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Raed Saleh, Michael Müller und Franziska Giffey bei einer Pressekonferenz im Januar 2021.
© Michele Tantussi/REUTERS

Kandidatin für Amt der Regierenden Bürgermeisterin: Was sich für Giffey ausschließt

Dass Franziska Giffey als Plagiatorin nicht Wissenschaftssenatorin werden kann, ist klar. Aber auch vor dem höchsten Amt sieht unser Kolumnist ein Fragezeichen.

Die Affäre um die Plagiate in der Dissertation der bisherigen Bundesfamilienministerin führt zu der von ihr selbst gestellten Frage, ob nachgewiesene Mogeleien bei der Erstellung der Dr.-Arbeit, und damit ein Betrug, eine Kandidatur für ein hohes politisches Amt ausschließen (sollten).

Es scheint so, als tendiere die öffentliche Meinung dahin, dass dies voneinander zu trennen sei und nachgewiesenes Fehlverhalten im Wissenschaftsbetrieb insofern unschädlich sei. Nach derzeitigem Stand ist die Bewerbung um das Amt der Regierungschefin in Berlin nicht ausgeschlossen, ebenso wenig wie eine erfolgreiche Kandidatur.

Ausgeschlossen allerdings sollte sein, dass Franziska Giffey, wie der derzeitige Amtsinhaber Michael Müller (beide SPD), auch das Ressort für Wissenschaft leitet. Neben der Fälschung von Versuchsergebnissen gehören Plagiate zu den gravierendsten Sünden in der Wissenschaft.

[Zum Nachhören - Ann-Kathrin Hipps Podcast mit Franziska Giffey: "Ich muss doch vor mir selbst bestehen können"]

Sie werden nicht durch staatliche Gerichte verfolgt; vielmehr ist es Sache der Einrichtungen der Wissenschaft selbst, entsprechendes Fehlverhalten zu sanktionieren. Das ändert aber nichts an dem Makel, der bleibt: Es hat sich jemand mit unlauteren Mittel einen Vorteil (Führen eines akademischen Titels) verschaffen wollen.

Trotz nachgewiesenen Betrugs die Richtlinien bestimmen?

Wer im geschäftlichen Leben einen Betrug begeht, wird dafür bestraft. Der betreffenden Person haftet dies mindestens eine Zeitlang an. Warum soll das dort, wo Sanktionen „unter sich“ verhängt werden, anders sein?

Wer die Regeln der scientific community verletzt, sollte dort auch kein Amt bekleiden dürfen. Jemand, dem Steuerhinterziehung nachgewiesen ist, wird wohl kaum von einer Partei für die Leitung des Finanzministeriums vorgeschlagen werden. Das dürfte auch gelten, wenn es sich um das Ressort für Verbraucher handelt und Bewerber, denen Nahrungsmittelfälschung nachgewiesen wurde, mögliche Kandidaten sind.

Ein Porträtbild von George Turner.
Wer mit dem Autor George Turner diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schicken: george.turner@t-online.de
© Tsp

[George Turner ist Wissenschaftssenator a.D. von Berlin und Kolumnist beim Tagesspiegel]

Soweit scheint eine abweichende Meinung kaum vorstellbar. Das Ressort also ist tabu. Ist damit aber die übergeordnete Funktion, nämlich als Chef der Ressort- vertreter möglich? Schließlich ist der oder die Inhaberin des Amts „Regierender Bürgermeister“ Ministerpräsident und steht damit auf einer Stufe mit den Länderchefs der übrigen Bundesländer.

[Lesen Sie auch den Gastbeitrag von Anatol Stefanowitsch (Tplus): Wie Franziska Giffey versucht, die Wirklichkeit durch politisches Framing zu verpacken]

Ministerpräsidenten bestimmen die Richtlinien der Politik. Das kann formal in der jeweiligen Landesverfassung so vorgesehen sein oder praktisch politisch entsprechend gehandhabt werden.

Jedenfalls ist nicht vorstellbar, dass der oder die Vertretung der Senatsverwaltung für Wissenschaft in grundsätzlichen Fragen eine Entscheidung gegen den Willen einer Regierenden Bürgermeisterin trifft. In manchen Bundesländern scheint es undenkbar, dass jemand, dem Plagiate nachgewiesen sind, ein solches Amt wahrnehmen kann.

Und in Berlin? Die Betroffenen (Bewerberin und nominierende Partei) verdrängen das Problem: Der Wähler mag es entscheiden.

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