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US-Präsident Donald Trump und der Top-Virologe Anthony Fauci haben seit Wochen nicht mehr direkt miteinander gesprochen.
© imago images/ZUMA Wire

Trump und Amerikas Top-Virologe: Die Demontage des Dr. Fauci

Mitten in der Corona-Pandemie ignoriert US-Präsident Donald Trump den Rat seines wichtigsten Experten. Der Blick auf Dr. Fauci wird damit auch zum Politikum.

Es ist eine Frage, die die USA fast seit Beginn der Coronavirus-Pandemie begleitet: „Wo ist Dr. Fauci?“. Verbunden damit die Spekulation darüber, wie lange Amerikas Top-Virologe sich noch in seinem Job als Regierungsberater im Corona-Krisenstab des Weißen Hauses halten kann – oder wahlweise: halten will.

Denn es mutet schon wie eine außerordentliche Übung in Langmut an, was sich Anthony Fauci, der weltweit angesehene und durchaus selbstbewusste Chef des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), alles bieten lassen muss.

Jüngstes Beispiel: Das Weiße Haus ließ am Wochenende eine Liste mit Faucis angeblichen Fehlern und Widersprüchen in der Krise verteilen, ganz so, als ob es sich bei ihm um einen politischen Gegner handelt, den es öffentlich zu überführen gilt. Darin hieß es, diese habe das Einreiseverbot aus China kritisiert, obwohl das doch Tausenden Amerikanern das Leben gerettet hätte.

Auch sei er zunächst gegen das Tragen von Masken gewesen, und jetzt dafür. Als Gegner wird offenbar jeder eingestuft, der es wagt, Aussagen von US-Präsident Donald Trump zu widersprechen, und wie Fauci darauf zu pochen, dass die Lage in den USA weiter extrem gefährlich sei.

Auf Twitter wird gegen Fauci gehetzt

Welche Folgen das abenteuerliche Vorgehen des Weißen Hauses hat, kann man in den Sozialen Netzwerken beobachten. Bei Trumps rechter Twitter-Anhängerschaft war am Dienstag der Hashtag #FauciTheFraud (in etwa: Fauci, der Betrüger) beliebt.

Zu lesen war da unter anderem, dass der Virologe alles daran setze, die Pandemie aufzubauschen, um Trump mit Blick auf die Präsidentschaftswahl am 3.November zu schaden, oder dass er ein „Massenmörder“ sei, weil er verhindere, dass das vom Präsidenten empfohlene Anti-Malaria-Medikament Hydroxychloroquin als Gegenmittel gegen das Coronavirus eingesetzt werde.

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Nötig hat Fauci dies alles ganz sicher nicht. Er hat bereits sechs US-Präsidenten beraten, gilt als Pionier der Aids-Forschung, das NIAID leitet er seit 1984. Und: Am 24. Dezember wird Fauci 80 Jahre alt, manche spekulieren darauf, dass er spätestens dann den wohlverdienten Schlussstrich ziehen könnte.

Neuer Höhepunkt der Corona-Pandemie in den USA

Gegen einen früheren freiwilligen Rückzug spricht, dass sich die USA derzeit auf einem neuen Höhepunkt der Krise befinden. Ausgerechnet da hinzuschmeißen, kommt Fauci nach so vielen Jahren wohl nicht in den Sinn. Die Infektionszahlen sind in den vergangenen Wochen dramatisch in die Höhe geschnellt, Tag für Tag werden gerade mehr als 60.000 Neuinfektionen registriert.

Inzwischen gibt es mehr als 3,3 Millionen bestätigte Infektionen und mindestens 135.000 Todesfälle – die USA stellen damit in absoluten Zahlen einen traurigen weltweiten Rekord auf.

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Da Trump ein Meister der doppelten Botschaften ist – je nachdem, an welche Zuhörerschaft er sich wendet –, ist es andererseits aber auch nicht ausgemacht, dass er Fauci bald feuert. Am Montag erklärte der Präsident bei einer Veranstaltung im Weißen Haus: „Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mit Dr. Fauci, und das schon seit einer sehr langen Zeit.“ Dieser sei ein „sehr netter Mensch“, mit dem er nur nicht immer übereinstimme.

Zwei Drittel der Amerikaner sind mit Faucis Arbeit zufrieden

Auch der Sender CNN berichtete unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsmitarbeiter, Trump habe derzeit kein Interesse daran, Fauci zu feuern. Tatsächlich könne der Präsident ihn persönlich wohl auch gar nicht als NIAID-Direktor entlassen, das müsste ein direkter Vorgesetzter tun, etwa Gesundheitsminister Alex Azar oder der Chef des National Institutes of Health, Francis Collins.

Dazu kommt das politische Risiko, das mit einem Rauswurf des Top-Virologen verbunden wäre: Zwei Drittel der Amerikaner sind Umfragen zufolge von Faucis Krisenmanagement durchaus angetan.

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Was der Präsident allerdings machen kann, ist, den Rat seines Experten zu ignorieren. Und das tut Trump offenbar auch, der genug hat von der Schwarzmalerei und fürchtet, dass sich die Wirtschaft vor der Wahl nicht mehr rechtzeitig erholt, wenn die Schutzmaßnahmen nicht weitgehend aufgehoben werden. Wie Fauci in einem Gespräch mit der „Financial Times“ vor wenigen Tagen berichtete, haben die beiden seit Wochen nicht mehr direkt miteinander gesprochen.

Wie das Tragen einer Maske ist auch der Blick auf „Dr. Fauci“ längst zu einem parteipolitischen Unterscheidungsmerkmal geworden. Die Opposition ist entsetzt über den Umgang mit ihm.

Washingtons demokratische Bürgermeisterin Muriel Bowser twitterte am Montag ihre Unterstützung: „In Fauci we trust“ (Wir vertrauen auf Fauci) schrieb sie in Abwandlung des amerikanischen Wahlspruchs „In God we trust“. Und fügte hinzu: „Masken auf, DC.“

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