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Vor dem Schulgipfel im Kanzleramt: Schließt Kitas und Schulen zuletzt!

Kommt die zweite Corona-Welle, müssen Bildungseinrichtungen so lange es geht offen bleiben. Ein Appell vor dem Treffen der Kanzlerin mit den Kultusministern.

Ich habe mich geirrt. Ende Juli schrieb ich: Die Kultusminister sollten verlässliche Schwellenwerte für den Schulbetrieb definieren. Überschreiten die Corona- Neuinfektionen in einer Region ein bestimmtes Niveau, müssen Schüler und Lehrer zum Beispiel Masken im Unterricht tragen.

Steigen die Zahlen weiter, gilt irgendwann wieder die Abstandsregel, die Gruppen werden verkleinert und ein Teil des Unterrichts wird wieder ins Digitale verlagert. Und wenn es noch schlimmer kommt, müssten die Schüler irgendwann wieder ganz zu Hause lernen.

Es ging mir dabei darum, dass Schüler, Eltern und Lehrer mehr Transparenz erhalten, dass anstelle willkürlich erscheinender Schulschließungen ein nachvollziehbares Verfahren tritt – das die Schulen so lange wie möglich offenhält.

Tatsächlich haben inzwischen mehrere Kultusminister, Bayern voran, ein solches System eingeführt, andere wollen folgen. Als harte Grenze hat sich eine sogenannte 7-Tages-Inzidenz von 50 Fällen auf 100 000 Einwohner herauskristallisiert.

Ein Schüler und eine Schülerin sitzen in einem Klassenraum an Einzeltischen und tragen Mund-Nasen-Schutz.
Mit Abstand und Maske - im April 2020 in einer Schule in Bayern.
© Sven Hoppe/dpa

Was das praktisch bedeutet, zeigt Bayerns Hauptstadt München, die seit zehn Tagen an der 50er-Grenze kratzte und zuletzt überschritt. Dort drohen Kitaschließungen und die teilweise Rückkehr zum Fernunterricht – während sich parallel 54 Gasthäuser weiter auf die „Wirtshaus-Wiesn“ vorbereiten – inklusive Livemusik und viel Bier.

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Auch Bayern München wollte trotz der Corona-Zahlen am Wochenende mit dem Segen der Stadtverwaltung vor 7500 Fans gegen Schalke auftreten – bis der Münchner OB die Genehmigung widerrief und, immerhin, betonte, es werde bei den Schließungen von Kitas und Schulen keinen Automatismus geben.

[Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.]

Doch auch so entsteht in München und anderswo der Eindruck, dass als würden die Corona-Grenzwerte vor allem für Kitas und Schulen gelten. Was nicht nur hochgradig unfair ist, sondern auch widersinnig und absurd.

Unfair, weil entgegen allen anderslautenden Beteuerungen von Spitzenpolitikern inklusive Merkel und Söder („offene Kitas und Schulen haben jetzt die höchste gesellschaftliche Priorität“) doch die Kinder wieder die größten Einschränkungen tragen müssen. Widersinnig deshalb, weil parallel zu den wieder steigenden Infektionszahlen insgesamt der Anteil der nachweislich infizierten Unter-15-Jährigen seit Wochen sinkt und sinkt – trotz offener Kitas und Schulen.

Der Rest der Gesellschaft macht so weiter wie bisher

Absurd aber wird die Sache, solange die Politik parallel einen zweiten generellen Shutdown ausschließt. Dann dann böte sich im Falle einer zweiten Welle – von deren Bevorstehen mehr und mehr Experten ausgehen – nämlich folgendes Szenario: In kürzester Zeit überschreitet die Mehrheit der Regionen die 50er-Grenze, womit faktisch doch wieder fast flächendeckende Kita- und (teilweise) Schulschließungen angesagt wären.

Währenddessen macht der Rest der Gesellschaft mehr oder weniger so weiter wie bisher. Und weil er dies tut, sinken auch die Fallzahlen nicht, und die Kinder und Jugendlichen müssten über Wochen oder gar Monate zu Hause hocken. Die soziale Belastungen wären erneut so gravierend wie die bildungspolitischen: Noch immer ist die Mehrheit der Schulen weder technisch noch didaktisch auf täglichen Digitalunterricht vorbereitet.

Am Montag trifft sich Bundeskanzlerin Merkel mit den Kultusministern der Länder zu einem Schulgipfel. Es soll erneut um die Digitalisierung gehen, um gemeinsame Vorhaben und Finanzzusagen. Wie wäre als Ergebnis des Tages auch der folgende Appell an alle Regierungschefs der Länder: Künftig darf es für Kitas und Schulen nur noch einen Schwellenwert geben, und der lautet: Erst wenn Restaurants, Friseure oder Einkaufszentren geschlossen sind, sind auch die Bildungseinrichtungen dran.

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