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27 Kilometer lang ist der Rundkurs im Europäischen Kernforschungszentrum Cern bei Genf.
© Martial Trezzini/dpa

Neustart des Teilchenbeschleunigers LHC: Und wieder kreisen Protonen in der Weltmaschine

Wichtiger Meilenstein beim Neustart des Teilchenbeschleunigers: Nach einem Kurzschluss haben die Cern-Forscher die Maschine wieder flott bekommen.

Auf dem Weg zum Neustart des Teilchenbeschleunigers LHC haben die Wissenschaftler einen wichtigen Fortschritt erzielt. Erstmals nach zwei Jahren Wartungspause kreisen wieder Protonen in dem 27 Kilometer langen Ring. Das teilte das europäische Kernforschungszentrum Cern in Genf am Sonntagvormittag mit. In wenigen Wochen könnten die ersten Experimente  beginnen – wenn alles glatt geht.

Bei einem Magneten hatte es einen Kurzschluss gegeben

Der Neustart hatte sich zuletzt verzögert. Ursprünglich sollten die Elementarteilchen bereits am 25. März erste Runden in den Beschleuniger drehen. Doch wenige Tage zuvor kam es bei einem der Magneten, die die Teilchen auf Kurs halten, zu einem Kurzschluss. Ein Metallspan war in der Anlage auf eine Leitung gelangt, eine langwierige Reparatur drohte. Denn viele Teile des LHC-Rings werden bis auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt, damit es zur Supraleitung kommt – die wiederum den Magneten erst die nötige Leistung ermöglicht.

Steht eine Reparatur an, muss unter Umständen ein größerer Teil des Beschleunigers wieder erwärmt werden, bevor Techniker sich an den Eingriff wagen können. Anschließend muss alles wieder abgekühlt werden.

Im Fall des Kurzschlusses war der Fehler nach einer guten Woche behoben. Nach eingehender Untersuchung entschlossen sich die Fachleute zu einer eher rabiaten Lösung: Für einige Millisekunden schickten sie einen kräftigen Strom mit knapp 400 Ampere auf die Leitung, damit der Metallspan schmilzt – wie der Draht in einer Schmelzsicherung. Es funktionierte. Anschließend wurde die "Weltmaschine" weiter für den Neustart vorbereitet.

Der Rundkurs besteht aus zwei Röhren

Nun kreisten nun erstmals wieder Protonen auf dem unterirdischen Rundkurs, der eigentlich aus zwei Röhren besteht, die nah beieinander liegen. Darin sind die Teilchen in gegenläufigen Richtungen unterwegs: in der einen Röhre im Uhrzeigersinn, in der zweiten entgegengesetzt.  Im nächsten Schritt werden die Protonenstrahlen weiter fokussiert, damit sie ohne große Verluste auf der Kreisbahn dahinjagen. Die Teilchen sind dabei fast so schnell wie das Licht, Mehr als 11.000 Umläufe schaffen sie binnen einer Sekunde.

Während der Crashs wird viel Energie frei - es entstehen neue Teilchen

Im Forschungsbetrieb werden die zwei Protonenstrahlen schließlich gezielt aufeinander gelenkt, um Kollisionen der Teilchen herbeizuführen. Diese werden in den großen Detektoren mit einer Art 3-D-Kamera aufgezeichnet. Während der Crashs wird viel Energie frei, die dazu führt, dass neue Teilchen entstehen. Die Forscher hoffen, in den zahlreichen neuen Teilchen auch besonders seltene oder gar unbekannte zu finden – so wie in der letzten Betriebsphase des Beschleunigers, als das lang gesuchte Higgs-Teilchen entdeckt wurde.

Die Higgs-Theoretiker erhielten 2013 den Nobelpreis

Es steht für einen Mechanismus, der Elementarteilchen ihre Masse verleiht. Für die theoretischen Grundlagen gab es 2013 den Physik-Nobelpreis.

In den nächsten Jahren soll der LHC mit höherer Energie betrieben werden. So können bei den Kollisionen auch schwerere Teilchen entstehen als bislang. Die Cern-Forscher spekulieren darauf, neue Teilchen zu finden, die ihnen beispielsweise etwas über die Dunkle Materie verraten.

Die Forscher suchen nach neuen Theorien

Aber nicht nur. Heiko Lacker von der Berliner Humboldt-Universität (HU) hofft, in den Daten des Atlas-Detektors Spuren von besonders schweren Quarks zu finden. Im Grunde geht es darum, "neue Physik zu finden", sagt er. Damit bezeichnen Forscher Theorien, die jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik gelten. Denn das Standardmodell hat einige Schwächen, es kann beispielsweise nicht die Gravitationskraft erklären. Es muss also eine noch bessere Erklärung für die Welt geben – und die wird unter anderem am Cern gesucht. "Es gibt eine ganze Fülle von Theorien jenseits des Standardmodells", sagt der Physiker. "Mit dem LHC können wir sie zumindest teilweise testen." Die schweren Quarks zum Beispiel, die Lacker sucht, werden von einigen Theorien vorhergesagt. Ob es Belege für diese Theorien gibt, soll die gewaltige Experimentiermaschine zeigen.

Die Physiker der Humboldt-Universität können auch von Berlin aus arbeiten

"Wenn das Hochfahren des LHC weiter nach Plan verläuft, werden wir Mitte bis Ende Mai die ersten Proton-Proton-Kollisionen mit unseren Detektoren aufzeichnen", sagt er. Dank Grid-Computing müssen die HU-Forscher nicht unbedingt nach Genf reisen, sondern können vorrangig von Berlin aus arbeiten.

Erst zum Jahresende dürfte der Beschleuniger "richtig laufen"

Der LHC werde anfangs noch nicht mit voller Leistung betrieben, sagt Lacker. Erst zum Jahresende dürfte der Beschleuniger "richtig laufen". Große Datenmengen, die die Forscher für ihre statistischen Analysen benötigen, wird es erst ab dem nächsten Jahr geben.

Damit müssen alle Wissenschaftler klarkommen, die am LHC beteiligt sind. Lacker: "Ob es bahnbrechende Erkenntnisse wie die Entdeckung des Higgs-Bosons gibt, werden erst die nächsten Jahre zeigen."

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