Einreiseregeln, Delta-Sorge und mehr Kontrolle: Was Urlauber jetzt zu den Corona-Reiseregeln wissen müssen
Jens Spahn und Horst Seehofer wollen keine Wiederholung des Corona-Sommers 2020. Daher werden Reiseregeln verschärft, vor allem aber die Kontrollen.
Jens Spahn ist selbst etwas verwundert, wie rückständig die Lage im Rückblick wirkt. „Wir haben im letzten Jahr Kartons mit Papier-Aussteigekarten durch die Republik gekarrt“, sagt der Bundesgesundheitsminister. Rückreisende aus Risikogebieten mussten Zettel mit Kontaktdaten hinterlassen, die aber kaum kontrolliert wurden. Und Tests gab es auch kaum. Das Virus reiste nach Deutschland zurück, zeitweise hatten 50 Prozent der Neuinfektionen ihren Ursprung im Ausland - es war die Basis für die dritte Welle. „Da wollen wir nicht wieder hin“, sagt Spahn und kündigt mit Innenminister Horst Seehofer strenge Regeln an.
Was ist bei Urlaubsreisen zu beachten?
Der zweite Corona-Sommer ist für Bürger, die Reisen planen, nicht ganz einfach, aber mit etwas Information vorab, gut planbar. Und die Auflagen sind überschaubar. Es gibt wegen der niedrigen Inzidenten viel weniger Risikogebiete und mithin ein geringeres Risiko, dass Urlaube wieder kurzfristig gecancelt werden müssen.
Welche Gebiete als Risikogebiete eingestuft werden, wird ständig auf der Seite des Robert-Koch-Instituts aktualisiert, die Bundesregierung bietet zudem detaillierte Informationen zu den geltenden Regeln an.
In Europa verlangen die meisten Zielländer einen negativen Test vor dem Einstieg in das Flugzeug, ein kostenloser Schnelltest reicht in fast allen Fällen, allerdings sollte er höchstens 24 Stunden alt sein bei Vorlage am Flughafen. Wer vollständig geimpft ist und die zweite Impfung zwei Wochen her ist, kann in der Regel auch mit diesem Nachweis reisen, entweder per digitalem Nachweis oder mit dem Impfpass.
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Das gilt auch für von einer Infektion Genesene, die nur eine Impfung brauchen, aber ob das überall akzeptiert ist, sollte vorher geprüft werden auf den Regierungs- und Tourismusseiten des Gastlandes – die sichere Variante ist die Vorlage eines zusätzlichen Tests. Länder wie die USA verlangen zur Einreise weiter generell negative Testnachweise – und in dem Land brauchen zum Beispiel auch Genesene zwei Impfungen, eine Ausnahme bildet der Johnson & Johnson-Impfstoff mit nur einer Dosis. Airlines oder Teststationen sind dagegen in der Regel keine gute Informationsquelle. Leider gibt es bisher keinen ganz einheitlichen Rahmen in der EU, laut Seehofer wird aber weiter daran gearbeitet.
Welche Abstufungen gibt es?
Das Innen- und das Gesundheitsministerium aktualisieren in Absprache mit dem Auswärtigen Amt regelmäßig die Länderlisten. Es gibt drei Abstufungen: Risikogebiete mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern in sieben Tagen (derzeit 82 Länder und Regionen, nur wenige Gebiete in Europa, etwa in Irland und Kroatien), dann die Hochinzidenzwerte mit über 200 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern in sieben Tagen, das sind derzeit 24 Länder, vor allem in Südamerika, Asien und Afrika, keines in Europa, aber zum Beispiel auch ein beliebtes Urlaubsland wie die Seychellen. Zudem sind 16 Staaten als sogenannte Virusvariantengebiete eingestuft worden, aus Europa betrifft das Portugal, Russland und das Vereinigte Königreich. Hier treten besonders stark besonders aggressive und/oder ansteckende Corona-Virusvarianten auf, wie das Delta-Virus mit Ursprung in Indien.
Was bedeutet das für Rückkehrer?
Generell gilt gemäß der Einreiseverordnung: Aus jedem Land der Welt ist bei einer Flugreise zurück nach Deutschland (ob direkt oder mit Transit-Zwischenstopp) vor Besteigen des Flugzeugs ein negatives Testergebnis, ein Impfnachweis oder ein Genesenennachweis vorzulegen (wenn die Corona-Infektion nicht länger als sechs Monate her ist – dann braucht es den zusätzlichen Nachweis einer Impfung). Am Flughafen in Deutschland werden die Nachweise durch die Bundespolizei in der Regel noch einmal kontrolliert.
Bei Einreisen aus Risikogebieten ist zusätzlich eine digitale Einreiseanmeldung auszufüllen, um Kontakte bei Infektionsfällen etwa im Flugzeug anschließend schnell nachverfolgen zu können – auch diese wird von der Bundespolizei kontrolliert, hierüber können auch bei Nicht-Geimpften notwendige weitere Test-Nachweise hochgeladen werden, um nach Urlauben in Risiko- oder Hochinzidenzgebieten eine Quarantäne vorzeitig zu beenden, bei Hochinzidenzgebieten ist eine Freitestung erst ab dem 5. Quarantänetag möglich.
