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Blau-weiße Selektion: Bayern zieht Genbastelset aus dem Verkehr.
© imago/Olaf Döring

Do-It-Yourself-Gentechnik: Verseuchte Bastelsets

Bayerische Behörde warnt vor Krankheitserregern in Experimentierkästen für Biohacker.

Der Chemiebaukasten ist längst Standard als Geschenk für den Nachwuchs. Wer zuhause stattdessen gentechnisch Basteln möchte, der konnte sich für 150 US-Dollar bei der kalifornischen Firma „The Odin“ per Internet ein „Do-It-Yourself-Gentechnik-Crispr-Kit“ bestellen. Doch Beamte des bayerischen Gesundheitsamts LGL fanden darin nun statt harmloser Bakterien eines Sicherheitsstamms ganz andere, potenziell krankheitserregende Mikroben.

Der Gentech-Bastelkasten enthält laut Hersteller sowohl die neuartige Crispr-Genschere als auch den Sicherheitsstamm HME63 des Darmbakteriums Escherichia coli. Dessen Erbgut lässt sich mit dem Kit so verändern, dass es resistent gegen das Antibiotikum Streptomycin wird und sich dann in einem Nährmedium vermehrt – ein harmloses Lehrexperiment. Doch die Kontrolleure des LGL, die schon im Oktober vergangenen Jahres vorsorglich ein Odin-Kit bestellt hatten, fanden stattdessen Klebsiella pneumonieae, Enterococcus faecalis und Kluyvera intermedia, nicht aber die E.coli-Sicherheitsbakterien.

Keine Lieferungen mehr nach Deutschland

Ein zweites Odin-Kit kontrollierte die Behörde fünf Monate später bei einem Besuch einer „Crispr-Kitchen“, die der Berliner Biohacker und Diplom-Biologe Rüdiger Trojok gemeinsam mit dem Institut für Technologiefolgenabschätzung und Systemanalyse ITAS des Karlsruher Instituts für Technologie Mitte März in München veranstaltet hatte. Die LGL-Beamten waren eingeladen und diskutierten mit. Dann aber nahmen sie ohne weitere Erklärung, so Trojok, Proben aus dem Odin-Bausatz, den der Biohacker nur vorgestellt, nicht aber benutzt hatte.
Dass auch in diesem Kit ein Gemisch von krankheitserregenden Bakterien enthalten war, erfuhr Trojok erst Ende März, als das Amt eine Warnung veröffentlichte. Außerdem informierten die LGL-Beamten die Firma Odin, dass die US-Behörden verständigt seien und weitere Lieferungen nach Bayern „offiziell strafrechtlich verfolgt“ würden.

Nur bestimmte Gentechnik-Eperimente zulässig

Der Warnung hat sich auch die zuständige Berliner Behörde, das Landesamt für Gesundheit und Soziales, angeschlossen. „Mit dem Kit darf nicht mehr gearbeitet werden, weil sonst Hygienevorschriften verletzt werden“, sagt Angela Tran-Betcke vom Lageso. Nur solange ein Experimentierkasten harmlose Keime der Risikostufe 1 wie E. coli enthält, darf man ihn verschicken und besitzen. Erlaubt seien auch bestimmte gentechnische Experimente, die von der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit zugelassen sind. Dazu gehört der „Blue Genes“-Experimentierkasten, mit dem sich Kolonien von E. coli-Bakterien mittels gentechnischem Kniff blau einfärben. Dabei werden nur Gene des E. coli-Bakteriums verwendet – eine „Selbstklonierung“, die das Gentechnikgesetz erlaubt. Das gelte aber nicht für Experimente mit der erst 2012 entwickelten Crispr-Genschere, die aus anderen Bakterien als E. coli stammt, sagt Tran-Betcke. „Deshalb wäre ein Experiment wie das von Odin beschriebene keine Selbstklonierung mehr und außerhalb eines Sicherheitslabors strafbar.“

Mit den Bakterien im Odin-Kit können die Biohacker also ohnehin nicht viel anfangen. Legal können sie nur die Genschere im Reagenzglas einsetzen und dort DNS-Moleküle verändern, nicht aber in eine lebende Zelle einsetzen. Und eine ernste Gefahr gehe von den nun gefundenen Bakterien im Odin-Kit auch nicht aus, sagt Tran-Betcke: „Das sind durchaus Bakterien, die auch so in der Umwelt vorkommen und mit denen man ohnehin in Berührung kommt.“ Klebsiella-Bakterien sind Teil der natürlichen Mundflora des Menschen, könnten aber auch Krankheiten verursachen, wenn sie in Wunden geraten oder sich in immunschwachen Patienten vermehren. „Wenn man damit versehentlich bei sich zu Hause in der Küche arbeitet, ist eine Infektion nicht auszuschließen“, sagt Tran-Betcke.

Verbieten hilft nicht weiter

Die Biohacker-Szene hat die Lageso-Mitarbeiterin schon länger im Blick – und setzt ausdrücklich auf Dialog: „Verbieten hilft am Ende nicht weiter“, sagt die promovierte Mikrobiologin, die das Heimlabor von Biohacker Trojok auch schon selbst besucht hat. „Er setzt sich mit den Vor- und Nachteilen auseinander und kennt viele Leute, zu denen wir gar keinen Kontakt haben, und gibt Informationen weiter.“ So habe die Biohacker-Szene die Meldung über die Verunreinigung des Kits sofort in den einschlägigen Internetforen aufgegriffen und diskutiert. Mit ITAS-Unterstützung und anderen europäischen Bürgerforschern hat Trojok jetzt ein Kommittee gegründet, das Standards und Methoden für einen sicheren Umgang mit Bakterien beim Biohacking entwickeln soll. Sorgen macht sich Tran-Betcke vor allem, wenn „völlige Laien alleine bei sich zuhause mit solchen Experimentierkästen arbeiten, denn als Mikrobiologin weiß ich, wie leicht man sich eine Fremdinfektion einfangen kann.“ Sie plädiert für Gemeinschaftslabors. Die Berliner Gruppe „Biotinkering“ sucht seit Jahren nach geeigneten Räumen dafür. In den USA aber auch in Paris oder Amsterdam gibt es schon seit Jahren staatlich großzügig unterstützte Biohackerspaces.

Kein Problem des Biohackings

„Dieser Vorfall hat nichts mit Biohacking zu tun, sondern mit der Qualitätskontrolle von Odin“, sagt der Amsterdamer Biohacker Pieter van Boheemen. In der Tat ist das Problem erst dadurch entstanden, dass die meisten, professionellen Laborbedarfslieferanten nicht an Privatpersonen, sondern nur an Institute oder Firmen liefern. Die Folge ist, dass Genbastler aber auch andere Bürgerforscher ohne gentechnische Ambitionen auf kleine, kaum kontrollierte Anbieter im In- und meist Ausland ausweichen. Dabei wäre gerade für die Amateure eine ordentliche Qualitätskontrolle eines Lieferanten vonnöten, da sie selbst in den meist improvisierten Heimlabors kaum kontrollieren können, ob sie es mit den richtigen Bakterien oder funktionierenden Materialien zu tun haben.
Der Gründer von Odin, Josiah Zayner ist selbst promovierter Biologe, Ex-Nasa-Mitarbeiter und Biohacker. Er hat die Firma mit dem Ziel gegründet, die Do-It-Yourself-Szene zu beliefern, um die „genetische Revolution“ voranzubringen. Nun hat er ihr wohl wegen laxer Qualitätskontrolle einen Bärendienst erwiesen.

Sascha Karberg

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