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Teilen ist in. Vor allem in den Städten nutzen immer mehr Menschen Carsharing, Fahrdienste und Mitfahrgelegenheiten.
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Das Geschäft mit der geteilten Mobilität: Mitfahren wird massentauglich

Drei Millionen Deutsche nutzen Mitfahrzentralen. Das zieht Investoren an und verführt den Marktführer zu einer riskanten Strategie.

Carlo Alberto Cavallo ist auf einer langen Reise unterwegs. Der italienische Psychologe will es in 80 Tagen von Lissabon nach Wladiwostok schaffen – rund 16 000 Kilometer als Mitfahrer in den Autos fremder Menschen. Der Anfang Mai begonnene Trip führt ihn durch neun Länder und 24 Städte, 100 Mitreisende will er unterwegs treffen. In der kommenden Woche macht Cavallo Station in Berlin – Europas Hauptstadt des Mitfahrgeschäfts.

Der Italiener ist Protagonist einer Werbetour des Unternehmens Blablacar, mit 25 Millionen Mitgliedern weltweit die Nummer eins der Mitfahrbranche. Cavallo hält nicht den Daumen in den Wind, sondern er nutzt die Blablacar-App, die Fahrer und Mitfahrer per Smartphone zusammenbringt. Trampen war gestern. „Blablacar steht für das moderne Ridesharing“, sagt eine Sprecherin.

Das französische Unternehmen will mit der Aktion zeigen, wie international man seit der Gründung im Jahr 2006 geworden ist. Das Geschäftsgebiet erstreckt sich inzwischen auf 22 Länder. Finanziert mit mehr als 300 Millionen Dollar sieht sich Blablacar als „eines der kapitalkräftigsten Start-ups Europas“.

Großkonzerne wittern Milliardengeschäft

Das Geschäft rund ums Mitfahren hat sich aus der Nische auf den Massenmarkt bewegt. Das zieht das große Geld an, wie das Interesse von Technologiekonzernen wie Google und Apple zeigt, oder das Engagement der Autokonzerne beim Carsharing und der Erfolg des US-Fahrdienstes Uber. Apple und Google haben den Mitfahr- Markt entdeckt. Der iPhone-Hersteller Apple steigt mit einer Milliarde Dollar beim chinesischen Fahrdienst Didi Chuxing ein, ein Rivale von Uber. Das Unternehmen wird mit 20 Milliarden Dollar bewertet und wickelt täglich über seine Plattform mehr als elf Millionen Fahrten ab. Der Suchmaschinenbetreiber Google will in San Francisco eine neue Anwendung auf Basis seines Verkehrsdienstes Waze testen – und damit Blablacar oder Uber Konkurrenz machen. Seit 2015 testet Waze in Israel die Mitfahr-App „Ride With“, die Fahrer und Mitfahrer auf dem Weg zur Arbeit und zurück verbindet. Spekuliert wird, dass auch BMW bald mit einem eigenen Fahrdienst antritt, um Uber Konkurrenz zu machen. Die Expansion der Amerikaner wurde zwar hierzulande zunächst vom deutschen Gesetzgeber gebremst. Doch Experten sind sich sicher: Uber kommt zurück. Denn besonders der deutsche Markt ist für Mobilitätsanbieter und Mitfahrunternehmen so attraktiv wie kaum ein anderer.

Das Prinzip entstand bereits vor 25 Jahren

Geteilte Mobilität hat im Autoland Deutschland Tradition. „Die Entwicklung begann schon sehr früh, Anfang der 80er Jahre, in einer Nische, als Gegenbewegung zum automobilen Individualverkehr“, sagt Flemming Giesel, Verkehrsforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Seitdem Autokonzerne und Geldgeber eingestiegen sind, bekommen neue Angebote eine größere Präsenz – vor allem in den Städten.“ Außerdem sei das Marketing professioneller und kostspieliger geworden. Und: Smartphones und das Internet machen die Nutzung komfortabel: „So lassen sich Fahrten spontan und live planen und durchführen“, sagt Giesel.

