Mit-Erfinder des Google „Driverless Car“: „Selbstfahrende Autos sind zuverlässiger als der Mensch“
Robotik-Spezialist Sebastian Thrun sagt, warum er das Google-Auto für sicherer als den Tesla hält, Parkplatzsuche bald Vergangeneheit ist - und er mit dem fliegenden Auto rechnet.
Herr Thrun, im Silicon Valley träumte man schon immer von fliegenden Autos. Nun aber ist das fahrerlose Auto Trumpf. Wieso braucht man es?
Drei Gründe. Der erste ist Sicherheit. Es sterben jedes Jahr über eine Million Personen durch Verkehrsunfälle. Für junge Leute ist es die Todesursache Nr. 1. Verlören wir eine Million Menschen durch Flugzeugabstürze oder im Krieg, würden wir ganz anders reagieren.
Und der zweite?
Zeit. Der durchschnittliche Amerikaner verbringt täglich 52 Minuten im Auto auf dem Wege von und zur Arbeit. Diese Zeit sollten wir für bessere Tätigkeiten freisetzen: SMS und E-Mails versenden, schlafen, lesen. Das ist produktiver.
Drittens?
Kostensparen. Die radikalste Idee des selbstfahrenden Autos ist der Transport-Service. Man besitzt kein Auto mehr. Es kommt zu dir, wenn du es brauchst und verschwindet hernach wieder, wie ein Taxi. Nur ist der Fahrer das Teuerste beim Taxi. Das ist aber noch nicht alles. Heute ist die Stadt voll mit parkenden Autos. Was aber andauernd fährt, braucht keinen Parkplatz. Und die Leute verschwenden keine Zeit mit der Parkplatzsuche.
Diese Zukunft beginnt wann?
Ich glaube die ersten Selbstfahrer werden in drei bis fünf Jahren auftauchen. Schon heute sehen wir Autopiloten in Mercedes, BMW oder Tesla, deren selbstfahrende Eigenschaften aber nur für Autobahnen gut sind, nicht in den Stadtgebieten. Die werden in den nächsten drei bis fünf Jahren ähnlich zuverlässig sein wie menschliche Autofahrer.
Auch im Gewirr der Londoner Straßen?
Eher auf Autobahnen und Landstraßen, über 80 Prozent des Pendlerverkehrs findet auf solchen Straßen statt. Diese Autopiloten erhöhen die Sicherheit, lösen aber nicht das Parkplatzproblem, denn die Fahrer müssen immer noch das Auto irgendwo abstellen.
Das fahrerlose Auto wird eine dröge Dienstleistung sein. Doch in vielen Fällen ist das Auto noch ein Objekt der Begierde, ein Quell des Stolzes. Wie trennt man die Leute von ihrem Liebling?
Das persönliche Auto ist jedermanns eigene Entscheidung. Aber es gibt ja schon viele, die in New York oder Berlin kein Auto besitzen. Wenn man jeden Tag auf der gleichen Strecke im Stau steht, macht das Fahren nicht mehr viel Spaß.
Dann kann man doch den Bus nehmen.
Das Problem des Busses ist die letzte Meile. Man muss zum Bus laufen, man weiß oft nicht, wann er kommt und dann muss man von der Haltestelle zum Arbeitsplatz gehen.
Aber die Seitenstraßen schafft Ihr Auto doch nicht.
Moment, das selbstfahrende Auto als Transport-Service fährt tatsächlich bis vor die Tür – und weiter zum nächsten Kunden.
Also ein Über-Uber?
Deshalb ist Uber ja auch in den Markt eingestiegen. Die Firma hat in Pittsburgh von der Carnegie-Mellon Universität viele Robotiker angeheuert und macht seine ersten öffentlichen Experimente auf dortigen Straßen. Uber hat ausgerechnet, dass ein selbstfahrendes Auto günstiger ist als ein Auto mit Fahrer, selbst ein Uber-Fahrzeug.
Die Verbraucher verstört die Geschichte des tödlich verunglückten Tesla-Fahrers.
Wenn ich meinen Tesla fahre, habe ich meine Augen immer auf der Straße. Ich liebe den Autopiloten und benutze ihn regelmäßig. Tesla sagt klar und deutlich, dass es kein selbstfahrendes Auto ist und dass der Fahrer die ganze Zeit aufpassen muss. Der verunglückte Fahrer hat das nicht getan. Ich bin auch Pilot, und mein Flugzeug hat einen Autopiloten. Auch hier muss ich aufmerksam bleiben und den Luftverkehr im Auge behalten. Ansonsten benutzt Tesla eine andere Technologie als Google. Als ich noch bei Google war, hat das selbstfahrende Auto 500.000 Kilometer gefahren (mittlerweile sind es 1,2 Millionen km, d. Red.), ohne dass jemals ein Unglück passierte.
Sie erlebten im Tesla auf Ihrer Fahrt von Palo Alto nach Lake Tahoe ein Dutzend „haarsträubender Momente“.
Einer dieser Momente auf meiner Testfahrt mit einem Reporter der „New York Times“ war, dass das Auto einfach eine Kurve nicht gesehen hat. Statt zu verlangsamen, fuhr es mit zu hoher Geschwindigkeit in die Kurve. Das sind halt die Kinderkrankheiten des frühen selbstfahrenden Autos. Das Google Auto hat viel teurere Sensoren, führt auch Straßenkarten mit sich. Da passiert so etwas nicht.
Als Sie noch bei Google waren, mussten Sie welche Probleme im Verkehr lösen?
