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Ein Juniorprofessor und eine Studentin stehen vor der Universität Hildesheim und sprechen miteinander.
© picture alliance / dpa

Hochschulzugang für Asylbewerber: Studenten gründen Online-Uni für Flüchtlinge

Unbürokratisch an die Uni? Zwei Berliner Studenten gründen derzeit eine Online-Universität für Flüchtlinge, um ihnen den Einstieg ins deutsche Hochschulsystem zu erleichtern.

Markus Kreßler hat viel zu tun. Sein Handy klingelt pausenlos. Doch wenn er von seinem Projekt erzählt, das ihn derzeit auf Trab hält, bekommt der junge Mann leuchtende Augen. Gemeinsam mit Studienfreund Vincent Zimmer und knapp 50 Mitstreitern baut der Psychologiestudent eine Online-Universität für Flüchtlinge auf - auch für solche ohne Papiere. Am Sonntag startet die Anmeldephase für das erste Semester bei „Kiron“. So heißt die Uni, angelehnt an den Kentaur „Chiron“ aus der griechischen Mythologie, der als weise und gerecht galt.

Schockiert über die Hürden auf dem Weg zur Uni

„Wir haben überlegt, welche Hürden es für Flüchtlinge an den Unis gibt und diese in Frage gestellt“, berichtet Kreßler von den Anfängen. Während Zimmer von einer Universität träumte, bei der man über Online-Kurse vor dem Studienbeginn in verschiedene Studienfächer schnuppern kann, arbeitete Kreßler ehrenamtlich in einer psychologischen Flüchtlingsberatungsstelle in Berlin. „Da habe ich die Probleme der Menschen live erfahren“, sagt er. So half er den Flüchtlingen, Dokumente auszufüllen. „Es hat mich schockiert, dass es den Leuten mit den Papieren so schwer gemacht wird“, kritisiert der 25-Jährige. Vor rund einem Jahr hatten die beiden Kreativen dann die Idee: eine neue unbürokratische Universität, speziell für Flüchtlinge.

Online-Kurse an deutschen und internationalen Hochschulen

„Kiron“ soll zuerst in einer Art virtuellem Grundstudium das Wissen zu den Flüchtlingen bringen. Nach der Belegung von Online-Kursen von deutschen und internationalen Universitäten können die Studenten im dritten Jahr auch offline weiterlernen, in Form einer Fern-Uni oder ganz klassisch auf dem Campus. Der Deal: Die Studierenden starten ihr Studium als Asylbewerber, aber ab dem dritten Jahr an den Partnerunis muss der Aufenthaltsstatus eindeutig sein.

Um weiterzumachen, müssen die Zugangsvoraussetzungen - wie etwa Deutschtests - nachgeholt und entsprechende Zeugnisse beschafft worden sein. Unter diesen Voraussetzungen werden die bei „Kiron“ erbrachten Leistungsnachweise dann im Nachhinein anerkannt. „Hauptsache erstmal anfangen“, findet Kreßler. „Anderthalb Jahre reichen schon aus, um depressiv zu werden, wenn du nichts machen kannst. Und in dieser Zeit ist auch ein halbes Studium fertig.“

Harvard-Professoren planen Studiengänge

Der Student staunt immer noch über die Unterstützung für die „Kiron“-Universität - unter anderem von einer Gruppe ehemaliger Harvard-Professoren. „Sie planen gerade unsere Studiengänge“, so der Student. Besonders kleine Hochschulen seien schon an Bord. Zu den 15 Partneruniversitäten gehören etwa die Leuphana Universität Lüneburg, die Hochschule Heilbronn, die University of Westafrica und die University of the People in den USA. Ein besonderes Experiment wagt die Macromedia Hochschule in Berlin. „Unsere Studenten können dort komplett mitmachen, zu jeder Zeit herkommen, die Veranstaltungen, Bibliotheken und Computerräume nutzen“, so Kreßler. Auch die Berliner Staatsbibliothek beteiligt sich.

Finanzierung per Crowdfunding

Bisher kann das Team der Flüchtlings-Universität Datenbanken kostenlos nutzen. Doch Kreßler weiß, dass das nur eine Übergangslösung ist. Um das Projekt dauerhaft finanzieren zu können, hat die Gruppe deshalb am vergangenen Sonntag eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. „Wir brauchen für einen Studenten für die drei Jahre etwa 1.200 Euro und würden gern mit einer Gruppe von 1.000 Flüchtlingen anfangen. Grundsätzlich ist aber jeder Flüchtling willkommen“, so Kreßler. Auch kirchliche Hilfswerke wie die Caritas haben nach Angaben des Gründers ihre Unterstützung zugesagt.
Für die Zukunft wünscht sich Kreßler vor allem eins: eine politische Debatte auf Augenhöhe mit den Zuwanderern und vereinfachte Zugangsvoraussetzungen für Flüchtlinge zu regulären Universitäten in Berlin. Maike Müller (KNA)

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