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Die Gefahr fliegt mit.
© Getty Images

Corona-Bedrohung durch Urlauber: „Optimal wäre es, alle Heimkehrer aus Risikogebieten zu testen“

Die ersten Urlauber kehren zurück, viele auch aus Corona-Risikogebieten wie der Türkei. Doch Kontrollen sind bisher lasch oder existieren gar nicht.

Sommer, Sonne, Coronavirus: Diejenigen, die sich trotzdem in die Ferne wagen, müssen zum Teil strikte Regeln beachten – aber gerade die Flughäfen werden immer mehr zum neuralgischen Punkt im Corona-Krisenmanagement.

Warum sind Reiserückkehrer ein Risiko für neue Viruswellen?

Derzeit gelten laut Robert-Koch-Institut (RKI) 126 Staaten aufgrund von Sars-Cov-2 als Risikogebiet. Darunter auch Ägypten und die Türkei – das Land mit der größten Einwanderercommunity in Deutschland. Das Auswärtige Amt hält an der Reisewarnung bis zum 31. August fest, ein schwerer Schlag für die wichtige Tourismusbranche in dem Land.

Was in der Praxis strenge Quarantäneauflagen für Rückkehrer bedeutet. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Attila Karabörklü, sagt: „Die Verunsicherung ist groß.“ Doch Tagesspiegel-Recherchen zeigen zugleich: Die Kontrollen sind inexistent bis lasch – nun wächst der Druck auf Bund und Länder, hier wegen der Urlaubssaison zügig nachzusteuern.

Das Problem ist, dass die Rückkehrer auf der Rückreise an Flughäfen und im Flugzeug das Virus verbreiten können, auch wenn die Airlines betonen, über ihre Belüftungssysteme die Aerosolverteilung einzudämmen. Und wenn sie danach in den Bus oder den Zug in die Stadt steigen, gibt es weitere Gefahren, kurzum das Kontaktnachverfolgungssystem ist hier weitaus schwieriger zu sichern.

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Was könnte helfen?

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Optimal wäre es, alle zu testen.“ Eine Testpflicht sei aber juristisch kaum durchzusetzen, auch nicht bei Rückkehrern aus Risikogebieten. „Das können Sie de facto nicht.“

Daher müsse es eine Aufforderung geben, sich nach der Rückkehr testen zu lassen, und zwar kostenlos. „Das Geld ist da“, Lauterbach schätzt bei 50 Euro je Test, dass 40 Millionen Euro ausreichen könnten, ein vergleichsweise geringer Betrag angesichts der sonstigen Krisenkosten.

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Ein Test am Flughafen sei aber keine Garantie. Denn wer sich bei jemandem auf der Rückreise ansteckt, könne dort zunächst auch negativ getestet werden. Lauterbach ist daher für kostenlose Tests an Flughäfen und zudem einige Tage später bei Hausärzten oder Gesundheitsämtern.

Der Landesvorsitzende der bayerischen Hausärzte, Markus Beier, forderte im BR Strategien, „wer als erstes getestet wird, wie man mit solchen Urlaubsheimkehrern umgeht.“

Wie reagiert Kanzlerin Angela Merkel?

Das Kanzleramt weiß, hier besteht akuter Handlungsbedarf. In den kommenden Tagen sollen neue Videos und Bilder feiernder Touristen veröffentlicht werden, die die Diskussion weiter befeuern werden, sagt ein Bundestagsabgeordneter.

Bund und Länder haben am Donnerstag nach einer Videoschalte von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und den Chefs der Staatskanzleien beschlossen, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nun kurzfristig eine Teststrategie für Rückkehrer entwickeln soll.

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CoronaTests könnten vor allem dann sinnvoll sein, „wenn eine Urlaubsregion eine deutlich höhere Zahl aktiver Fälle aufweist als Deutschland im Durchschnitt“. Dies könnte aber auch bereits dann gelten, wenn „die Kriterien für ein Risikogebiet bzw. besonders betroffenes Gebiet noch nicht erreicht sind“.

Warum macht die Regierung keine gute Figur?

Angesichts der zunehmenden Berichte über zweite Wellen oder neue Lockdowns wie in Israel stellt sich die Frage, warum nicht vor Beginn der großen Urlaubssaison eine gemeinsame Linie entwickelt worden ist.

Und es gilt als eines der großen Versäumnisse auf europäischer Ebene, dass man bereits zu Beginn der Pandemie viel Zeit verloren hat bei Regelungen für die Einreise aus Drittstaaten wie China.

Auch Gesundheitsminister Spahn räumt ein, dass man früher hätte zu Beschränkungen kommen sollen, zugleich verweist er auf das Beispiel Italien, das als erstes Land China-Flüge komplett eingestellt habe und trotzdem sehr massiv von der Virusausbreitung getroffen worden ist.

Aber auch danach gab es praktisch kaum Kontrollen an Flughäfen, schon gar nicht verpflichtende Corona-Tests. Die Bilder feiernder Menschen am „Ballermann“ haben nun das Thema noch einmal drängender gemacht, der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, sieht gerade in der Enge an Flughäfen, etwa beim Check-In, ein Infektionsrisiko. Und auch aus Flugzeugen wird über eine mitunter recht laxe Auslegung des Schutzmaskenzwangs und der Abstandsregelungen an Bord berichtet.

