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Der Waldrapp gehört zu den Ibissen. In Europa galt er lange Zeit als ausgestorben.
© Waldrappteam

Zurück in die Natur: So kommen bedrohte Tierarten aus dem Zoo wieder in die Wildnis

Ob Wisent, Waldrapp oder Wildkatze: sie alle fielen dem Menschen zum Opfer. Nun soll er ihnen dabei helfen, sich erneut in Wald und Wiesen anzusiedeln.

Mit seinem grau-rot-verwaschenen Kopf, den zotteligen Federn am Hinterhaupt und dem langen gebogenen Schnabel passt der Waldrapp nicht ganz in das vertraute Bild heimischer Vögel. Dabei bevölkerte dieses gänsegroße Tier, das zur Familie der Ibisse gehört, vor 400 Jahren noch weite Teile Europas.

Der Waldrapp lebte einst in einem Gebiet, das sich vom heutigen Spanien über Frankreich, Deutschland, die Schweiz, Österreich, Italien und den Balkan bis in den Nahen Osten und Nordafrika erstreckte.

In Mitteleuropa wurden die Waldrappe bereits im 17. Jahrhundert von Jägern ausgerottet, in Deutschland starb der letzte schon 1627. Nun soll er seine Schwingen wieder über Europas Luftraum ausbreiten.

Kleine Flugzeuge weisen den Vögeln den Weg

Überlebt haben Waldrappe in der Natur vor allem in Marokko. Die Weltnaturschutzunion IUCN führt sie auf ihren roten Listen als "stark gefährdet". In Mitteleuropa leben noch Exemplare in Zoologischen Gärten. Auf diesen Vögeln liegt nun die Hoffnung, das Aussterben der Tiere gleichsam rückgängig zu machen. Nachzuchten sollen ausgewildert und die Waldrappe so wieder in Europa ansiedelt werden.

Der Wiener Tiergarten Schönbrunn züchtet den Vogel seit langer Zeit erfolgreich. Waldrappe sind aber von Natur aus Zugvögel. Die Jungvögel bekommen in ihrem ersten Herbst von den Eltern den Weg in den Süden gezeigt. Möchte man die Tiere auswildern, muss ihnen erst jemand vorgeben, wo ihre Artgenossen in freier Wildbahn in der kalten Jahreszeit hinflogen. "Fehlen die Alten, müssen eben Artenschützer mit Leichtflugzeugen ihren Schützlingen im Herbst den Weg über die Alpen zeigen", sagt Volker Homes, Geschäftsführer des Verbands der Zoologischen Gärten. Kommt die erste ausgewilderte Generation zurück, kann sie dann dem Nachwuchs das richtige Verhalten beibringen. Das ist schon mehrfach gelungen.

Wenn Zugvögel wie die Waldrappe über Generationen im Zoo gelebt haben, brauchen sie jemanden, der ihnen in der Natur den Weg zeigt.
Wenn Zugvögel wie die Waldrappe über Generationen im Zoo gelebt haben, brauchen sie jemanden, der ihnen in der Natur den Weg zeigt.
© Waldrappteam

2019 werden in den drei Stationen Kuchl im Salzburger Land, Burghausen in Oberbayern und Heiligenberg in Baden-Württemberg insgesamt 76 Waldrappe auf ihr Leben in der Natur vorbereitet. Und 2020 soll das Projekt möglichst für weitere acht Jahre verlängert werden.

Zurück in der Natur warten neue Probleme

Dass so ein Vorhaben funktionieren kann, haben Versuche mit anderen Tierarten gezeigt. "Etliche Arten, die in der Natur bereits ausgestorben waren, wurden in Zoos gezüchtet und später erfolgreich wieder ausgewildert", sagt Homes. Eines der wohl bekanntesten Beispiele ist der Wisent.

In Ostpreußen starb der letzte dieser europäischen Büffel bereits 1755. Im Wald von Bialowieza an der heutigen Grenze zwischen Polen und Weißrussland rotteten marodierende Soldaten die Rinder unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkriegs aus. Der letzte in der Natur lebende Wisent wurde schließlich 1927 im Kaukasus geschossen.

Vor allem der Berliner Zoo engagierte sich mit großem Erfolg für die Rettung dieser Art. Aus ganzen zwölf in Zoos und Gehegen gehaltenen Tieren wurde im Laufe der Jahre wieder ein ansehnlicher Bestand gezüchtet: Bereits 1952 wilderte man die ersten Wisente im Wald von Bialowieza wieder aus. 2017 lebten dann allein in der Natur Polens 1.635 Exemplare.

Und seit am 11. April 2013 im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen eine kleine Herde in einem Wirtschaftswald freigelassen wurde, gibt es auch in deutschen Wäldern wieder Wisente.

Weltweit leben heute rund 4.500 der europäischen Büffel in der Natur, insgesamt gibt es 6.500 Exemplare. "Hinter dieser Erfolgsgeschichte steckt allerdings harte Arbeit", sagt Homes. So nähmen spätestens in der Natur die Probleme zu: Finden die Tiere auf eigene Faust genug zu fressen? Kommen sie auch bei einer dicken Schneedecke im Winter an genug Nahrhaftes? Wissen die sie noch, wie sie neugeborene Kälber gegen Wölfe verteidigen? Bekommen die Wisente vielleicht Schwierigkeiten mit ihren Gefährten in der Herde?

Pferd, Steinbock, Otter: lange Liste erfolgreicher Projekte

"Einige Probleme lassen sich vermeiden, wenn die Tiere schon in menschlicher Obhut eine Herde bilden, die später auch zusammen in die Wildnis entlassen wird", sagt Homes. Als die Naturschutzorganisation WWF Ende Mai 2019 acht Wisente aus Belgien und Frankreich gemeinsam mit vier Artgenossen aus dem Tierpark Berlin im Kaukasus aussetzte, kamen die europäischen Büffel dort erst einmal in ein geräumiges Gehege von der Größe von 400 Fußballfeldern.

Dort, im Shahdag-Nationalpark im Nordosten von Aserbaidschan, gewöhnten sie sich einige Monate lang an das Leben in der Natur und bei ihrer neuen Herde. Sollten sie später Schwierigkeiten bei der Nahrungssuche bekommen, können die Parkranger Ihnen auch Futter geben. So können Verluste bei den ausgewilderten Tieren verringert werden – völlig vermeiden lassen sie sich aber nicht.

Auch andere Tierarten konnten mit Hilfe von Zoos wieder in freier Wildbahn heimisch werden. Darunter das Przewalski-Pferd, der Steinbock, der Fischotter, die Wildkatze, Bart- und Gänsegeier. Aber auch der Europäische Feldhamster und die Europäische Sumpfschildkröte und die Gelbbauchunke sind Beispiele.

„In naher Zukunft können weitere solche Aufgaben auf die Zoos zukommen“, vermutet Homes. Dabei müsse sich die Auswahl der Tiere nicht nur auf früher heimische Arten wie den Wisent oder den Waldrapp beschränken. Homes denkt etwa an bedrohte Delfinarten. Für sie könnten Delfinarien in Zoos wie in Nürnberg, Duisburg und Teneriffa die letzte Chance sein, dem Arten-Tod doch noch zu entgehen.

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