Planetenforschung: Saturn hat seine Ringe erst seit Kurzem
Cassini-Sonde enthüllt: Die schönen Scheiben hat sich Saturn erst vor ein paar Millionen Jahren zugelegt.
Die Ringe des Saturn sind offenbar deutlich jünger als lange Zeit vermutet. Sie entstanden nicht zeitgleich mit dem Planeten vor rund 4,5 Milliarden Jahren, sondern erst vor einigen zehn bis hundert hundert Millionen Jahren. Also zu einer Zeit, als es hier auf der Erde schon Dinosaurier (zumindest bis zu ihrem Aussterben vor 66 Millionen Jahren) und Säugetiere gab. Dies geht aus Daten hervor, die ein internationales Forscherteam um Luciano Iess von der Universität La Sapienza in Rom jetzt im Fachmagazin „Science“ vorstellt.
13 Jahre um den Saturn gekreist
Die Wissenschaftler stützen sich auf Messungen der Nasa-Sonde „Cassini“, die den Gasplaneten 13 Jahre lang erforscht hat, bevor sie im September 2017 planmäßig in sein Inneres stürzte. Anfangs umkreiste sie den Planeten in weiten Schwüngen, doch zum Ende der Mission wurden die Orbits geändert, so- dass Cassini mehrfach zwischen dem innersten Ring und der Planetenoberfläche hindurchsauste. Währenddessen vermaßen die Forscher das Schwerefeld des Saturn. Es zeigt an, wie sich, je nach überflogener Region, die Anziehungskraft ändert, was wiederum auf die Massenverteilung und damit auf die innere Struktur des Planeten in dieser Gegend verweist.
Zudem wurde die Anziehungskraft und somit die Masse der inneren Ringe vermessen, die sich dank der engen Flugbahn auf der gegenüberliegenden Seite der Sonde befanden. Für die Schwerefeldmessung nutzten die Forscher Radiowellen, die zwischen Stationen auf der Erde und Cassini hin und her geschickt wurden. Vereinfacht funktioniert es so: Bewegt sich die Sonde mit konstanter Geschwindigkeit in Richtung einer Antenne auf der Erde, werden die abgestrahlten Wellen (gemäß des Dopplereffekts) gestaucht. Fliegt Cassini an einem besonders massereichen Gebiet vorbei, ändert sich infolge der Anziehungskraft ihre Geschwindigkeit und damit die Wellenlänge der Radiosignale.
Gashülle des Planeten ist 9000 Kilometer dick
Aus diesen Messdaten haben Iess und Kollegen das Schwerefeld und seine Variation berechnet. In aufwendigen Computermodellen haben sie dann getestet, wie diese am besten zu erklären sei. Demnach spielt die unterschiedlich schnelle Drehung einzelner Teile des Gasplaneten – die differentielle Rotation – eine entscheidende Rolle. Die Werte variieren je nach Lage auf Saturn. Grob vereinfacht dreht er sich binnen zehneinhalb Stunden einmal um seine Achse. Darüber hinaus zeigen die Modelle, dass die Ost-West-gerichteten Winde in der vorrangig aus Wasserstoff und Helium bestehenden Gashülle bis in 9000 Kilometer Tiefe reichen, das sind immerhin rund 15 Prozent des Saturnradius.
„Dieses Ergebnis ist schon überraschend und beeindruckend“, sagt Elias Roussos vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Er gehörte zu einem Team, das mithilfe eines Teilchendetektors auf Cassini das Magnetfeld und dessen Wirkungen erforscht hat; an der aktuellen Studie ist er nicht beteiligt. Roussos erhofft sich von den neuen Erkenntnissen Hinweise auf den Ursprung des Magnetfelds. Seltsamerweise ist dessen Achse nämlich nahezu perfekt parallel zur Rotationsachse, was bei keinem anderen Planeten des Sonnensystems der Fall ist.
