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Mitarbeiter eine Gesundheitsamtes (Symbolbild).
© dpa/Britta Pedersen

Sieben-Tage-Inzidenzen nicht mehr vergleichbar: Überlastung der Gesundheitsämter verzerrt Corona-Zahlen

Die Sieben-Tage-Inzidenzen sind Grundlage für aktuelle Corona-Maßnahmen. Doch überlastete Gesundheitsämter melden die Fallzahlen teilweise nicht rechtzeitig.

Durch hohe Corona-Fallzahlen überlastete Gesundheitsämter haben derzeit vielerorts Schwierigkeiten, ihren Meldeverpflichtungen gegenüber dem Robert Koch-Institut (RKI) nachzukommen und Neuinfektionen rechtzeitig zu melden. Das führt zu verzerrten Sieben-Tage-Inzidenzen, berichtet das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) in einem Diskussionsbeitrag vom Donnerstag. Die regionale Vergleichbarkeit sei dadurch nicht mehr gegeben.

Das Zi schlägt vor, die letzten Tage vor dem jüngsten bekannten Meldedatum aus der Berechnung auszuschließen und andere Indikatoren zur Bewertung der aktuellen Infektionslage hinzuzuziehen.

Verzerrungen bei der Abbildung der Neuinfektionen der vergangenen sieben Tage sind hochproblematisch, weil sich mehrere aktuelle Verordnungen und damit Einschränkungen auf diesen Wert beziehen, etwa die Regel, dass sich Bürger bei einer Inzidenz von über 200 nicht mehr als 15 Kilometer von ihrer Landkreisgrenze entfernen dürfen.

Deshalb fordert das Zi, den Meldeweg der Daten zügig zu verbessern. In der Vergangenheit hattes es immer wieder Übertragungspannen gegeben, was auch mit veralteter Software im Öffentlichen Gesundheitsdienst und teils manuellen Meldewegen zu tun hatte. Sollten diese Schwierigkeiten nicht in absehbarer Zeit behebbar sein, müsse man die Tage vor der Meldung ausschließen, um lückenhafte Meldetage nicht die Berechnung verzerren zu lassen.

„Bei systematischen Meldeverzügen wie beim derzeitigen Berechnungsverfahren laufen wir sonst weiterhin Gefahr, dass einzelne Kreise dauerhaft mit zu niedrigen Werten in der Statistik des Infektionsgeschehens erscheinen“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Dass eine Meldequote von über 95 Prozent jedoch auch bei sehr hohen Inzidenzen möglich sei, zeige das Beispiel Thüringen. Hier schafften es die Kreise trotz sehr hoher Fallzahlen, zeitnah ein vollständiges Bild der Pandemie zu vermitteln. Dies sei trotz zum Teil deutlich geringerer Fallzahlen nicht überall so, erklärte von Stillfried.

Problematisch sei außerdem, dass Zahl und Quote der positiven Fälle stark von den Teststrategien der jeweiligen Länder und Kommunen abhänge; eine Vergleichbarkeit untereinander sei daher nicht gegeben. Außerdem sei die Inzidenz damit als einziger Indikator problematisch, weil unter Umständen je nach Teststrategie eine signifikante Anzahl positiver Fälle unentdeckt bliebe.

Von Stillfried schlägt vor, Indikatoren wie die Inzidenz in den Risikogruppen oder die Auslastung von Intensivstationen in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Zwei Drittel der Gesundheitsämter nutzen SORMAS noch nicht

Auch bei der Einführung Software SORMAS gibt es Probleme. Hinter der Abkürzung verbirgt sich das „Surveillance Outbreak Response Management & Analytics System“. Es soll die Gesundheitsämter vor allem bei der Kontaktpersonennachverfolgung, dem Symptomtracking und bei dem Austausch der Daten untereinander unterstützen. Im November waren laut Bundeskanzleramt nur 71 Gesundheitsämter mit SORMAS ausgestattet.

Zum 31. Dezember 2020 war in 111 der 375 Gesundheitsämter in Deutschland die Software SORMAS des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig eingerichtet und betriebsbereit. Das geht aus einer Antwort von BMG-Staatssekretär Thomas Gebhart (CDU) auf eine schriftliche Frage der Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink hervor.

Zudem wollte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Gesundheitspolitik von der Bundesregierung wissen, wie viele der Gesundheitsämter in Deutschland zum Jahresende DEMIS, das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz vom Robert Koch-Institut, nutzten. Hierzu heißt es im Antwortschreiben Gebharts: „Zum 31. Dezember 2020 konnten alle Gesundheitsämter (375) über DEMIS SARS-CoV-2 Meldungen empfangen.

Seit 1. Januar 2021 besteht für Labore die Verpflichtung zur Übertragung der SARS-CoV-2 Meldungen über DEMIS.“

Klein-Schmeink fordert, dass jetzt schnellstmöglich alle Gesundheitsämter an SORMAS angeschlossen werden. „Auch wenn das einen Kraftakt bedeutet. Bei den aktuellen Infektionszahlen können wir uns Steinzeitmethoden wie die händische Erfassung oder das Abtippen von Excel-Tabellen zur Kontaktnachverfolgung nicht mehr leisten“, so die Gesundheitspolitikerin. Es sei ihr schleierhaft, „wie fast ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie über zwei Drittel der Ämter noch immer nicht über die entsprechende Software verfügen“. (gg/ nag)

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