
„Ich glaube nur an Statistiken, die ich selbst gefälscht habe“, sagte Jürgen Mlynek, der ehemalige Präsident der Humboldt-Universität und der Helmholtz-Gemeinschaft. Trotzdem kann Mlynek mit Rankings durchaus etwas anfangen: „Man muss sich die einzelnen Indikatoren ansehen und sich fragen: ,Wo können wir besser werden?'“, sagte er. Dass sich die wachsende Wettbewerbsfreude deutscher Wissenschaftler in den Weltrankings nicht niederschlage, liege daran, dass Deutschland einen Teil der Forschung in außeruniversitäre Einrichtungen auslagere: „Wenn die Max Planck oder Helmholtz zu Universitäten gemacht würden, wären wir schlagartig unter den ersten zehn weltweit.“ Dies sei aber illusorisch – und abgesehen von der Rankingfrage wohl auch nicht nötig: „Unser System ist gut. Deutsche Studierende, Doktoranden und Postdocs werden in Stanford sehr gerne genommen“, sagte Mlynek. Coaldrake warnte auch darum davor, sich auf Rankings zu fixieren. So sei die Entscheidung zur Fusion der University of Manchester mit der University of Manchester Institute of Science and Technology im Jahr 2003 davon motiviert gewesen, in den Rankings nach oben zu kommen: „Aber das war es nicht wert“, stellte Coaldrake fest: „Ein Platz im Ranking ist noch keine hochschulpolitische Strategie.“
Anja Kühne