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Die drei Gewinner des Medizin-Nobelpreises 2019, projiziert auf eine Leinwand: Gregg Semenza , Peter Ratcliffe und William Kaelin (von rechts nach links).
© XinHua/dpa

Medizin-Nobelpreisträger 2019: Vom Labor ans Krankenbett

Erfahrungen im Klinik-Alltag, die sie mit der Grundlagenforschung rückgekoppelt haben: Das hat die drei Medizin-Nobelpreisträger 2019 in ihrer Karriere geprägt.

„Ich mag Mathematik und Medizin, weil ich gerne Puzzle löse.“ So hat William Kaelin, einer der drei am Montag mit dem Medizinnobelpreis Ausgezeichneten, einmal begründet, warum er in die naturwissenschaftliche Forschung gegangen ist.

Und tatsächlich steuerte der 61-jährige Kaelin das entscheidende Puzzlestück zur Lösung der Frage bei, die ihm jetzt den Nobelpreis einbrachte. Es war quasi ein Zufall, dass er in seiner Krebsforschung jenen letzten Mechanismus entdeckte, der noch fehlte, um erklären zu können, wie die Sauerstoffversorgung von Zellen funktioniert.

Dass Kaelin einmal den wichtigsten Wissenschaftspreis erhalten würde, schien am Anfang seiner Studienlaufbahn ausgeschlossen. Es gibt die Anekdote, wie ihm sein Uni-Mentor bei der allerersten Laborarbeit ein vernichtendes Zeugnis ausstellte: „Mr. Kaelin scheint ein kluger junger Mann zu sein, dessen Zukunft sicher nicht im Labor liegt.“ Zwar machte er danach erst mal einen großen Bogen um die Grundlagenforschung und ging als Mediziner in die Klinik. Doch aufhalten ließ er sich davon letztlich nicht. Schnell kam er nach Harvard, seit 2002 ist er dort Professor.

Kaelin konzentrierte sich auf die Onkologie

Kaelin hat sich immer auf die Onkologie, also Krebserkrankungen konzentriert. Seine Erfahrung im klinischen Alltag am Krankenbett habe ihn zutiefst davon überzeugt, dass man ganz grundsätzlich besser verstehen müsse, um Patienten effektiver heilen zu können, sagt er.

In einer bemerkenswerten Rede im Jahr 2016 hat er die staatlich finanzierte Grundlagenforschung verteidigt, die sich keiner Verwertbarkeit, keinen Investoren unterwerfen muss. Finanzielle Unterstützung unmittelbar an erhoffte Behandlungsmethoden oder Präparate zu binden konterkariere geradezu den freien Geist, in dem gute Wissenschaft ausgeübt werde.

Dass er sich in den vergangenen Jahren mit immer klareren Worten für die Grundlagenforschung einsetzt, hat auch damit zu tun, dass seine Frau – ebenfalls Onkologin – 2015 an Krebs starb. „Wir müssen noch viel besser darin werden, das Wissen zu generieren, mit dem Menschen schließlich geholfen werden kann.“

Ein einschneidendes Erlebnis für Greg Semenza

Lieferte Kaelin das wichtige noch fehlende Puzzlestück, hatten sich seine Co-Preisträger Gregg Semenza (63) und Peter Ratcliffe (65) schon lange mit der Sauerstoffversorgung der Zelle beschäftigt. Für den gebürtigen New Yorker Semenza, seit 1990 Professor an der Johns Hopkins University, war es ein einschneidendes Erlebnis, als während seines Studiums eine Freundin der Familie ein Kind mit Downsyndrom bekam. Das bewegte ihn dazu, medizinische Genetik als Schwerpunkt zu wählen. Er wurde später Kinderarzt, weil sich viele angeborene Krankheiten eben schon bei der Geburt zeigen.

Das war der Startpunkt für seine Forschungskarriere. „Das ist meine Religion“, erklärte er 2016. „Ich bin voller Staunen über das Ergebnis von vier Milliarden Jahren Evolution auf diesem Fleck des Universums und voller Hoffnung darauf, dass wir das Leben der Menschen um uns herum mit grundlegenden Entdeckungen und ihrer Übernahme in die klinische Praxis verbessern können.“

Peter Ratcliffe wollte einst Chemiker werden

Peter Ratcliffe, der Brite unter den Preisträgern, war übrigens der Einzige, der schon an seiner Uni bei der Arbeit war, als er am Montag den Anruf des Nobelkommittees erhielt. Er wollte einst Chemiker werden, sein Schuldirektor zwang ihn förmlich, stattdessen Medizin zu studieren. „Das zeigt, welche Rolle glückliche Fügungen in der Wissenschaft manchmal spielen“, sagte Ratcliffe einmal. Seit 35 Jahren forscht er in Oxford, wo er heute Chef der Medizinischen Fakultät ist. Wie seine Co-Ausgezeichneten hat Ratcliffe, ausgebildeter Nephrologe, immer wieder die Arbeit im Labor mit der medizinischen Praxis in der Klinik verbunden.

219 Menschen haben seit 1901 den Medizin-Nobelpreis bekommen. Ein Muster zieht sich durch die Jahrzehnte: Meistens ging er an Männer in einem späteren Stadium ihrer Karriere. Überhaupt haben ihn erst zwölf Frauen erhalten. Zumindest in diesem Sinne ist die Verleihung an Kaelin, Semenza und Ratcliffe in diesem Jahr keine Überraschung.

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