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Nobelpreis für Medizin 2021: Sinne für Wärme und Druck: US-Molekularbiologen erhalten wichtigste wissenschaftliche Auszeichnung

Für ihre Entdeckungen von Rezeptoren für Temperatur und Berührung werden dieses Jahr David Julius und Ardem Patapoutian in Stockholm geehrt werden.

Die US-Wissenschaftler David Julius und Ardem Patapoutian werden den diesjährigen Nobelpreis in der Kategorie „Physiologie oder Medizin“ erhalten. Das gab die Nobelversammlung des Karolinska-Instituts in Stockholm bekannt.

Die Preisträger werden für ihre grundlegenden Beiträge zum Verständnis des Zusammenspiels zwischen der Umwelt und den menschlichen Sinnen geehrt.

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David Julius hat für seine Forschungen den Stoff Capsaicin verwendet, der Chilischoten ihre Schärfe verleiht. Er konnte Rezeptoren von Nervenzellen in der Haut finden, die auf Hitze reagieren. Sie leiten die Information ans Gehirn weiter.

Ardem Patapoutian hat eine neue Klasse von Rezeptoren druckempfindlicher Zellen entdeckt, die zur Wahrnehmung mechanischer Reize auf der Haut und in inneren Organen dienen.

Den Entdeckungen der Sensoren für Temperatur und Berührung folgten viele weitere Forschungsaktivitäten, die das Verständnis der Wahrnehmungen von Wärme und Kälte und von mechanischen Reizen erweiterten.

Versuche mit einem Chilischoten-Extrakt

Der 1955 in New York geborene David Julius untersuchte in den 1990er Jahren, wie die brennende Empfindung zustande kommt, die Capsaicin auf der Haut verursacht. Mit seinem Team an der University of California in San Francisco übertrug er Fragmente des Erbgutmoleküls DNA von hitzeempfindsamen Nervenzellen auf Zellen in Kultur.

Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler:innen ein Gen finden, das den Bauplan für einen Ionenkanal enthält, der später TRPV1 benannt wurde. Dieses Protein wird durch Capsaicin, aber auch durch Wärme über 43 Grad Celsius aktiviert und macht die Zellmembran, in der es eingebettet ist, durchlässig für Ionen. Dieser Vorgang führt zur Wahrnehmung der schmerzhaften Hitze im Gehirn.

In weiteren Versuchen nutzten Julius und auch Patapoutian die Substanz Menthol und entdeckten den Rezeptor TRPM8, der bei Kälte aktiviert wird.

Zellen unter sanftem Druck

Ardem Patapoutian, 1967 in Beirut, Libanon, geboren, und als Jugendlicher in die USA ausgewandert, nutzte für seine jetzt mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forschungen am Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien Zellen, die einen elektrischen Impuls abgeben, wenn sie mit einer Mikropipette angestoßen wurden. Sein Team ging von der Annahme aus, das hier ebenfalls ein Ionenkanal beteiligt ist und identifizierte 72 Kandidaten-Gene im Erbgut der druckempfindsamen Zellen.

Als die Wissenschaftlerinnen eines davon deaktivierten, reagierten die Zellen nicht mehr auf die Stimulierung. Das Gen enthielt die Bauanleitung für einen Ionenkanal, der daraufhin „Piezo1“ benannt wurde. Patapoutians Team fand ein weiteres Gen mit einer sehr ähnlichen Bauanleitung, deren Produkt „Piezo2“ benannt wurde. Beide Proteine reagieren direkt auf Druck, der auf die Zellmembran ausgeübt wird und öffnen sich für den Durchfluss von Ionen.

Weitere Untersuchungen zeigten, dass die Gene für die beiden Ionenkanäle in druckempfindsamen Nervenzellen sehr aktiv sind. Vor allem Piezo2 ist für den Berührungssinn von Bedeutung, außerdem für die Wahrnehmung der eigenen Körperposition und von Bewegung im Raum.

Ehrungen für die Erforschung eines Virus

Im vergangenen Jahr waren die US-Amerikaner Harvey J. Alter und Charles M. Rice sowie der Brite Michael Houghton für die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Die renommierte Auszeichnung ist in diesem Jahr pro Kategorie mit zehn Millionen Kronen dotiert, eine Million mehr als noch vor zwei Jahren. Das entspricht umgerechnet 980.000 Euro.

Die Bekanntgabe des Medizin-Nobelpreisträgers stellt traditionell den Startschuss der Verkündungswoche dar. Am Dienstag und Mittwoch folgen zwei weitere wissenschaftliche Preise - in den Kategorien Physik und Chemie. Am Donnerstag ist der Literaturnobelpreis dran, am Freitag der Friedensnobelpreis, der als einzige der Auszeichnungen in Oslo verliehen wird.

Zum Abschluss werden am kommenden Montag die Preisträgerinnen und Preisträger in Wirtschaftswissenschaften bekanntgegeben. Dabei handelt es sich um den einzigen der Nobelpreise, der nicht auf das Testament von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht.

Vergeben werden die Preise allesamt am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896). Dabei erhalten die Ausgewählten auch ihre prestigeträchtigen Nobelmedaillen und Diplome. (Tsp, pei, dpa)

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