Ursache von Bauchschmerzen aufklären: Ultraschall hilft, eine Blinddarmentzündung zu erkennen
Die Aussagen kleiner Kinder mit Bauchweh sind meist diffus – Ultraschall kann helfen, eine präzise Diagnose zu stellen. Wichtig ist, dass die Ärzte die Technik beherrschen.
„Mama, Papa, mein Bauch tut weh!“ Nicht nur Blähungen, Durchfall oder Verstopfung, auch Kummer und Aufregung, manchmal sogar eine Lungenentzündung oder eine Entzündung vom Bauch weit entfernter Organe, etwa des Mittelohrs, können der Grund für diese Klage sein: Denn kleine Kinder empfinden Schmerzen oft ganz diffus im Bauchraum und projizieren sie in die Körpermitte. Der eigene Nabel ist dann der Nabel der Welt.
Kommt Fieber hinzu, ohne dass es Anzeichen für einen Magen-Darm-Infekt gäbe, könnte eine Blinddarmentzündung dahinterstecken. Streng genommen: eine Entzündung des Wurmfortsatzes („Appendix“), des Anhängsels am Blinddarm-Abschnitt des Dickdarms. Sie kann bis zu einem „Durchbruch“ führen. Das entzündete, geschwollene Gewebe öffnet sich, Bakterien gelangen in den Bauchraum, im schlimmsten Fall kann das zu einer Bauchfellentzündung führen.
Bei Kindern ist die Blinddarm-OP der häufigste Eingriff im Bauchraum
Jedes Jahr werden 28 000 Heranwachsende wegen einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert. Bei den Zwei- bis 15-Jährigen ist die Operation zur Entfernung des Wurmfortsatzes der häufigste Eingriff im Bauchraum. Oft wird er heute in „Schlüsselloch“-Technik, also minimal-invasiv, durchgeführt.
Doch rühren die Bauchschmerzen des kleinen Patienten überhaupt von einem entzündeten Blinddarm her? Bei Kindern hilft der Ultraschall am besten bei der Fahndung. „In neun von zehn Fällen kann der Blinddarm mit dem Ultraschall dargestellt werden. Wir können feststellen, ob er entzündet ist oder nicht“, sagt Michael Melter, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum in Regensburg.
Wichtig ist, dass die Ärzte gut mit dem Ultraschall umgehen können
Voraussetzung dafür sei, dass Kinderärzte gut mit dem Ultraschall umgehen können. Was passiert, wenn der Untersucher nicht ausreichend qualifiziert ist, zeige sich in den USA, berichtet Melter: „Bis zu 40 Prozent der Blinddarm-Operationen, die dort gemacht werden, sind nicht notwendig. Bei einem Drittel erfolgt der Eingriff erst, wenn es schon einen Durchbruch gab.“ In Deutschland wirkt die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) dem mit einem Stufenkonzept für die Qualifikation der Ärzte entgegen.
Bei erwachsenen Patienten bietet der Ultraschall selbst in der Hand erfahrener Untersucher weniger Sicherheit: Nur in rund 70 Prozent der Fälle kann die Frage nach Entzündungen im Wurmfortsatz mit dieser Technik eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden. Neben dem Abtasten typischer Druckpunkte und der Labordiagnostik auf Entzündungswerte im Blut ist deshalb oft das Computertomogramm (CT) wichtig. Das geht zwar nicht ohne Strahlenbelastung, dafür ist das CT oft eine solide Grundlage, um die Entzündung zunächst mit Antibiotika zu bekämpfen, statt gleich zu operieren.
Kinder haben weniger Fett im Bauchraum
Bei Kindern ist das anders: Eine akute Blinddarmentzündung sollte bei ihnen eigentlich immer operiert werden. Nach dem heutigen Wissensstand könne man andere Behandlungen nicht empfehlen, schrieb der Kinderchirurg Philipp Szavay vom Kantonsspital in Luzern in der Monatsschrift für Kinderheilkunde. Bei der Entscheidung punktet der Ultraschall, die Sonografie. Die Technik sei für Kinder ideal geeignet, sagt Melter. Ihr Körper enthält mehr Wasser, sie sind meist schlanker als Erwachsene, haben weniger Fett im Bauchraum.
Die Organe und Strukturen, von denen das Bauchweh kommen könnte, sind deshalb gut sichtbar: Nicht nur der „Blinddarm“ und andere Abschnitte des Darms, sondern auch Teile der Lunge, Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse, Mageneingang, Nieren, Harnblase, Lymphknoten und innere Geschlechtsorgane. „Wenn Kinder Bauchschmerzen haben, ist der Ultraschall das, was für den Herzspezialisten das Stethoskop ist“, sagt Melter. Auch in der Herzmedizin hat der Ultraschall allerdings längst Einzug gehalten. Wie das Abhörgerät sorgt er für direkten körperlichen Kontakt mit dem Kranken, die Ärzte können mit dem Kind und seinen Eltern sprechen, die Untersuchung verursacht keine Schmerzen und keine Strahlenbelastung.
Ultraschall auch während der Behandlung einsetzen
Ärzte in der Kindernotaufnahme können so auch eine andere Komplikation am Darm sicher erkennen: die Darmeinstülpung, die ab und zu bei kleineren Kindern vorkommt. Meist schlüpft dabei ein Teil des unteren Dünndarms in den Dickdarm, im schlimmsten Fall kann ein Darmverschluss die Folge sein. Der Notfallmediziner Antonio Riera von der Universität Yale hat in den „Annals of Emergency Medicine“ gezeigt, dass selbst Ultraschall-Novizen nach einem kurzen Training die Diagnose sicher stellen.
Die Darmeinstülpung ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Ultraschall-Technik sich inzwischen auch während der Behandlung nützlich macht: Mittels eines Einlaufs kann man den Darm nämlich wieder „entstülpen“ – und währenddessen die Prozedur mit dem Ultraschall kontrollieren.
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