zum Hauptinhalt
122 Jahre Leben. Älter als die Französin Jeanne Calment ist bisher noch kein Mensch geworden.
© REUTERS

Limit der Langlebigkeit: Viel älter als 115 können Menschen nicht werden

Bis in die 1990er Jahre ist die Lebensdauer der Ältesten gestiegen. Doch jetzt sind wir am Limit, meinen New Yorker Forscher.

Als junge Aushilfe verkaufte sie in ihrer Heimatstadt Arles Malutensilien an Vincent van Gogh. Als ihr das Wahlrecht zugesprochen wurde, war die Französin schon fast 70 und der Zweite Weltkrieg tobte. Kurz bevor sie 1997 mit 122 Jahren starb, war ihr Geist zwar rege, aber sie saß im Rollstuhl, sah nichts mehr und war fast taub. Bis heute ist kein Mensch älter geworden als Jeanne Calment.

Vermutlich wird sie die Ausnahme bleiben, schreiben nun Genetiker um Jan Vijg vom Albert Einstein Medical College in New York im Fachblatt „Nature“. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch das stolze Alter von 125 erreiche, betrage 1:10 000. Es gebe doch eine natürliche Grenze der Langlebigkeit, befinden sie und befeuern damit eine zuweilen bissig geführte Debatte unter Forschern.

Niemand bestreitet, dass die Lebenserwartung steigt

Dass die Lebenserwartung seit dem 19. Jahrhundert stetig steigt, bestreitet niemand. Dank Impfungen, besserer Hygiene und Ernährung sowie vieler Medikamente sterben beispielsweise die Deutschen nicht mehr im Schnitt mit 50, sondern Frauen haben gute Chancen, 83 Jahre alt zu werden. Dann allerdings haben sie so viele Schäden in ihrem Erbgut angehäuft, dass Krebs entsteht oder die Nervenzellen kommen mit der Müllabfuhr nicht hinterher, sodass sich Alzheimer entwickelt. Oder das Herz gibt auf.

Wer älter als 100 wird, profitiert seit den 1980er Jahren kaum noch von den Fortschritten der Medizin, zeigte Vijgs Analyse von Daten aus 38 Ländern in der „Human Mortality Database“. Das Überleben dieser Gruppe verbesserte sich seitdem kaum. Als sich die Forscher zusätzlich die „International Database of Longevity“ anschauten, in der 534 extrem alte Menschen verzeichnet sind, bestätigte sich das Bild: Zwischen 1970 und 1990 stieg die maximale Lebensspanne von 111 auf 115, dann hatte sie ein Plateau erreicht. Das war’s, sagt Vijg. Länger als 115 Jahre könnten die Menschen wohl nicht leben – auch wenn Methusaleme meist vor Volkskrankheiten geschützt seien und auch wenn es heute mehr Menschen gebe, die 100 werden. Dass seit 1997 niemand mehr das Alter von Jeanne Calment erreicht hat, sei ein weiterer Beleg.

Eine natürliche Grenze der Langlebigkeit?

Trotz aller Fortschritte habe sich am Mechanismus des Alterns nichts geändert, pflichtet ihm Jay Olshansky von der Universität von Illinois in Chicago in einem Kommentar bei. Es gebe zwar keine „genetische Zeitbombe“, die nach einer festgesetzten Anzahl von Jahren plötzlich explodiert. Aber im Laufe der Evolution seien die biologischen Uhren unter anderem darauf geeicht worden, dass sich Menschen in jungen Jahren fortpflanzen. Das Altern als Nebenprodukt dieser Uhren schränke nun die maximale Lebensspanne ein – ähnlich wie die Biomechanik Grenzen dafür vorgibt, wie schnell man rennen kann.

Die Studie sei „lächerlich“, schmetterte  James Vaupel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock seinen Konkurrenten in einem Statement entgegen. Vijgs Team habe nicht einmal die besten statistischen Methoden für die Analyse benutzt. Außerdem würden die Forscher künftige Fortschritte der Medizin nicht berücksichtigen. Wissenschaftler hätten immer wieder eine Grenze der Langlebigkeit vorhergesagt – und seien immer wieder eines Besseren belehrt worden. Vijg ist dagegen anderer Meinung: Die Medizin trage bisher eher dazu bei, wie lange wir gesund alt werden.

Zur Startseite