Mussten Tramper früher am Straßenrand stundenlang auf einen „Lift“ hoffen oder als Low-Budget-Reisende die Aushänge einer Mitfahrzentrale studieren, geht heute alles elektronisch, mobil und sekundenschnell. „In Deutschland muss man niemandem erklären, was Mitfahren bedeutet“, sagt die Blablacar-Sprecherin. „Anders als zum Beispiel in Brasilien, wo wir im Dezember gestartet sind. Dort ist es eine neue, aufregende Form der Mobilität.“ Etwa drei Millionen Menschen sind Schätzungen zufolge in Deutschland regelmäßig Kunden von Mitfahrzentralen. Eine Umfrage der Verbraucherzentralen kam zu dem Ergebnis, dass fast drei Viertel der Deutschen sich vorstellen können, Mitfahrgelegenheiten zu nutzen.

Kunden sind sehr preissensibel

Doch das Geschäft ist für die Anbieter kein Selbstläufer, denn die Zielgruppe ist äußerst preisbewusst. Als das Portal Mitfahrgelegenheit.de, das inzwischen von Blablacar übernommen wurde, 2013 eine Vermittlungsgebühr einführte, liefen die Nutzer in Scharen zur Konkurrenz über. Ähnliches riskiert nun Blablacar. Denn Deutschland-Geschäftsführer Olivier Bremer hat für das laufende Jahr ebenfalls die Einführung einer Gebühr für Mitfahrer angekündigt. Bislang teilen diese sich nur die Fahrtkosten mit dem jeweiligen Fahrer. An einer zusätzlichen Vermittlungsgebühr, die Blablacar einstreicht, dürften vor allem die Venture- Capital-Investoren Interesse haben, die an den Franzosen beteiligt sind und eine Rendite auf ihr eingesetztes Kapital erwarten. „Es gibt noch keinen Termin“, sagt die Blablacar-Sprecherin. „Wir führen derzeit schrittweise die Onlinezahlung ein und sammeln das Feedback unserer Nutzer ein.“ Es bleibe aber dabei: 2016 kommt die streckenabhängige Gebühr.

In der Community, die aufs Geld schaut, reichte schon die Ankündigung, um Blablacar den Rücken zu kehren. Darüber freut sich Sven Domroes, Gründer von Fahrgemeinschaft.de. Die Nummer zwei auf dem deutschen Markt kooperiert eng mit dem ADAC-Mitfahrclub. Beide greifen auf das gleiche System zu, das auch Bahn-Reisende zusammenführt. „Unsere Nutzerzahlen haben sich seit Januar ungefähr verdoppelt“, sagt Domroes. 1,5 Millionen Fahrangebote werden auf Fahrgemeinschaft.de pro Jahr vermittelt, rund 190 000 Fahrer sind registriert, vier bis fünf Mal so groß sei die Zahl der Mitfahrer, sagt der Geschäftsführer, der im Hauptberuf Ingenieur bei Daimler ist.

Domroes, der Mitfahrgelegenheit.de 1998 gegründet hatte und ausstieg, als die Mitgesellschafter den Dienst kostenpflichtig machten, sieht eine „Schlacht um Marktanteile“ heraufziehen. „Der Markt für Privatfahrer ist groß und interessant für Investoren.“ Eine „Monetarisierung“ des Geschäfts, wie sie Blablacar plane, hält Domroes aber für die falsche Strategie. „Man kann Geld verdienen, ohne die Nutzer zu belasten.“ Die Tramper-Tradition der kleinen Budgets und der Gratis-Kultur will gepflegt werden, wenn man seine Kunden nicht verlieren will.

„Es tut sich sehr viel in diesem Mobilitätsbereich. Dabei sind inzwischen auch in der Nische profitable Geschäftsmodelle möglich“, sagt auch Verkehrsforscher Giesel. Gerade die städtische Bevölkerung sei offen für neue Formen der Mobilität. Teilen sei hier häufig attraktiver als Besitzen. Giesel: „Der Nährboden ist da.“

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