Ein Problem waren Rehe auf der Straße. Dann eine Plastiktüte, die über die Autobahn geweht wurde und aussah wie ein Hindernis. Wir haben immer versucht, die ungewöhnlichen Einzelfälle zu finden, die in ihrer Gesamtheit gelöst werden müssen. Die haben wir dann dem Auto „beigebracht“. Jahrelang. Die Google Autos sind wirklich sehr sicher. Auf den Autobahnen waren die Autos schon zuverlässiger als menschliche Fahrer.
Besser?
Ja. Ein solches Fahrzeug kann besser die Spur halten. Es bremst besser als ein Mensch. Wir sind an einen Punkt gekommen, wo die Künstliche-Intelligenz-Software den Menschen überflügelt hat.
Das Programm ist doch immer nur so gut wie es programmiert ist, oder?
Ich würde das umdrehen. Wenn man sich menschliches Fahren anschaut, lernt nur der Einzelne und sonst niemand. Das selbstfahrende Auto jedoch lernt aus seinem Fehler – und das wissen dann auch alle anderen Autos, auch jene, die noch nicht „geboren“ sind. Lernende Fahrzeuge können ihr gesamtes Wissen der nächsten Generation mitteilen. So gesehen ist es nur eine Frage der Zeit, bis das selbstfahrende- oder Roboter-Auto kompetenter ist als der menschliche Fahrer.
Was wird aus der deutschen Luxusautoindustrie? Müssen Audi und Daimler in die selbstfahrende Technik investieren?
Ich glaube, die haben gar keine Wahl. Schauen Sie auf die Statistiken. In den USA stehen Autos 97 Prozent der Zeit auf dem Parkplatz, in Deutschland wohl ähnlich. Mit anderen Worten: Fast alle Autos sind fast immer geparkt. Auch die Mercedes S-Klasse wird wenig benutzt. Wenn das Auto als Service und nicht als Besitz angeboten wird, steigt der Benutzungsfaktor. Autos können 25 oder 30 Prozent der Zeit aktiv sein, auch 40 und 50 Prozent sind denkbar. Das bedeutet, dass wir mit einem Viertel oder einem Drittel weniger Autos auskommen würden.
Werden da auch die Mütter mitmachen, die ihre Kinder täglich hin- und herfahren?
Mütter verbringen damit täglich bis zu zwei Stunden, doch mit dem selbstfahrenden Auto wird das alles verschwinden.
Können Sie sich vorstellen, dass Mütter ihre Kinder einer fahrerlosen Maschine anvertrauen?
Nicht unbedingt alle, aber ich glaube, viele werden es tun, weil sie so zwei Stunden zurückbekommen.
Und es wird ihnen nicht zu unsicher sein?
Schon heute geben wir unser Leben in die Hand einer Maschine, nämlich des Autopiloten im Flugzeug. Wenn das Wetter schlecht ist, muss der Pilot diese Technik verwenden und er muss auch damit landen. Das sollte uns freuen, denn die Überlebensrate ist mit einem Autopiloten deutlich höher als mit einem manuell geflogenen Flugzeug.
Zurück zu den Kosten. Man erspart sich mit dem Service-Auto das Herumstehen und Rosten von Blech. Aber die Software der selbstfahrenden Autos ist doch teuer.
Nein, die Option fürs Selbstfahren im Tesla kostet nur 500 Dollar mehr. Die Batterie ist der größte Kosten-Batzen. Das selbstfahrende Auto wird sehr viel billiger werden als ein Uber oder ein Taxi. Die Software wird günstiger werden. Das teuerste sind die Sensoren, die andere Autos wahrnehmen können. Sensoren kann man nicht duplizieren, Software schon.
Wird der Durchschnittsbürger sich das selbstfahrende Auto leisten können?
Das Ziel des Transport-Service ist die Kostensenkung für den Autofahrer. Dadurch dass der Verbraucher das Auto nicht mehr finanzieren muss, liegen seine Kosten unter denen des Autobesitzes. Es ist eine Win-Win-Situation: Einerseits die Bequemlichkeit des Gefahrenwerdens, anderseits die Ersparnis. Ein Auto kostet einen Haufen Geld.
Ist das selbstfahrende Auto nicht besonders geeignet für Lkw? Am Stadtrand legt sich der Fahrer schlafen während sein Auto durch die Nacht fährt und setzt sich nach zehn Stunden am Rand der Zielstadt wieder ans Steuer. Keine Übermüdung, keine Unfälle mehr.
Die Firma ot.to arbeitet bereits daran, die Fahrer zu entlasten. Sie haben ein hartes Leben. Der Tag, an dem die Lkws sich selber fahren können, wird ein guter Tag für die Menschheit sein. Technisch gesehen ist das Problem der Lkws sehr viel einfacher, vor allem wenn man ihn auf Autobahnen beschränkt. Ich denke, in drei Jahren werden wir auf den Autobahnen selbstfahrende Trucks sehen.
Und womit werde ich Sie in drei Jahren sehen? Immer noch im Tesla mit Autopilot oder doch schon selbstfahrend?
Vielleicht dann im fliegenden Auto …
Zur Person: Sebastian Thrun (49) ist Professor für Robotik und Künstliche Intelligenz an der Universität Stanford und Mit-Erfinder des „Driverless Car“ aus dem Google X Labor. Thrun ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Als er seinen Doktor in Bonn gemacht hatte, bekam er einen Ruf an die Carnegie Mellon University in Pittsburgh und landete acht Jahre später, 2004, in Stanford. Vor fünf Jahren gründete Thrun die Online-Universität Udacity.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität