Kritik an Bildungsministerium: Studierenden-Nothilfe in Berlin nur zur Hälfte ausgezahlt
Die Überbrückungsgelder für Studierende sind in Berlin nur etwa zur Hälfte ausgezahlt. Wegen der Vergabemodalitäten gibt es erneut Kritik am Bund.
Die Mittel aus der Überbrückungshilfe für Studierende sind in Berlin bisher nur zu etwas mehr als der Hälfte ausgeschöpft worden. So wurden von den rund 6,1 Millionen Euro, die der Bund für Berlin zur Verfügung gestellt hat, bislang rund 3,5 Millionen Euro ausgezahlt. Mehr als 2,6 Millionen Euro sind noch ungenutzt. Die Senatskanzlei Wissenschaft fordert nun eine Verlängerung des Programms und eine Überprüfung der Förderrichtlinien.
Mit dem Zuschuss hat der Bund im Rahmen der Überbrückungshilfen die Möglichkeit geschaffen, Studierende in akuter Not zu unterstützen. Einen Anspruch auf Gelder aus dem bundesweit 100 Millionen Euro schweren Hilfspaket hat nur, wer sich nachweislich in einer pandemiebedingten Notlage befindet. Die Hilfe richtet sich gleichermaßen an in- und ausländische Studierende, die an Hochschulen in Deutschland immatrikuliert sind. Je nach Bedürftigkeit können zwischen 100 und 500 Euro als nicht rückzahlbarer Zuschuss gewährt werden.
Der Berliner Nothilfe-Topf ist mit 6,1 Millionen Euro gefüllt
Wie der Senat auf eine bisher unveröffentlichte Anfrage von Tobias Schulze (Die Linke) antwortete, wurden Ende August nur 2,8 Millionen Euro aus dem Berliner Topf genutzt, der mit 6,1 Millionen Euro gefüllt war. Am 10. September waren es immerhin 3,5 Millionen Euro, wie das Berliner Studierendenwerk auf Tagesspiegel-Anfrage bekanntgab.
„Die Überbrückungshilfe funktioniert weiterhin nur sehr eingeschränkt. Wenn während einer Notlage ein sowieso schon zu knapp bemessener Betrag von 6,1 Millionen Euro für Berlin nur zu gut der Hälfte ausgeschöpft wird, dann stimmen die Rahmenbedingungen der Nothilfe einfach überhaupt nicht", sagt Tobias Schulze. Der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion kritisiert dabei insbesondere die Kriterien der Hilfe.
In Augen des Ministeriums reichen die Mittel aus
„Dass aktuell noch Mittel zur Verfügung stehen, ist nicht das Ergebnis der für die Prüfung gesetzten Kriterien. Es zeigt vielmehr, dass die vom BMBF zur Verfügung gestellten Mittel aktuell ausreichen, um all diejenigen Studierenden zu unterstützen, die dies benötigen", heißt es dazu aus dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMBF).
Wie das Ministerium erklärt, seien die Kriterien klar festgelegt. „Wie in den Richtlinien ausgeführt, ist die Zusage des Zuschusses von der Höhe des Kontostandes und davon abhängig, dass eine pandemiebedingte Notlage vorliegt.“
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Der Kontostand ist das einschlägige Kriterium, nach dem die Höhe des Zuschusses ermittelt wird. Dabei ist der Wert des Vortages der Antragstellung entscheidend. Die Ermittlung läuft nach einem Stufensystem: Wer zum Zeitpunkt des Antrags weniger als 100 Euro auf dem Konto hat, erhält 500 Euro. Wer zwischen 100 Euro und 199,99 Euro hat, erhält 400 Euro. Und wer schließlich zwischen 400 und 499,99 Euro auf dem Konto hat, erhält 100 Euro.
Wie das Studierendenwerk erklärt, orientiert sich die 500-Euro-Bemessungsgrenze am Regelsatz des SGB II, der zu einem runden Betrag hochgerechnet wurde. Seit September werden bei Studierenden mit Kind Zahlungseingänge, die sich auf Leistungen für die Kinder beziehen, abgezogen.
Mehr als 28.000 Anträge auf Studierenden-Nothilfe in Berlin
Um den Antrag zu stellen, müssen neben der Immatrikulationsbescheinigung und einem Identitätsnachweis mehrere Erklärungen abgegeben werden. Die Studierenden müssen belegen, dass sie keine weitere Unterstützung erhalten haben, ihre akute Notlage nachweisen und zudem erklären, dass mit einem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums zu rechnen ist. Außerdem müssen die Kontoauszüge aller Konten seit Februar oder März 2020 ungeschwärzt hochgeladen werden.
Wie Zahlen des Studierendenwerks zeigen, wurden in Berlin bisher 28.316 Anträge gezählt. Davon wurden 15.650 als vollständig anerkannt und zur Prüfung weitergereicht. Von diesen wurden 8.105 bewilligt. Wie aus der Anfrage von Tobias Schulze hervorgeht, wurden dabei durchschnittlich 436 Euro ausgezahlt. „Der Aufwand der Beantragung wird von Studierenden als unverhältnismäßig hoch angesehen. Folglich beantragen nur diejenigen die Nothilfe, die wirklich gar kein Geld auf dem Konto haben“, sagt Schulze. Die Bundesregierung müsse den Grenzbetrag nun dringend erhöhen. Schon im Juli waren tausende Anträge aus Berlin abgelehnt worden.
Wie es mit dem Zuschuss weitergehen soll, ist noch nicht bekannt. „Die Überbrückungshilfe über die Studierendenwerke ist zur Unterstützung von Studierenden in pandemiebedingten akuten Notlagen angelegt und somit nicht auf Dauer konzipiert“, erklärt das Bundesbildungsministerium. Man verfolge die aktuellen Entwicklungen sehr genau.
Kritik aus der Senatskanzlei für Wissenschaft
Aus der Berliner Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung kommt hingegen Kritik: „Das Bundesministerium wählte einen langsamen und komplizierten Weg, sein Überbrückungsprogramm kam zu spät und soll nun zu früh enden“, erklärt Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD). Dies sei insofern unangebracht, als die Pandemie keineswegs vorüber sei und viele Studierende noch immer unter den Auswirkungen zu leiden hätten.
Krach fordert eine Verlängerung des Programms und eine Überprüfung seiner Förderrichtlinien. „Denn was nützt ein Programm, das viele Studierende in Not nicht erreicht? Natürlich reagiert auch der Berliner Senat auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und hat weitere eigene Hilfen für Studierende in Not im Umfang von fünf Millionen Euro auf den Weg gebracht.“
Man lasse die Berliner Studierenden nicht im Regen stehen. Auch das Studierendenwerk Berlin verfüge über zahlreiche Hilfsprogramme für Studierende in Not. So habe man über den Notfonds seit Beginn der Krise 1024 Studierenden mit Zuschüssen in Höhe von 512.000 Euro helfen können. Vom Technikfonds profitierten bislang 727 Studierende. Beide Programme sollen durch das Land Berlin weiter aufgestockt werden.