60.000 Freiwillige werden geimpft: Vielversprechender Covid-19-Impfstoff startet in entscheidende Testphase
Mit dieser Technik konnte schon ein Impfstoff gegen Ebola entwickelt werden. Jetzt testet der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson ein Covid-Vakzin.
Noch im April erklärte Paul Stoffels, der Forschungschef der US-amerikanischen Pharmafirma Johnson & Johnson, im Tagesspiegel-Interview, dass der Covid-19-Impfstoff „im September“ erstmals an Menschen getestet werden könne. Doch wie fast alles in dieser Pandemie geht es nun doch schneller.
Nachdem erste Tests der Prüfphase I/II bereits in den vergangenen Monaten stattgefunden haben, beginnt ab heute die dritte und für die Zulassungsentscheidung maßgebliche Phase III: 60.000 Freiwilligen in den USA, Südafrika und Lateinamerika wird in den kommenden Monaten entweder das Vakzin oder eine Placebo-Kontrolle gespritzt. Das verkündeten der Chef der National Health Institutes der USA, Francis Collins, und Anthony Fauci, Direktor der National Institutes of Allergy and Infectious Diseases und maßgeblicher Berater der US-Regierung in dieser Pandemie bei einer Telefonkonferenz.
Schutz ohne Profit
„Nach neun Monaten sehr harter Arbeit“ sei man nun in der Lage, diesen Impfstoff an einer großen und diversen Bevölkerungsgruppe auf Wirksamkeit und eventuelle Nebenwirkungen zu testen, sagte Paul Stoffels in dem Gespräch. Es werde etwa sechs bis acht Wochen dauern, bis man die 60.000 Teilnehmer rekrutiert habe. Mit Ergebnissen sei nicht vor Ende 2020, Anfang 2021 zu rechnen.
Ein Vorteil des Impfstoffs sei, dass nur eine Dosis nötig sei, um einen Impfschutz auszulösen, sagte Stoffels, also eine hinreichend starke und ein Immungedächtnis bildende Reaktion des Immunsystems. Das hätten die präklinischen Experimente an Tiermodellen ergeben, aber auch die Ergebnisse der Phase I/II-Studien würden in diese Richtung deuten. Studien, in denen die Vakzine ein zweites Mal gegeben wird, eine „Booster“-Impfung, seien aber parallel in Vorbereitung.
Inzwischen habe Johnson & Johnson weltweit die Produktionskapazitäten soweit ausgebaut, dass man sich verpflichten konnte, in 2021 eine Milliarde Impfdosen zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung ist, dass sich „Ad26.Cov2.s“, wie der Impfstoff offiziell heißt, als wirksam erweist. Außerdem habe man sich verpflichtet, den Impfstoff zu einem „not for profit“-Preis zur Verfügung zu stellen, der nur die Kosten deckt.
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Deutschland kein Teststandort
Der Impfstoff beruht auf einer Plattform-Technologie, also eine Art Verpackung, in die dann ein Stück eines beliebigen Erregers, HIV, Ebola, Zika, Sars-CoV-2, eingebaut werden kann. Diese Ad26-Plattform besteht aus einem menschlichen Schnupfenvirus, dem Adenovirus vom Typ 26. Im Labor wurde es so verändert, dass es dem Menschen nicht mehr schaden kann, aber ein Stück des Coronavirus in den menschlichen Körper transportieren kann, so dass das Immunsystem darauf reagiert.
In diesem Fall ist es ein Stück des Spike-Proteins, des Stachels von Sars-CoV-2, mit dem das Virus in die Zellen eindringt. Die Körperabwehr erkennt dieses Protein als fremd und entwickelt ein Immungedächtnis und greift im Idealfall auch echte Coronaviren mit diesem Spike-Protein an, wenn sich der geimpfte Mensch infizieren sollte.
Um herauszufinden, ob das so funktioniert, müssen die Phase-III-Studien in Ländern stattfinden, in denen das Virus stark zirkuliert. Deutschland kam nicht infrage. In Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru hingegen ist die Chance, dass ein Geimpfter auf das Virus trifft, statistisch höher.
Fruchtbare Zusammenarbeit
Irgendwann Ende des Jahres wird man daher einen Unterschied sehen zwischen der Gruppe von Menschen, die den Impfstoff bekommen hat, und der Placebo-Gruppe. Stecken sich deutlich mehr derjenigen an, die keinen Impfstoff bekommen haben, kann der Impfstoff als wirksam gelten. Bei einer etwa 60prozentigen Wirksamkeit bräuchte es 154 solcher „Events“, sagte Fauci, um die Wirksamkeit statistisch belegen zu können. Wobei man natürlich hoffe, dass die Wirksamkeit größer als 60 Prozent sein werde. Aber mit Ergebnissen rechnet auch Fauci nicht vor Dezember.
Der Impfstoff sei das Produkt von mehr als zehn Jahren Forschung und Entwicklung der Ad26-Plattform, die zur Entwicklung von Vakzinen gegen Zika, HIV, RSV und Ebola eingesetzt worden sei. Eine Entwicklung, die nicht ohne die „fruchtbare Zusammenarbeit“ zwischen Forschern des NIH und Pharmafirmen wie Johnson & Johnson in öffentlich-privaten Partnerschaften möglich gewesen wäre, betonte Anthony Fauci.
Mehr als 100.000 Menschen seien diesen Ad26-Impfstoffen bereits im Rahmen verschiedener Studien ausgesetzt worden, sagte Stoffels. Auf größere Nebenwirkungen gibt es keine Hinweise. Der Ebola-Impfstoff auf Ad26-Basis ist kürzlich von der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA zugelassen worden.