Nach dem EU-Ausstieg Großbritanniens: Unis fürchten schwere Folgen des Brexit
Nach dem Brexit-Votum: Die Wissenschaft fürchtet schwere Folgen für die Mobilität von Studierenden und Wissenschaftlern. So muss das Erasmus-Programm neu verhandelt werden.
Deutsche und Britische Hochschulvertreter fürchten, das Brexit-Votum könnte schwerwiegende Folgen auch für die Wissenschaft haben. So rechnet Margret Wintermantel, Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, mit "erheblichen Auswirkungen auf die Mobilität von Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern". Sollte es im Zuge des Austritts zu einer Einschränkung der Mobilität kommen, "hat das natürlich Konsequenzen für das akademische System Großbritanniens und den britischen Arbeitsmarkt", erklärte Wintermantel. Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, sprach von "einem schmerzhafter Einschnitt für die europäischen Hochschulen": "Die Briten bilden einen bedeutenden Teil des europäischen Hochschulraums; ihr Beitrag darf nicht verloren gehen."
Auch Rolf Heuer, Präsident der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), bedauerte den Brexit: "Zu einem Zeitpunkt, zu dem grenzüberschreitende wissenschaftliche Zusammenarbeit mehr gebraucht wird denn je, verliert die EU einen wertvollen Partner."
Universities UK, der Dachverband der mehr als hundert britischen Hochschulen, reagierte unmittelbar, nachdem das Votum feststand. Präsidentin Julia Goodfellow erklärte, die Unis hätten sich ein anderes Ergebnis gewünscht: "Aber wir respektieren die Entscheidung der Wähler." Der Ausstieg aus der EU werde jetzt nicht über Nacht passieren: "Unsere Priorität wird sein, die Regierung davon zu überzeugen, Maßnahmen zu ergreifen, dass Wissenschaftler und Studierende aus EU-Ländern auch langfristig ungehindert an britischen Unis arbeiten und studieren können." Goodfellow appellierte an die Politik sicherzustellen, dass britische Unis auch weiterhin Zugang zu EU-Programmen haben.
Es geht für die britischen Unis um viele EU-Mittel
Die britischen Universitäten hatten im Vorfeld der Entscheidung praktisch geschlossen für einen Verbleib des Landes in der Europäischen Union geworben. Sie fürchten unter anderem, mit einem Brexit könnten sie ihre EU-Forschungsgelder verlieren, die für sie von enormer Bedeutung sind. Nach Großbritannien fließen rund zehn Prozent der EU-Forschungsgelder, das Land erhält aus diesem Topf mehr als es einzahlt. Experten halten es für unwahrscheinlich, dass die verbleibenden EU-Länder in der Forschung einen so großen Anteil künftig an ein Nicht-Mitglied zahlen wollen.
"Es ist offen, wie es für die EU-Forschungsförderung für britische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitergeht", erklärte jetzt auch Wintermantel. Horst Hippler befürchtet nun "eine längere Periode der Unsicherheit": "Das ist gerade auch für Deutschland eine problematische Perspektive, denn für uns sind die britischen Hochschulen in jeder Hinsicht äußerst wichtige Partner.“ Es müssten jetzt eine ganze Reihe von Regelungen getroffen werden, die Großbritannien die Beteiligung an Austausch und Kooperation in Europa ermöglicht.
Folgen für das Erasmus-Programm
Unter den britischen Studierenden waren ebenfalls viele für einen Verbleib ihres Landes in der EU. Für sie wie für deutsche Studierende könnte der Austritt Großbritanniens gleichsam Folgen haben. Denn auch die Modalitäten des Erasmus-Austauschprogramms für Studierende werden neu verhandelt werden müssen. Außerdem stelle sich die Frage nach der Höhe der Studiengebühren für Studierende aus EU-Ländern, heißt es beim DAAD. Erasmus-Studierende sind aktuell von Studiengebühren befreit, EU-Studierende zahlen reduzierte Studiengebühren. Es bestehe die Möglichkeit, dass es nach dem Austritt zu einer dramatischen Erhöhung komme.
Derzeit sind mehr als 18 000 junge Deutsche an einer britischen Uni eingeschrieben: 4400 im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms der EU, 13 700 absolvieren ihr gesamtes Studium dort. Mögliche Änderungen werden allerdings erst dann greifen, wenn der Austritt und die neuen Beziehungen Großbritanniens zur EU endgültig verhandelt sind. Aktuell in Großbritannien eingeschriebene Studierende müssen sich also nicht akut Sorgen machen.
Mehrere tausend deutsche Forscherinnen und Forscher arbeiten derzeit ebenfalls an britischen Hochschulen. Bisher profitieren sie von der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU, sie müssen also keine Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis beantragen. Sollte sich das ändern, dürften die Attraktivität britischer Unis für Wissenschaftler aus der EU sinken. Schon vor dem Votum hatten Unis berichtet, europäische Forscher würden Jobs nicht annehmen, weil sie nach einem Brexit eine jahrlange Unsicherheit um ihren Aufenthaltsstatus fürchten.