Was müssen Reiserückkehrer aus Risikogebieten bisher beachten?

Sie unterliegen nach der Infektionsschutzverordnung grundsätzlich der Quarantänepflicht, sofern sie nicht innerhalb von 48 Stunden nachweisen können, dass keine Infektion mit SARS-CoV-2 vorliegt. Davon sind nur Personen ausgenommen, die einer „landesrechtlichen Ausnahme unterliegen“, etwa im Falle einer Durchreise oder bei triftigen beruflichen Gründen.

Eine Quarantäne kann zu Hause oder in einer „geeigneten Unterkunft“ erfolgen. Wer die Quarantäne vermeiden will, muss nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit „der zuständigen Behörde auf Verlangen unverzüglich“ ein ärztliches Zeugnis mit Laborbefund vorlegen.

Das Zeugnis müssen Rückkehrer nach Einreise 14 Tage lang aufbewahren. Wer sich vor der Einreise nicht testen lassen konnte, darf nach Absprache mit dem Gesundheitsamt die häusliche Quarantäne in Deutschland kurzfristig verlassen, um sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Danach sind Rückkehrer angewiesen, die häusliche Quarantäne fortsetzen – bis ein negatives Ergebnis feststeht. In der Theorie.

Wer kontrolliert denn das?

Wie die Berliner Bundespolizei mitteilt, erhalten Reiserückkehrer an den Hauptstadtflughäfen lediglich Informationsflyer. Tests gibt es keine, auch keine anderweitigen Kontrollen. Aus den Gesundheitsämtern in der Hauptstadt heißt es, Rückkehrer müssten sich selbst beim Amt melden.

Die Mitarbeiter würden Urlauber aus Risikogebieten weder gezielt kontaktieren noch Kontrollen an Flughäfen durchführen. Man hofft auf Freiwilligkeit – und die abschreckende Wirkung von Strafen. Die Bußgelder bei Verstoß gegen Quarantäneverordnungen reichen von 500 bis 10.000 Euro. Aber dazu muss erst mal eine Quarantäne angeordnet sein. Was wiederum Aufgabe der Amtsärzte im Gesundheitsamt ist. Sofern sich ein „Freiwilliger“ unter den Rückkehrern bei ihnen meldet.

Ein Zustand, den auch die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci unbefriedigend findet. Auch sie fordert „zielgerichtete Testungen“ von Rückkehrern. Und schreibt zur jetzigen Praxis auf Tagesspiegel-Anfrage: „Bei der Umsetzung der 14-tägigen Quarantäne nach Rückkehr aus Risikogebieten ist bei den Menschen sehr viel Eigenverantwortung gefragt. Meine Befürchtung ist, dass sich Rückkehrerinnen und Rückkehrer nicht daran halten.“

Ist das abschreckend genug?

Wie viele sich trotz der Reisewarnungen derzeit in Risikogebiete begeben oder aus ihnen einreisen, ist schwer zu beziffern. Es gibt auch für die Türkei-Reisenden keine exakten amtlichen Zahlen. Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg teilte mit, dass zwischen 25. Juni und 15. Juli über 30 000 Passagiere aus Berlin in die Türkei geflogen oder von dort gekommen sind.

Nachfragen bei türkischen Reisebüros ergaben, dass viele sich derzeit mit Buchungen zurückhalten und ihre Pläne auf den Herbst verschieben. Der Wille sei da, die Verunsicherung aber groß. Was viele im Hinterkopf haben: Niemand kann behaupten, nichts von der Reisewarnung gewusst zu haben. Arbeitgeber können die 14 Tage Quarantäne sogar vom Jahresurlaub abziehen.

Was sagt die türkische Gemeinde zu der deutschen Reisewarnung?

In Deutschland leben derzeit mehr als 2,7 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, in Berlin sind es knapp 183 000. Die Bundesregierung hatte im Mai beschlossen, dass Einreisende aus der Türkei in Deutschland mit vierzehn Tagen Quarantäne rechnen müssen – mit Blick auf den Infektionsschutz war das zum damaligen Zeitpunkt sinnvoll.

Warum die strikten Regeln auch heute noch gelten müssen, kann Attila Karabörklü, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) nur bedingt nachvollziehen. Viele seiner Landsleute betrachteten eine Reise in die Türkei nicht als „Urlaub“, sondern als langersehnten Besuch bei Verwandten.

Niemand begebe sich „aus Jux und Dollerei“ in ein Risikogebiet. Die Reisewarnung bis Ende August sei eine große Belastung. Man hätte sich eine bessere Abstimmung zwischen deutscher und türkischer Seite gewünscht. Außerdem könnten viele Türken in Deutschland nicht nachvollziehen, warum für Italien oder Spanien – die beiden EU-Länder waren besonders stark von der Pandemie betroffen – andere Maßstäbe gelten würden. Die Bilder betrunkener Touristen aus Deutschland, die auf Mallorca unter Missachtung der Corona-Regeln wild gefeiert haben, dürften dieses Unverständnis noch verstärkt haben.

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