Nobelpreisträger kommt als Gastforscher nach Berlin: Südhof kehrt nach Deutschland zurück - besuchsweise
Der Nobelpreisträger Thomas Südhof ist der erste Gastwissenschaftler am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). Ab Herbst baut er eine Arbeitsgruppe mit dem Neurowissenschaftler Christian Rosenmund auf.
Die ersten Gespräche begannen im Oktober 2013, kurz nachdem bekannt wurde, dass Thomas Südhof den Medizinnobelpreis bekommt. Nun ist es offiziell: Der deutsch-amerikanische Hirnforscher wird der erste Gastwissenschaftler am Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIG). Gemeinsam mit Christian Rosenmund vom Exzellenzcluster „NeuroCure“ an der Charité wird er ab Herbst 2014 eine Arbeitsgruppe mit bis zu fünf Mitarbeitern aufbauen. Als „Einstein BIH Visting Fellow“ bekommt Südhof jedes Jahr 150 000 Euro für Reise-, Sach- und Personalkosten. Bezahlt wird das aus den Mitteln der von der Charité-Stiftung verwalteten „Privaten Exzellenzinitiative Johanna Quandt“. Sein Labor in Stanford muss Südhof nicht aufgeben. Nach drei Jahren kann die Zusammenarbeit verlängert werden.
„Wir wollen angesehene Wissenschaftler dauerhaft an uns binden und von der Zusammenarbeit mit Laboren in aller Welt profitieren“, sagte Jürgen Zöllner, Vorstand der Stiftung Charité, am Donnerstag vor Journalisten. Ein solcher Austausch sei besonders für Nachwuchsforscher wichtig. Die Mitarbeiter würden zwischen den Laboren pendeln und könnten von den Besten lernen. „Es ist keine Einbahnstraße. Außerdem ist ein unabhängiger Geist wie Südhof ein Vorbild.“
Das BIG liefere den Gegenbeweis zum EFI-Gutachten, das am Mittwoch veröffentlicht wurde, sagte Zöllner. Er widersprach der Darstellung, dass Deutschland hochqualifizierte Wissenschaftler nicht halten könne und nur diejenigen zurückkommen, die es im Ausland nicht schaffen. Ernst Rietschel, Vorstand des BIG, setzt auf die Signalwirkung der Personalie Südhof: „Wir hoffen, irgendwann von Anfragen überflutet zu werden.“
Das Forscherduo kennt sich seit 17 Jahren
Der Kontakt zu dem Nobelpreisträger kam über Rosenmund zustande. Beide erforschen, wie Nervenzellen an den Synapsen Informationen übertragen; sie kennen sich seit 17 Jahren. In Göttingen und Texas ist die Zusammenarbeit gewachsen. Dann wechselte Südhof 2008 von Dallas nach Stanford, ein Jahr später tauschte Rosenmund seine Professur am Baylor College in Houston mit einer am Exzellenzcluster Neurocure in Berlin. Das Konstrukt des „Visiting Fellows“ erlaubt es ihnen nun, die Kooperation weiter zu vertiefen. „Berlin bietet ein gutes Umfeld für Spitzenforscher“, sagte Rosenmund. Südhof bestätigte das in einer E-Mail: „Ich bin von der wachsenden Forschungslandschaft Berlins beeindruckt. Ich mache mit, weil mich die Projekte und die Wissenschaftler interessieren.“
Ende Januar konnte Südhof sich persönlich davon überzeugen. Bei seinem Berlin-Besuch hielt er nicht nur einen Vortrag an der Freien Universität, die eine Partnerschaft mit Stanford hat. Drei Tage lang traf er sich mit Kollegen an der Charité, am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin und am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie, mit Austauschstudenten aus Stanford und Doktoranden. Das Programm hatte unter anderem Rosenmund zusammengestellt. Trotzdem sei es nicht einfach gewesen, Südhof herzulocken, sagt er. Das Labor in Stanford sei groß und angesehen, seine Frau sei ebenfalls Neurowissenschaftlerin. Die beiden haben zwei kleine Kinder.
„Man kann keine Arbeitsgruppe aufbauen und leiten, ohne jemals vor Ort zu sein“, sagte Zöller. „Aber wir werden nicht bürokratisch die Tage zählen, an denen er in Berlin ist.“ Rosenmund hat ebenfalls keine Bedenken: „Südhof ist Intensivtäter, er ist immer mit 150 Prozent Energie dabei.“ Weil dem Nobelpreisträger die Trennung von universitärer und außeruniversitärer Forschung suspekt ist, werden auch die Berliner Universitäten nicht außen vor sein – erst recht nicht die Freie Universität. Er wird Workshops und Kurzseminare geben, zu denen alle kommen können, kündigte Rosenmund an. Südhof sieht sich eher als Berater: „Ich bin kein Gastprofessor oder ähnliches, sondern werde Leute bei bestimmten Projekten beraten“, schreibt er.
Aus Hautzellen werden Nervenzellen
An einer Technik ist das BIG besonders interessiert: Südhofs Labor ist es gelungen, Hautzellen zu Nervenstammzellen umzuprogrammieren. So ist es zum Beispiel möglich, einem Autisten einige Hautzellen zu entnehmen, daraus Nervenstammzellen zu machen und schließlich zu untersuchen, was in den Nervenzellen dieses Patienten schiefläuft. „Hinter den Symptomen, die wir unter der Bezeichnung Autismus zusammenfassen, stehen vermutlich hunderte genetische Störungen“, sagte Rosenmund. „Wir wollen die Mechanismen besser verstehen.“
Das ist zunächst Grundlagenforschung. Doch ohne sie geht es nicht. Wie wichtig ein solides Fundament ist, betonte Südhof in seinem Vortrag an der Freien Universität. „Es ist nicht so, dass Grundlagenwissenschaftler ihre Forschung nicht gern in der Klinik sehen wollen. Wir brennen darauf“, sagte er. „Aber vor allem in der Neurowissenschaft ist zurzeit nicht viel da, das man anwenden kann.“ Wer trotzdem zu schnell auf klinische Studien poche, laufe Gefahr, viel Geld zum Fenster hinauszuwerfen.
„Translation ist in den USA schon länger ein Schlagwort. Südhof ist nicht immer damit einverstanden, welche Blüten das treiben kann“, sagte Rosenmund. Fortschritt könne man nicht einfach mit Geld und Politik forcieren. „Die Ideen müssen aus der Wissenschaft kommen.“
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