Grenzen der Solarenergie: Weite Expeditionen im Weltall erfordern Nuklearenergie
Das Beispiel "Philae" zeigt: Wo die Sonne fehlt, muss eine andere Energiequelle her. Radionuklidbatterien liefern zuverlässig Strom - doch der Rohstoff wird knapp. Ein Kommentar.
Das Ende war bühnenreif. „Meine Kräfte schwinden“, „ich fühle mich so müde“, „ich gehe jetzt schlafen“ – so wimmerte der Forschungsroboter „Philae“ in einer eisigen, düsteren Spalte auf dem fernen Eisklumpen namens „Tschuri“. Besser gesagt: So übersetzten Kometenforscher die Daten des Bordcomputers in menschliche Sprache für den Kurznachrichtendienst Twitter. Seit gut drei Wochen herrscht Totenstille. Die Außenhaut des Robos ist gepflastert mit Solarzellen, doch dort, wo er hockt, ist es schlicht zu finster, um ausreichend Strom zu gewinnen.
Er könnte noch leben, könnte einige Messreihen weiterführen, um neben der Momentaufnahme, die er aus einer halben Milliarde Kilometer Entfernung zu uns schickte, auch die typischen Veränderungen eines Kometen bei der Annäherung an die Sonne zu dokumentieren. Wenn ihm die Konstrukteure einen nuklearen Schrittmacher mitgegeben hätten.
Gerade Flüge ins äußere Sonnensystem sind ohne die Technik nicht sinnvoll
Radionuklidbatterie (RTG) sagen Ingenieure dazu. Das Prinzip: Radioaktives Material zerfällt und produziert dabei Wärme. Diese wird von speziellen Thermoelementen in Strom umgewandelt. Der Wirkungsgrad des Verfahrens ist klein, dennoch ist es bei der Nasa für gut zwei Dutzend Missionen ausgewählt worden: von den Voyager-Sonden bis zum Marsrover Curiosity, der seit 2012 auf dem Planeten umherkurvt. Überall dort, wo die Menge an Sonnenstrahlung knapp werden dürfte – was besonders für Raumflüge ins äußere Sonnensystem gilt –, gibt es zurzeit keine andere sinnvoll nutzbare Energiequelle als RTGs.
Ingenieure halten die Technik für sicher, Umweltschützer widersprechen
Die Technik ist nicht ohne. Was, wenn die Rakete einen Fehlstart hat und das radioaktive Material – meist fünf bis zehn Kilo – in die Luft oder das Meer gelangt? Die Ingenieure haben aufwendige Konstruktionen der RTGs entwickelt, um die Gefahr zu verringern. Sie versichern, es bestehe kein Risiko. Umweltschützer sehen das anders. Im Vorfeld von Forschungsmissionen kam es zu teils heftigen Protesten, zumindest in den USA. Doch das ist nur eine geringere Sorge der Nasa.
Durch die Entspannungspolitik versiegte die Quelle
Ihre größte lautet: Der Rohstoff wird knapp. In der Raumfahrt wird das Isotop Plutonium-238 benutzt, weil es nur Alphastrahlung abgibt, die einfach abzuschirmen ist und zugleich Batterien möglich macht, die Jahrzehnte laufen. Während des Kalten Krieges fiel es als Nebenprodukt bei der Herstellung von waffenfähigem Plutonium-239 an. Im Zuge der Entspannungspolitik war damit ab 1988 Schluss. Später kauften die Amerikaner noch bei den Russen, doch auch damit ist es vorbei.
Rund 35 Kilogramm Plutonium soll die Nasa noch zur Verfügung haben, die praktisch verplant sind, unter anderem für einen Bruder von Curiosity, der 2020 zum Mars fliegen soll.
Millionenschwere Kooperation, um neues Plutonium zu erhalten
Im Moment läuft eine millionenschwere Kooperation der Nasa mit dem Department of Energy an, bei der aus alten Brennstäben Neptunium gewonnen und bestrahlt wird, um neues Plutonium-238 zu erhalten. Wie schnell das gelingen wird, ist offen.
Langsam wird man auch in Europa nervös, die Stimmung ändert sich. Als die Raumfahrtagentur Esa vor gut einem Jahrzehnt die Mission von Philae und seinem Mutterschiff Rosetta plante, erschien es politisch kaum möglich, den Roboter mit „Atomstrom“ versorgen zu wollen. Dazu kamen noch die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen, also sollte Philae mit Solarstrom laufen. Später flammten Diskussionen auf, ob Europa nicht doch RTGs bauen sollte – andernfalls wären bestimmte Missionen unmöglich. Vor allem Großbritannien setzte sich dafür ein.
Ist Americium eine Alternative?
Einen formalen Entschluss gab es nicht. Allerdings wurden Forschungen gestartet, ob man das knappe Plutonium-238 umgehen und stattdessen das radioaktive Element Americium für eine Batterie nutzen kann. Aber das Verfahren ist noch nicht einsatzbereit.
So gilt weiter die Strategie, dass man sich für die jeweiligen Missionen Partner mit Radionuklidbatterien sucht. Doch das kann schiefgehen. Für den europäischen Marsrover „Exomars“ gab es eine Kooperation mit der Nasa, die die Partnerschaft aber 2012 aufkündigte. Daraufhin konnte man Russland überzeugen, in die Mission einzusteigen. Nachdem die Esa bei der Ministerratskonferenz in der vergangenen Woche genügend Geld zusammenbekommen hat, um eine Designstudie für den Rover zu starten, stehen die Chancen besser, dass dieser 2018 auf dem Roten Planeten landet – einschließlich einer Radionuklidbatterie aus russischer Produktion. Damit er nicht vorzeitig schlapp macht.