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Eine Mathematikerin schreibt in einem Hörsaal Formeln an die Tafel.
© imago/Agentur 54 Grad

Was Hochschulen von Studienanfängern erwarten: So viel Mathe müsst ihr können!

Studierende in MINT-Fächern haben es geahnt: Die Anforderungen an ihre Mathe-Kenntnisse sind hoch. Das belegt jetzt auch eine Umfrage unter Dozenten.

Den Mathematik-Stoff, der in der Schule bis zur 12. beziehungsweise 13. Klasse unterrichtet wird, brauchen Studienanfänger fast eins zu eins auch an der Uni – zumindest in den MINT-Fächern. Das ist das nüchterne Ergebnis einer Studie des Kieler Leibniz-Institutes für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN). „Was Hochschulen von Studienanfängern erwarten“ – so der Titel – ist nicht wenig und geht weit über mathematische Grundkenntnisse hinaus.

Alles wichtig von „algebraischen Regeln“ bis zur „Zahlengerade als Repräsentationsform von Zahlen“: Von 144 „Leistungsvoraussetzungen“, gleichzusetzen mit mathematischen Inhalten, schätzen die befragten Mathematik-Dozenten nur vier als nicht notwendig für ein Studium in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik (MINT) ein.

Hohe Anforderungen: Viele scheitern an der Mathe-Hürde

Klar ist dabei aber, dass ein großer Teil der Studienanfänger diese Kenntnisse nicht mitbringt. An der „Mathe-Hürde“ scheitern viele. Die Frustration wegen der mangelnden Kenntnisse auch aufseiten der Lehrenden zeigte im März ein Brandbrief von Hochschulmathematikern.

Bei der Befragung durch das IPN (mit Unterstützung der Deutsche Telekom Stiftung) handelt es sich um eine dreistufige „Delphi-Studie“: In der ersten Runde wurden 36 Expertinnen und Experten aufgefordert, die für ein MINT-Studium erforderlichen mathematischen Kenntnisse zu benennen. In zwei weiteren Runden wurden diese Inhalte von 952 beziehungsweise 664 Teilnehmenden bewertet und teilweise präzisiert. Mitgewirkt haben Lehrende an 182 Unis und FHs bundesweit.

Zu den 144 notwendigen Leistungsvoraussetzungen, die von den Dozentinnen und Dozenten eingeordnet wurden, gehören etwa die Prozentrechnung, Proportionalität und Dreisatz, lineare und quadratische Gleichungen und Funktionen, der Umgang mit Bruchtermen sowie elementare Operationen mit Vektoren. Dies alles auf einem höheren Niveau, da waren sich die Befragten durchweg einig. Unter den wenigen „nicht notwendigen“ Inhalten sind Potenzen von Matrizen und Grenzmatrizen sowie abstrakte algebraische Strukturen wie Gruppe und Vektorraum.

Erwartet wird auch eine "angemessene Frustrationstoleranz"

Allerdings betonen die Autoren der Studie, für die meisten verlangten Inhalte aus der Sekundarstufe II reiche „ein intuitives Verständnis aus, etwa von Stetigkeit als durchgezogenem Graphen“. Darauf lässt sich in den Mathe-Vorlesungen an der Hochschule aufbauen. Hinzu kommen freiwillige Brückenkurse, in denen die Grundlagen wiederholt werden, allerdings meist im Schnelldurchlauf, wie Studierende beklagen. Entsprechend den hohen Anforderungen an die Studienanfänger erwarten die Lehrenden denn auch persönliche Eigenschaften wie Neugier, eine "angemessene Frustrationstoleranz" – und Mut zum Nachfragen.

Als Adressaten der Studie sehen die Kieler MINT-Pädagogen weniger die Studierenden selbst als vielmehr die Schulen. Sie könnten sich an den genannten mathematischen Lernvoraussetzungen orientieren und daraus spezielle Fördermaßnahmen für Schüler entwickeln, die sich für ein MINT-Studium interessieren. Hochschulen könnten aus der Studie einen Kanon für die Mathematik-Grundlagen entwickeln und die Anforderungen auch in die Selbsteinschätzungstests einbauen, die Abiturienten vor Studienbeginn empfohlen werden. Respekteinflößend sind sie allemal.

Was Professoren an den Einstellungen und Kenntnissen von Studienanfängern kritisieren, lesen Sie hier.

Amory Burchard

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