Anders ist es bei Virusvariantengebieten: Danach sind 14 Tage Quarantäne in Deutschland Pflicht, auch für Geimpfte und Genesene. Spahn begründet dies damit, dass bisher die Infektiosität auch von Geimpften in Bezug auf diese Varianten nicht klar zu bewerten ist. Übrigens stehen auch in diesen Gebieten selbst in der Regel erstmal strenge Quarantänen an, weshalb auch keine deutschen Fans zum EM-Achtelfinale von Deutschland nach England fliegen konnten. Und: Bei Einreise aus Virusvariantengebieten gilt ein Beförderungsverbot – das bedeutet nur Deutsche oder Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland dürfen zum Beispiel derzeit ein Flugzeug von Großbritannien oder Portugal nach Deutschland besteigen. Alle Regelungen gelten vorerst bis zum 28. Juli. „Das Virusvariantengebiet ist ein echt scharfes Schwert, bis hin zum Beförderungsverbot für Nicht-Deutsche“, so Spahn.
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Was macht in der „Delta-Debatte“ Hoffnung?
Der Gesundheitsminister formuliert es so: „Doppelt geimpft schützt gegen Delta.“ Seit dieser Woche gebe es neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass Menschen mit zwei Impfungen deutlich besser gegen die Variante geschützt sind. Spahn rechnet zwar damit, dass im Juli 70 bis 80 Prozent der Neuinfektionen auch in Deutschland auf die Delta-Variante zurückgehen und es auch in Deutschland zur dominanten Variante wird. Aber die Neuinfektionen bewegen sich auf einem niedrigen Niveau, daher sagt dieser hohe Prozentsatz auch viel weniger aus, als etwa bei der B117-Variante mit tausenden Neuinfektionen täglich, die die dritte Welle ausgelöst hatte. Impfen, Impfen, Impfen, dazu regelmäßige Tests sollen Delta in Schach halten.
Spahn betont, unter den Neuinfektionen hätten nur zwei Prozent derzeit einen Ursprung im Ausland. Um die Infektionsgefahren durch die Delta-Variante mit Ursprung in Indien zu mindern, empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) nach einer ersten Impfung mit Astrazeneca nun möglichst schnell eine zweite Impfung mit dem Vakzin von Moderna oder Biontech, und zwar nach vier Wochen. Dies gelte unabhängig vom Alter. Nach aktuellen Studien sei die Immunantwort bei diesen Kreuzimpfungen höher. Die Delta-Variante ist laut Stiko deutlich ansteckender als die seit März 2021 vorherrschende Alpha-Variante.
Spahn rät auch zu regelmäßigen freiwilligen Tests von nicht-geimpften Reiserückkehrern, es gebe Tests „en masse“ . Wegen der neuen Erkenntnisse zu Zweifach-Geimpften, deutet er an, dass Großbritannien und Portugal schon sehr bald zu Hochinzidenzgebieten zurückgestuft werden könnten. Das würde etwas lockerere Quarantäneregeln bedeuten: Für Geimpfte und Genesene entfallen sie, andere können sie nach fünf Tagen mit einem negativen Test beenden - das wäre gerade mit Blick auf das Urlaubsland Portugal eine wichtige Nachricht.
Es sieht also eher nach Erleichterungen denn Rückschlägen aus. Wenngleich Seehofer betont, das Verhalten der UEFA, 60.000 Zuschauer im Londoner Wembley-Stadion bei den EM-Finalspielen zuzulassen, sei „absolut verantwortungslos“. „Kommerz darf nicht den Gesundheitsschutz der Bevölkerung überstrahlen.“ Zugleich fehlt bisher ein klarer Beweis, dass die Spiele an sich wirklich „Superspreading-Events“ waren – oft ist es eher die Anreise oder das gemeinsame Feiern davor und danach, die Infektionsrisiken bergen.
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Wie werden die Regeln kontrolliert?
Spahn betont nicht ohne Hintergedanken das Thema der Verwandtenbesuche. Besuche auf dem Balkan oder in der Türkei werden von der Regierung für Infektionsanstiege nach dem Sommer 2020 in Deutschland mitverantwortlich gemacht - aber damals verschlief die Politik auch klare Testregeln. "Uns interessiert der Reiseverkehr aus der Türkei", betont Seehofer - das Land ist noch als Risikogebiet eingestuft. Neben den Test- und Impfnachweisen soll vor allem auf mehr Kontrolle gesetzt werden.
Laut Spahn gibt es derzeit nur noch 12.000 aktive Corona-Fälle. „Wir hatten schon mal fast 400.000.“ Die freieren Kapazitäten der Gesundheitsämter sollen nun für viel mehr Stichproben genutzt werden, ob Reiserückkehrer - etwa aus dem Risikogebiet Türkei - die Quarantänepflichten einhalten. Ein Verstoß kann mit Geldbußen bis zu 25.000 Euro geahndet werden.
Stationäre Grenzkontrollen wie einige Ministerpräsidenten für die Einreisen mit dem Auto gefordert hatten, soll es aber dagegen nicht geben. Seehofer betont, es gebe ohnehin derzeit keine Virusvariantengebiete an den direkten Grenzen. Er will vor allem auf Maßnahmen der Schleierfahndung setzen. Es wird etwa in Bayern eine „Verdichtung hinter der Grenze“ geben. Polizisten können Autofahrer, die vom Balkan zurückkehren rauswinken auf Parkplätze, um mögliche Verstöße gegen die Corona-Einreiseregeln zu ahnden.
„Es liegt an uns, ob Delta eine Chance hat“, meint Spahn. Oder ob es auch nach einem schönen Sommer gut bleibe – zumindest versuchen beide den Eindruck zu vermitteln, dass sie aus Fehlern gelernt haben. Sie werden sich im Herbst an den Ergebnissen messen lassen müssen.