Lage der wissenschaftlichen Mitarbeiter: Was Berlin für den Mittelbau tut - und was nicht
Deutschland diskutiert über die Zukunft des wissenschaftlichen Nachwuchses. In Berlin sollen seit Jahren neue Stellen auch für Hochschuldozenten geschaffen werden, doch die Unis lehnen die "Lehrknechte" weiter ab.
Was tun für die wissenschaftlichen Mitarbeiter? Von einer Novelle des Befristungsgesetzes bis zu einem von Bund und Ländern finanzierten „Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ ist derzeit einiges im Gespräch. Es soll darum gehen, die Arbeitsbedingungen der häufig prekär beschäftigten „WiMis“ vor und nach der Promotion zu verbessern – und ihnen mehr Chancen auf eine Dauerstelle in der Wissenschaft zu eröffnen. Berlins Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) erinnert die Universitäten nun an die „neuen Personalkategorien“, die mit der Novelle des Berliner Hochschulgesetzes von 2011 geschaffen wurden: „wissenschaftliche Mitarbeiter mit Aufgabenschwerpunkt in der Lehre“ und „Hochschuldozenten“. Solche Stellen wünschten sich viele Promovierte und Habilitierte, heißt es.
Ins Gesetz geschrieben hat sie Scheeres Vorgänger Jürgen Zöllner (SPD), die Unis haben sie wegen der Lehrverpflichtung von bis zu 18 Semesterwochenstunden aber von vornherein als „Lehrknechte“ abgelehnt. Scheeres versuchte dann 2012 mit der „Berliner Qualitätsoffensive für die Lehre“ für die neuen Stellen zu werben: Bis 2016 sollen insgesamt 40 Millionen Euro aus Mitteln des Hochschulpakts fließen. Gefördert werden Maßnahmen, die die Qualität des Lehrangebots steigern und Studienberatung, Weiterbildung der Lehrenden und Chancengleichheit verbessern. Die „neuen Personalkategorien“ sind darin ein Baustein, den die Unis bis heute kaum einsetzen.
Angesichts der Diskussion über neue Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs drängt Scheeres die Hochschulen jetzt, ihre Zurückhaltung aufzugeben: „Ich plädiere dafür, dass wir schnell die Möglichkeit der neuen Personalkategorien stärker nutzen“, erklärte sie am Mittwoch auf Anfrage. Außerdem setzt Scheeres auf großzügigere Befristungen nach der Gesetzesnovelle und auf den SPD-Nachwuchs-Pakt.
"Gute Lehre muss grundsätzlich mit Forschung verbunden sein"
Bislang hat nur die Technische Universität vier neue Dauerstellen für wissenschaftliche Mitarbeiter mit Lehraufgaben geschaffen. Hinzu kommen zwei unbefristete Hochschuldozenturen. Die geringen Zahlen lassen schon vermuten, dass TU-Präsident Christian Thomsen gleichwohl skeptisch bleibt: „Wir tun uns wie die anderen Unis weiter schwer, weil gute universitäre Lehre grundsätzlich mit Forschung verbunden werden muss.“
Die TU komme einerseits dem Wunsch vieler Postdocs nach unbefristeten Stellen unterhalb der Professur nach, andererseits schlössen sich eben eine erhöhte Lehrverpflichtung von 18 Semesterwochenstunden mit ausreichend Raum für die Forschung „nahezu systematisch aus“, sagt Thomsen. Dabei gewährt die TU ihren Lehr-WiMis und Hochschuldozenten die im Gesetz vorgesehene Erleichterung. Sie können für Aktivitäten in der Forschung eine Reduktion ihres Lehrdeputats um vier Semesterwochenstunden beantragen, vier weitere für Organisations- und Managementaufgaben.
Zahl der WiMis in Drittelmittelprojekten hat sich vervierfacht
Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität, erteilt den Hochschuldozenturen erneut eine Absage. Die damit verbundene „Entfremdung von Forschung und Lehre“ wäre nicht hinnehmbar. Geplant sei aber ein Ausbau der Stellen für „Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben“. Die HU werde sukzessive mehr Dauerstellen im Mittelbau schaffen, um den anhaltenden Ansturm von Studierenden und die Halteverpflichtung durch das Land zu bewältigen, nach der eine bestimmte Zahl von Studienanfängerplätzen vorgehalten werden muss. Ohnehin habe die HU deutschlandweit mit den höchsten Anteil unbefristeter Mittelbaustellen; gegenwärtig seien es 42 Prozent von insgesamt 679 Stellen.
Gerechnet auf die rund 2000 Menschen im HU-Mittelbau sind allerdings nur 20 Prozent unbefristet beschäftigt. Das liegt an der hohen Zahl der WiMis in drittmittelfinanzierten Projekten, die sich in den vergangenen 20 Jahren fast vervierfacht hat. Die Befristungsproblematik bei den Drittmittelbeschäftigten wäre nur mit einer höheren Grundfinanzierung der Universitäten zu lösen, sagt Olbertz. Dann bekämen sie mehr Spielraum „für eine Konsolidierung jenseits der Professuren“. Den brauchten die Hochschulen auch, um mehr Dauerstellen im Wissenschaftsmanagement zu schaffen.
Tutoren und Lehrbeauftragte statt Lehr-WiMis und Dozenten
So sieht man es auch an der Freien Universität. Der Bedarf an mehr Dauerstellen unterhalb der Professur bestehe, „insbesondere in den experimentellen Fächern“, teilt der Sprecher des Präsidiums mit. Dies sei nur mit einem erhöhten Hochschuletat machbar. Die in der Qualitätsoffensive bereitgestellten Mittel würden nicht für die neuen Stellenkategorien genutzt, sondern für „Tutorien sowie für die Erteilung zusätzlicher Lehraufträge, um ergänzend Spitzen in der Lehrnachfrage abfangen zu können“.
Allgemein ist die Lage der Mitarbeiter von Uni zu Uni und von Fach zu Fach unterschiedlich. An der TU gelten sie als privilegiert, in der Regel bekommen WiMis auf Haushaltsstellen einen Fünfjahresvertrag. Erklärt wird das mit der Konkurrenz um Absolventen aus den Natur- und Technikwissenschaften, die auch in der Industrie begehrt sind. An den beiden anderen großen Unis beklagen Mittelbauvertreter prekäre Kettenverträge und „krasse Abhängigkeitsverhältnisse“. Dabei hat die FU bereits 2011 Verwaltungsvorschriften erlassen, nach denen Verträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter vor und nach der Promotion nicht unter drei Jahren laufen sollen. An der HU soll im April dieses Jahres eine ähnliche Richtlinie in Kraft treten.
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