Klimawandel: Wenig Eis auf den Meeren
In der Arktis ist deutlich wärmer als üblich - entsprechend wenig Eis hat sich bisher gebildet. Eine Zusammenfassung der Eismengen auf der ganzen Welt indes ist wenig aussagekräftig.
Eine Grafik der Meereisfläche hat viele Nutzer sozialer Medien aufgeschreckt. Gemäß Informationen vom „National Snow and Ice Data Center“ in Boulder (Colorado) bedeckten Eisschollen seit 1978 zu dieser Zeit des Jahres noch nie eine so kleine Fläche – weder in der Arktis noch in der Antarktis. In der Summe nimmt das Meereis an den Polen aktuell eine Fläche von 16 Millionen Quadratkilometern ein. Das ist rund ein Fünftel weniger als im langjährigen Durchschnitt.
Normalerweise betrachten Klimaforscher allerdings nicht das Meereis an den beiden Polen kombiniert. Das erlaubt ihnen nämlich kaum eine Aussage über den Stand des Klimawandels dort. Erstens handelt es sich um eine Momentaufnahme: Die Eisfläche fluktuiert stark, aktuelle Abweichungen stimmen daher oft nicht mit dem langfristigen Trend überein. Zweitens wird die Fläche des Meereises an Nord- und Südpol durch verschiedene Prozesse beherrscht. Wer die globale Summe betrachtet, wirft zum Beispiel entgegengesetzte Jahreszeiten zusammen in einen Topf – zurzeit den Nordherbst mit dem Südfrühling.
Bis zu 20 Grad wärmer als üblich
Typisch ist hingegen die niedrige Eisbedeckung in der Arktis. Dort beobachten Forscher einen langfristigen Abwärtstrend, vor allem im Sommer. Fast wäre im September der Minusrekord von 2012 gebrochen worden. Aktuell bedeckt das Eis sogar eine noch deutlich kleinere Fläche als im November 2012. Auffällig ist vor allem die fast eisfreie Karasee, ein Randmeer des Arktischen Ozeans vor der Küste Sibiriens. Normalerweise – verglichen mit dem Durchschnitt der vergangenen Jahrzehnte – ist das Meer zu dieser Zeit schon komplett zugefroren. Beim Wetter zeigt sich ein ähnliches Bild. Die Lufttemperaturen in der zentralen Arktis lagen in den vergangenen Tagen zehn bis zwanzig Grad Celsius höher als sonst zu dieser Zeit.
Verursacht wurde der Eisschwund der letzten Jahrzehnte durch die überproportional starke Erwärmung in der Arktis sowie durch das schubweise Einströmen warmen Wassers aus Atlantik und Pazifik. Gemäß Berechnungen mit Klimamodellen könnte der Arktische Ozean gegen Mitte des 21. Jahrhunderts im Spätsommer erstmals so gut wie eisfrei sein.
Das Eis in der Antarktis ist vor allem vom Wind beeinflusst
Anders sieht es im Südlichen Ozean aus. Wie ein riesiger Gürtel umschließt das Meereis den Antarktischen Kontinent. Seine Fläche, die im Jahresgang heftig schwankt, wird maßgeblich von der Windstärke und der Windrichtung beeinflusst. Für die Zeit seit 1978 haben Wissenschaftler sogar eine geringe Zunahme der Eisfläche ermittelt. So gesehen ist der aktuelle niedrige Wert für das antarktische Meereis ein Ausreißer in den negativen Bereich, der vermutlich durch die aktuelle Wetterlage hervorgerufen wurde.
Rechnet man die niedrigen Werte der Eisbedeckung im Norden und Süden zusammen, so ergibt sich der dramatisch aussehende Einbruch beim globalen Meereis, der in der eingangs erwähnten Grafik zu sehen ist.
Wer einen Indikator für die globale Erwärmung sucht, tut aus Sicht von Klimaforschern gut daran, sich an den globalen Wärmegehalt der Ozeane zu halten. Klima ist ein über viele Jahre gemittelter Zustand von Atmosphäre, Ozean und weiteren Komponenten. Die zappelnde Kurve des Meereises gilt dafür als nicht repräsentativ. Die Wärmeaufnahme der Ozeane ist als Maß für den Klimawandel viel besser geeignet.