Masse der Saturnringe weist auf junge Geschichte hin
Zudem haben Iess und sein Team die Masse der Saturnringe abgeschätzt und damit einen wichtigen Hinweis auf deren Alter erhalten. „Das ist eine spannende Frage, über die seit Jahren kontrovers diskutiert wird“, sagt Roussos. Das eine Astronomen-Lager meint, das Ringsystem sei der Rest der ursprünglichen, protoplanetaren Staubscheibe, aus der vor 4,5 Milliarden Jahren Saturn hervorging. Das andere meint, die Ringe, die vor allem aus Eis, Staub und Gesteinsbrocken bestehen, seien erst viel später entstanden.
Um das Alter abzuschätzen, werden verschiedene Methoden eingesetzt, erläutern Iess und Kollegen in dem Artikel. Diese basieren beispielsweise auf Veränderungen der Kanten der einzelnen Ringe oder der Zerfallsrate kleinerer Monde. Die meisten Methoden lassen darauf schließen, dass Ringe mit geringer Masse jünger sind, schreibt das Team. Dazu passt die aktuelle Massenabschätzung von rund 1,5 mal 10 hoch 19 Kilogramm (15 Millionen Milliarden Tonnen). Das klingt viel, ist aber weniger als andere Schätzungen ergaben. Die Forscher argumentieren deshalb, dass die markanten Staubscheiben um Saturn weitaus jünger sind als der Planet. Sie entstanden demnach vor einigen zehn bis hundert Millionen Jahren und waren zunächst womöglich etwas massiver als heute. „Das ist überzeugend und macht es sehr wahrscheinlich, dass das Alter der Ringe tatsächlich eher gering ist“, sagt Roussos.
Neben Saturn haben auch die anderen Gasplaneten Jupiter, Uranus und Neptun Ringe. Als Quelle für die kleinen Teilchen gelten nicht nur zertrümmerte Asteroiden. Auch der beständige Beschuss der Planetenmonde mit kosmischem Material erzeugt Staub, der sich in feinen Ringen um den „Mutterplaneten“ legt. Und es gibt noch einen Mechanismus. Der E-Ring des Saturn wird vorrangig von Material gefüllt, das die Eisvulkane auf dem Mond Enceladus ausspucken. Sogar der Mars könnte eines Tages einen Ring bekommen. Nämlich dann, wenn sein Mond Phobos so nahe herankommt, dass er ebenfalls von den Gezeitenkräften zerrissen wird. Je nach Modellrechnung könnte das in 20 bis 40 Millionen, vielleicht auch erst in 70 Millionen Jahren geschehen.
Ursprung der Ringe - vermutlich ein Mond oder Asteroid
Was genau die mächtigen Ringe des Saturns entstehen ließ, können die Autoren allerdings auch nicht sagen. Eine gängige Theorie besagt, dass ein größerer Mond oder ein Asteroid dem Planeten so nahe gekommen ist, dass die Gezeitenkräfte, die an Vorder- und Rückseite unterschiedlich stark zerren, immer stärker wurden – bis der Brocken zerriss und die Trümmer sich um den Planeten verteilten.
Eigentlich hätten wir ziemliches Glück, die Ringe zu sehen, denn sie seien nur ein vorübergehendes Phänomen und verschwänden schon wieder, ergänzt der Göttinger Forscher. „Bruchstücke, die dem Planeten zu nahe kommen, fallen irgendwann auf ihn herab. Und die Wärme, die vom Einschlag von Mikrometeoriten herrührt, lässt Teilchen ebenso verdampfen wie die Sonnenstrahlung.“
Der Verlust ist beträchtlich. Bereits in 100 Millionen Jahren dürften die Ringe verschwunden sein, haben kürzlich Forscher um James O'Donoghue von der Universität Leicester im Fachmagazin „Icarus“ vorgerechnet. Es sei denn, eines Tages kommt ein weiterer großer Himmelskörper des Wegs, der dann von den Gezeiten zerrieben wird und Material für neue Ringe liefert. „Theoretisch ist das schon möglich, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering“, sagt Roussos. „Früher gab es noch häufiger große Kollisionen, doch mittlerweile ist es ziemlich leer da draußen. Es fehlt der Nachschub.“