Spaziergang durch das Naturkundemuseum: Schrankwände voller Spinnen und DDR-Duft
Ein Rundgang im Berliner Museum für Naturkunde zeigt, wie marode sein Zustand heute ist. Mehr als eine halbe Milliarde Euro von Bund und Land sollen das ändern.
Das Berliner Museum für Naturkunde steht vor einem großen Sprung in die Zukunft: Bund und Berlin stellen wie berichtet ab 2020 für zehn Jahre insgesamt 660 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dieser Investitionssumme - eine Sensation für die Berliner Museums- und Wissenschaftslandschaft - kann das Naturkundemuseum in Berlin-Mitte seine lange überfällige Grundsanierung angehen. Details der Planungen sollen heute Mittag bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben werden.
Museumsdirektor Johannes Vogel will sein Haus zu einem der weltweit führenden Forschungsmuseen ausbauen - mit neu ausgestatteten, öffentlich zugänglichen Sammlungssälen, modernen Laboratorien und einem Zentrum für Bürgerwissenschaften. Heute sieht es in weiten Teilen des monumentalen Gebäudekomplexes an der Invalidenstraße trotz der Sanierungsschritte der vergangenen 15 Jahre noch ganz anders aus.
Dreißig und mehr Jahre in die Vergangenheit versetzt
Ein Besuch im Naturkundemuseum gleicht mitunter einer Zeitreise. Ein Schritt durch eine der schweren, kaiserzeitlichen Türen in einen der noch immer nicht renovierten Flügel des historischen Gemäuers und man fühlt sich dreißig und mehr Jahre in die Vergangenheit versetzt.
So wie damals, als zumindest Biologiestudenten aus dem Westteil der Stadt hinter die Kulissen und in die Archive des Museums blicken und die dort gehorteten Präparate bestaunen durften, so sieht es dort noch immer aus: Düstere Räume vollgestopft mit riesigen Schrankwänden, in denen unzählige Muscheln und Schnecken, Insekten und Spinnentieren, Schlangen und Vögeln in den Schubladen lagern. Staubige Studierzimmerchen, in denen Kuratoren in uralten Registerbüchern nachschlagen müssen, um wiederzufinden, was Kollegen Jahrzehnte vor ihnen verstaut haben.
Von moderner Klimatechnik weit entfernt
Sogar der typische DDR-Duft ist hier hängen geblieben, als wäre er genauso erhaltenswert wie das Typusexemplar einer seltenen Mottenart. Graumatte Wandfarbe, zugige Altbaufenster, allfällige Schäden im Putz – mitunter wirken die Reste des vor langer Zeit ausgestorbenen Dodos frischer als die Gemäuer, in denen die kostbaren Überbleibsel längst vergangener Naturvielfalt für kommende Generationen aufbewahrt werden sollen. Von einer Ausstattung, die modernen klimatechnischen und neuesten Forschungs- und labortechnischen Bedürfnissen genügt, ist man in diesen Museumsbereichen weit entfernt.
Auch einen Brand wie kürzlich im Nationalmuseum Brasiliens, wo unschätzbare Natursammlungen in einer Nacht verloren gingen, will man sich hier lieber nicht vorstellen. Was zu Kaisers Zeiten noch als nationaler Schatz gehütet wurde, weil das Wissen um Pflanzen- und Tierarten als entscheidende Ressource für Wachstum und Wohlstand eines Landes erkannt worden war, ist heute aus dem Bewusstsein verschwunden und wurde bislang vom Staat so sorgsam gepflegt wie eine ungeliebte Schwiegermutter.
Das Museum verdient außergewöhnliches Engagement
Dem Museum selbst ist das nicht anzulasten, mit Eintrittsgeldern und gelegentlichen Zuschüssen von Bund und Land können nicht Abermillionen von Präparaten so archiviert, konserviert und digitalisiert werden, dass sie für moderne Forschung wirklich umfänglich genutzt werden können. Dafür sind besondere Anstrengungen ebenso nötig wie außergewöhnliche Summen. Die stehen jetzt mit dem erwarteten Beschluss des Haushaltausschusses im Bundestag bereit.