Streik der studentischen Mitarbeiter: Studierende besetzen Audimax der TU Berlin
Im Warnstreik der studentischen Beschäftigten haben Studierende das Audimax der TU Berlin "unbegrenzt" besetzt. Die Uni fordert sie auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
- Amory Burchard
- Muhamad Abdi
"Mitbestimmung statt Ausbeutung", "Lernfabriken meutern" oder "Revolution first, studies second - Streik jetzt": An den Wänden und an der Galerie im Audimax der TU Berlin hängen Transparente. Auf dem Podium vor den Sitzreihen des großen Hörsaals sitzen Studierende auf einem alten Sofa. Am Rand liegen noch die Schlafsäcke, in denen sie hier übernachtet haben.
Am Mittwochabend wurde das Audimax der Technischen Universität für besetzt erklärt. Vorangegangen war eine Demonstration für einen neuen studentischen Tarifvertrag, um den seit über einem Jahr zwischen den Berliner Hochschulen und den Gewerkschaften gerungen wird. Ab dem 4. Juni hatten studentische Beschäftigte und die GEW zum wiederholten Male zu einem Warnstreik aufgerufen.
Von Seiten der Universitätsleitung wird die Besetzung offenbar geduldet. Die Aktivisten berichten, TU-Präsident Christian Thomsen sei am frühen Morgen vorbeigekommen. Seine Botschaft habe gelautet: "Wenn wir sagen, was wir beschließen, wird er sagen, was sie beschließen." Die TU-Leitung teilte am Donnerstagmittag auf Anfrage mit, man appelliere an die Streikenden, "wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren". Schließlich liege seit Ende Mai ein Angebot vor, "das Lohnsteigerungen vorsieht".
"Wie Arbeiter zweiter Klasse bezahlt"
Die Protestierenden fordern eine Anhebung des Stundenlohns von 10,98 Euro, den Hilfskräfte in Berlin seit 2001 erhalten. Nach 17 Jahren, in denen der Tarif nicht angehoben wurde und sieben Jahre, nachdem die Unis das zuvor gezahlte Weihnachtsgeld gestrichen haben, müsse die Vergütung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden, erklärt eine Gruppe von Studierenden am Donnerstagmorgen vor dem Audimax. "Studis als Tutorinnen oder in der IT werden wie Arbeiter zweiter Klasse bezahlt", sagt ein Sprecher des Bündnisses "Wir streiken alle!". So sei auch keine gute Lehre möglich.
Doch auf die Forderung nach14 Euro pro Stunde und einer Koppelung der studentischen Tarife an den Tarifvertrag der Länder (TVL) lassen sich die Berliner Hochschulleitungen bislang nicht ein. Das aktuelle Angebot der Arbeitgeberseite sieht vor, die Vergütung in diesem Jahr auf 12,13 Euro pro Stunde zu erhöhen. Schrittweise könne sie bis Januar 2023 auf 13,04 Euro steigen.
Abgelehnt wird aber die Koppelung an den TVL. Ein solches Versprechen, das erst in fünf Jahren greifen würde, könne man heute noch nicht abgeben, sagt TU-Präsident Thomsen. Denkbar sei jedoch eine „Anlehnung an den TVL“.
Studierende leiden "in solidarischer Haftung", kritisiert der Präsident
Vor 14 Tagen waren die berlinweiten Tarifverhandlungen ohne Ergebnis unterbrochen worden. Es folgte der "Warnstreik", der am Mittwoch um zunächst eine Woche verlängert wurde.
Dass die Besetzung nun gerade die TU trifft, sei unerfreulich, sagt Thomsen. Er hatte im vergangenen Jahr einseitig die Konditionen verbessert, an der TU erhalten die Hilfskräfte bereits 12,50 Euro pro Stunde. Der Warnstreik wirkt sich unterdessen negativ für die Studierenden aus. „Die Studis merken das auch, sie bekommen in diesem Semester keinen Schein“, sagt eine TU-Hilfskraft, die Übungen in einem Experimentallabor anbietet, aber seit Monaten streikt. Praktika fallen aus und die Zentralbibliothek schließt schon um 18.30 statt um 22 Uhr. „Die Streikenden nehmen ihre Kommilitonen in eine Art solidarischer Haftung, obwohl sie bei uns besser gestellt sind. Das ist unfair“, kritisiert Thomsen.
Vermittelndes Gespräch beim Staatssekretär
Längst nicht alle, die das Audimax besetzt haben, sind auch studentische Hilfskräfte. Es ist die Rede von einer "breiten Solidarisierung", bei der es inzwischen um viel mehr als den Tarifvertrag gehe. "Nicht nur die studentischen Hilfskräfte sind von prekären Lebensbedingungen betroffen", erklären die Besetzer. Für ein gutes Studium reiche auch das Bafög nicht.
Schon für ein WG-Zimmer sei die staatliche Ausbildungsförderung zu gering. Gebraucht werde ein "bedarfsdeckendes, eltern-, semester- und altersunabhängiges Bafög". Zu den weiteren Forderungen zählt die Viertelparität in den Hochschulgremien, unter anderem wollen die Studierenden über die Berufung von Professorinnen und Professoren mitbestimmen. "Es kann nicht sein, dass die patriarchalischen Hierarchien der Profesor*innen in allen Belangen das letzte Wort haben und wir als Studierende noch nicht einmal entscheiden können, wer diese Macht innehat", heißt es in einer Presseerklärung.
Beschlossen wird auch ein Putzplan für das Audimax
Bei einer „Vollversammlung“ am Nachmittag beschlossen etwa 50 Aktivisten eine „zeitlich unbegrenzte Besetzung“ des Audimax – bis ihre Forderungen erfüllt seien. Vereinbart wurde auch ein Putzplan für den Hörsaal. Alles solle ordentlich abgehen, sagte eine Sprecherin. „Wir sind in friedlicher Absicht hier, wollen nichts zerstören. Im Gegenteil – wir wollen die Uni reparieren.“ In den Hörsaalreihen saßen etliche Studierende an ihren Laptops. „Wir wollen unsere Solidarität zeigen. Statt zu Hause lernen wir jetzt hier“, sagen sie.
Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach äußerte am Donnerstag grundsätzlich Verständnis für den Arbeitskampf: „Es ist klar, dass nach 17 Jahren eine deutliche Erhöhung der Vergütung erfolgen muss und auch die Forderung nach einer regelmäßigen Anpassung ist völlig verständlich.“ Für Freitag hat Krach die Tarifparteien zu einem Gespräch eingeladen.