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Gedenken an einen Jahrhundertwissenschaftler: Der Sandkünstler Sudarsan Patnaik erinnert an Stephen Hawking.
© Asit Kumar/AFP

Stephen Hawkings Vermächtnis: Seid neugierig!

Der Ausnahmephysiker Stephen Hawking hat es uns vor Augen geführt: Der Drang nach Erkenntnis macht das Menschsein aus, zu solidem Wissen gehört Neugier. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Sascha Karberg

Irgendwann, spätestens ein paar Jahre nach der Einschulung, passiert es: Neugierig zu sein wie ein Kind, das seine Eltern mit endlosen „Warum?“-Fragen traktiert, ist plötzlich nicht mehr cool. Mehr wissen zu wollen, nachzufragen, den Dingen auf den Grund zu gehen, das wollen nur die Streber, nur die Nerds.

Es scheint zum Erwachsenwerden dazuzugehören, das Fragen einzustellen und so zu tun, als wisse man eh schon alles und vor allem besser als alle anderen. Erwachsen ist eben, wer souverän ist, und weiß, wie's läuft. Wer fragt, gibt sich die Blöße. Und wer andere Antworten findet als die Masse, gilt als Querulant, bestenfalls noch als Besserwisser.

Stephen Hawking, der zu Schulzeiten als „Einstein“ gehänselt wurde, hingegen sagt: „Seid neugierig!“ Die letzte, blecherne Botschaft aus dem Sprachroboter des Astrophysikers, die von der Universität Cambridge nach seinem Tod am Mittwoch verbreitet wurde, appelliert damit an die menschlichste aller Eigenschaften, die Neugier. Selbst wenn das Leben manchmal schwierig erscheine, es gebe immer einen Weg, es zu verbessern.

Niemand anderes könnte diese Botschaft glaubwürdiger vermitteln als Hawking. Trotz des größtmöglichen Verlustes von Körperlichkeit blieb sein Geist stets neugierig und fähig zu Leistungen, die selbst den körperlich Fittesten verwehrt bleiben. Sicher liegt in diesem extremen Kontrast ein Großteil der Faszination für den Briten begründet, für seine globale Popularität.

Aber nicht, weil er Hypothesen über den Beginn des Universums aufstellte, die nur wenige Genies wirklich nachvollziehen können. Hawkings Körperlosigkeit führte den Menschen vor Augen, dass es der Drang nach Wissen, Erkenntnis und Verständnis ist, der das Menschsein ausmacht.

Und Hawking stellte sich der größten aller Fragen, nach dem Ursprung der Existenz, jeglicher Existenz im Universum. Es sei ein „Triumph“, dass der Mensch – „selbst bloß eine Ansammlung kleiner Partikel der Natur“ – in den vergangenen 50 Jahren so viel von den Gesetzen der Natur verstanden habe, sagte Hawking.

Das heißt nicht, dass er oder andere Forscher nie irren. Hawking wird im Privaten, wo ihn seine erste Frau als „Tyrann“ bezeichnete, genauso Fehler gemacht haben wie als Physiker. Nicht alle seine Hypothesen konnten Forscherkollegen bislang bestätigen. „Jede physikalische Theorie ist vorläufig“, sagte Hawking einmal.

Stephen Hawking ist im Alter von 76 Jahren verstorben.
Stephen Hawking ist im Alter von 76 Jahren verstorben.
© AFP

Doch selbst wenn Experimente alle seine Hypothesen widerlegen sollten, wäre auch das ein Schritt auf dem Weg zur Erkenntnis. Anders als Dogmatiker, die alles zu wissen glauben und Neugier verdammen, haben Wissenschaftler kein Problem damit, sich zu korrigieren, wenn neue Erkenntnisse dafür sprechen.

Was Hawking trotz aller Schwierigkeiten erreicht hat, zeigt, wie weit man mit Neugier und dem Instrumentarium der Wissenschaft kommen kann. Dieses Werkzeug leichtsinnig wegzuwerfen, weil die Wahrheit unbequem ist, wissenschaftliche Erkenntnisse zu ignorieren, zu diffamieren oder gar zu verteufeln, um kurzfristig Wählerstimmen zu gewinnen, ist nicht nur fahrlässig. Es ist zutiefst unmenschlich.

Denn wenn Unwissen, Ignoranz und Ideologie herrschen und Neugier unterdrückt wird, zerstört das die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Wie sonst soll eine Gesellschaft entscheiden und Zukunft gestalten, wenn nicht auf Basis von solidem Wissen? Zu diesem Wissen führt nur Neugier.

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