zum Hauptinhalt
Selfie einer Oryxantilope
© Snapshot Serengeti, dpa

Tierbeobachtung in der Serengeti: Selfies mit der Wärmebildkamera

In dem ostafrikanischen Nationalpark sind hunderttausende Tiere in Fotofallen getappt. Die "Selfies" mit der Wärmebildkamera gewähren Forschern und Bürgerwissenschaftlern Einblicke in das Leben in der Wildnis.

Nah, näher, klick. Die Nase eines neugierigen Geparden in Großaufnahme, die langen Wimpern einer Antilope im Gegenlicht, das faltige Hinterteil eines Nilpferds – die Fotodatenbank „Snapshot Serengeti“ bietet ungewöhnliche Einblicke in den Alltag wildlebender Tiere im ostafrikanischen Tansania. Da stakst ein Zebrafohlen auf die Kamera zu, ein Vogel beschnäbelt den seltsamen Kasten, auf dem Rücken eines Löwen läuft Blut aus einer frischen Wunde und eine Hyäne zerrt Beute vorbei. Auch stimmungsvolle Aufnahmen von Elefantenherden im Abendlicht sind zu bewundern.

Wissenschaftler um Alexandra Swanson von der Universität Oxford haben 2010 in einem 1125 Quadratkilometer großen Gebiet des Serengeti-Nationalparks 225 Kamerafallen aufgestellt – eine alle fünf Quadratkilometer, jeweils 50 Zentimeter über dem Boden. Sobald sich in den folgenden drei Jahren ein größeres Tier näherte, registrierte ein Infrarotsensor seine Körperwärme und die Kamera machte innerhalb einer Sekunde ein bis drei Fotografien. Tag und Nacht. Insgesamt 1,2 Millionen Sets entstanden so, schreiben die Forscher nun im Fachjournal „Scientific Data“.

28 000 Bürgerwissenschaftler halfen bei der Auswertung

Die Tiere der Serengeti zu beobachten, hat eine lange Tradition. Jedes Jahr wandern rund zwei Millionen Zebras, Gnus und andere Antilopen von dort aus in das Masai-Mara-Gebiet in Kenia. Der Naturschützer Bernhard Grzimek hielt die Massenwanderung bereits 1959 in seiner Dokumentation „Serengeti darf nicht sterben“ fest. In den vergangenen 20 Jahren haben jedoch Kamerafallen die Verhaltensforschung revolutioniert, schreiben Swanson und ihre Kollegen. Anfangs wurden mit den Bildern vor allem seltene Tiere in Schutzgebieten nachgewiesen oder Bestände geschätzt. Nun geht es zum Beispiel darum, wie Raubtiere in einem Gebiet koexistieren, ohne sich gegenseitig zu töten, wie sich Pflanzenfresser aus dem Weg gehen und wie das Verhältnis zwischen Jägern und Gejagten ist. Die Fotofallen geben Forschern die Chance, die zeitliche und räumliche Verteilung der Tiere systematisch zu dokumentieren. Es gibt dabei nur ein Problem: Die schiere Menge der Bilder erschlägt jeden Forscher. Und Maschinen sind längst nicht gut genug, um die Aufnahmen automatisch auszuwerten.

Löwe vor der Fotofalle
Was willst Du? Auch Löwen schauen nach, was das seltsame Gerät in ihrem Revier soll.
© Serengeti Snapshot, dpa

Um freiwillige Helfer anzulocken, schafften Swanson und ihre Kollegen daher in Zusammenarbeit mit Zooniverse eine Citizen-Science-Plattform. Durch die Webseite wurden 28 000 Bürgerwissenschaftler in die Klassifikation der Aufnahmen einbezogen. Die Freiwilligen identifizierten die abgebildete Art, zählten die Tiere und charakterisierten ihr Verhalten. Sie schauten, ob Jungtiere dabei waren. Damit etwaige Fehler nicht ins Gewicht fielen, begutachteten immer mehrere Laien die Sets. Denn manchmal kommt ein Tier so nahe, dass nur ein kleiner Teil zu sehen ist und die Art selbst für Experten kaum noch bestimmbar ist. Mithilfe eines speziellen Algorithmus filterten die Wissenschaftler anschließend den „Konsens“ heraus.

Pavian
Ist da was drin? Ein Pavian inspiziert den Kasten mit der Fotofalle genauer.
© Serengeti Snapshot, dpa

Das Ergebnis ist eine umfassende Datenbank. Auf über 322 000 Bildern, die Tiere zeigen, zählten die Helfer 40 verschiedene Säugetierarten, auch ungewöhnliche wie Erdwolf, Honigdachs und Zorilla (ein marderähnliches Raubtier). Die übrigen Aufnahmen seien Fehlschüsse gewesen, ausgelöst etwa durch hohe Temperaturen oder Pflanzen in der Umgebung, berichten die Forscher. Mit den Daten könne man nun die dynamische Entwicklung eines intakten Ökosystems in vielen Facetten nachvollziehen. (mit dpa)

Jana Schlütter

Zur Startseite