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Gentechnisch veränderter Mais
© Chris Knapton, Science Photo Library

Grüne Gentechnik: Saat der Zwietracht

Auf Spaniens Feldern wächst bereits seit 17 Jahren gentechnisch veränderter Mais. Die befürchteten Gefahren für Mensch und Umwelt blieben jedoch aus.

Im August tragen die riesigen Äcker im Ebro-Becken gelb. Unzählige Sonnenblumen gedeihen auf den fruchtbaren Böden in der nordspanischen Provinz Aragon, und der Mais steht zwei Meter hoch. Die Körner verfüttern die Bauern an Schweine, Kühe und Hühner. Daran verdienen sie gut.

Wenn sich nicht Ostrinia nubilalis und Sesamia nonagrioides, zwei Arten des Maiszünslers, in die Maisstengel bohren und sie von innen leer fressen. Die Larven des unscheinbaren Schmetterlings können einen großen Teil der Ernte vernichten, sagt José Manuel Cebollada, Landwirt und Vizepräsident von Asaja, Spaniens größter Bauerngenossenschaft. Denn wenn das Stengelmark fehlt, bilden sich die Maiskörner nicht vollständig aus. Stark befallene Pflanzen kippen einfach um. Dem Schädling mit Insektenvernichtungsmittel beizukommen, ist kompliziert. Denn sie sind nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters effektiv: nachdem die Larve schlüpft und bevor sie im Schaft der Rispe verschwindet. So ist der Maiszünsler die am weitesten verbreitete Plage auf den Feldern.

Der 43 Jahre alte Landwirt blieb bisher von solchen Rückschlägen verschont. Auf seinen Feldern wächst gentechnisch veränderter Mais, die Sorte MON810. „Bauern, die herkömmlichen Mais anpflanzen, ernten pro Hektar rund 12 000 Kilo. Ich erziele zwei- bis dreitausend Kilo mehr,“ sagt Cebollada. „Außerdem spare ich mir die Behandlung mit Insektiziden, die sonst zwei- bis dreimal jährlich fällig ist.“ Er ist mit seiner Erfahrung nicht allein. Aus einer Studie unter Federführung von Laura Riesgo von der Universität Oviedo geht hervor, dass spanische Maisbauern, die die Gentechnik für sich nutzen, 100 Euro Gewinn mehr pro Hektar machen – obgleich das Saatgut teurer ist. Denn ihre Erträge sind höher, außerdem versprühen sie weniger Chemie.

Erbgutveränderungen sind nicht neu

Mais MON810. Kaum eine andere Pflanze ist in Europa derart umstritten. Dabei begann alles ganz friedlich, vor mehr als 100 Jahren. Damals entdeckte ein japanischer Biologe, welches Bakterium den Seidenraupen zusetzte. Der Chemiker Ernst Berliner fand es etwas später ebenfalls in Mehlmottenraupen aus einer Thüringer Mühle. Er nannte es Bacillus thuringiensis. Und diese Bazille ist durchaus nützlich, stellte sich bald heraus. Denn sie produziert ein Gift, das Getreide wie Mais vor bestimmten Schädlingen schützt. Bauern und Umweltschützer waren gleichermaßen begeistert. Denn dieses Insektizid ist natürlich und harmlos für andere Organismen, vom Insekt bis zum Wirbeltier. Bis heute ist der biologische Pflanzenschutz beliebt. Auch im Öko-Landbau.

Allerdings gibt es seit den 1980er Jahren einen effektiveren Weg. In den Laboratorien des Saatgutherstellers Monsanto zum Beispiel schleusen Forscher Erbgut des Bakteriums, das Bt-Gen, in herkömmliche Maissamen ein. Wächst die Pflanze, bildet sie nun Cry1Ab-Eiweiße. Diese entfalten ihre giftige Wirkung ausschließlich im Darm der Maiszünsler-Larven. Dort docken die aktivierten Eiweiße an Rezeptoren der Darmwand an und durchlöchern sie. Der Schädling stirbt, die Pflanze ist geschützt. Selbst wenn der Maiszünsler sich bereits eingebohrt hatte. Die Sorte MON810 ist nicht zusätzlich gegen Unkrautvernichtungsmittel resistent.

Vergleichsweise „neu“ an der Genmanipulation ist nur die zielsichere Methode. Seit Urzeiten wählen Bauern jene Pflanzen für die Zucht aus, die ein vorteilhaftes Erbgut haben. Sie überlassen das Feld dabei längst nicht mehr der Natur. Es ist üblich, mithilfe von chemischen Substanzen oder Röntgenstrahlen Mutationen zu provozieren – gewollte und ungewollte. Ein mühsamer Prozess, um Eigenschaften zu verändern oder auszuschalten, der den Segen der Bio-Lobby hat.

Kein Land ist komplett "gentechnikfrei"

Als die Europäische Kommission den Bt-Mais 1998 zum Anbau freigab, hatte er strenge Sicherheitskontrollen durchlaufen. In etlichen Studien zeigten Forscher, dass der genveränderte Organismus keine negativen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt hat. Völlig ausschließen können sie sie nicht. „Jedes Lebens- oder Futtermittel, sei es genverändert oder nicht, birgt ein gewisses Risiko“, sagt Andreu Palou, der von 1997 bis 2009 an der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und ihrer Vorläufer-Institution für die Zulassung des gentechnisch veränderten Mais in Europa zuständig war. „Wir können aber bis zu einem vernünftigen Grad wissenschaftlich nachweisen, dass Bt-Mais weder der Gesundheit von Menschen und Tieren noch der Umwelt schadet.“

Nun ist es Sache der EU-Mitgliedstaaten, den Mais innerhalb der eigenen Grenzen zuzulassen. Länder wie Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Österreich, Ungarn, Griechenland, Bulgarien und Polen pochen auf ein Verbot. Trotzdem sind sie alles andere als „gentechnikfrei“. Die meisten Nutztiere bekommen Futter, das gentechnisch verändert ist. Die EU importiert jährlich 35 Millionen Tonnen Sojabohnen aus Nord- und Südamerika. Auch bei Mais oder Raps, der an Tiere verfüttert wird, handelt es sich häufig um eine Gentech-Variante. Bei der Herstellung von Futtermittelzusatzstoffen spielt außerdem die „Weiße Gentechnik“ eine große Rolle: Dabei werden Pilze, Bakterien oder Algen gentechnisch so verändert, dass sie Vitamine, Aminosäuren und Enzyme produzieren.

Was sich in der Viehzucht durchgesetzt hat, ist im Ackerbau weiterhin verpönt. Selbst in den EU-Staaten, die Gentechnik auf den Feldern nicht ausdrücklich verbieten, kommen meist keine genveränderten Pflanzen vor – mit Ausnahme Spaniens. Auf rund 130 000 Hektar Land wächst dort der Bt-Mais MON810. Ein Drittel der Maisernte entfällt auf die genveränderte Variante. Um die Risiken, die das mit sich bringt, immer wieder neu zu bewerten und Probleme schnell zu bemerken, verlangt die EU einen Überwachungsplan. Der jeweilige Mitgliedsstaat muss gewährleisten, dass Wissenschaftler alles kontrollieren.

Spanien hat derzeit kein Problem mit resistenten Super-Larven

Pedro Castañera, Umweltbiologe vom Consejo Superior de Investigaciones Científicas, begleitet den Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Spanien seit der ersten Stunde. „Nach nunmehr 17 Jahren Forschung konnten wir keine einzige unerwünschte Wirkung des Bt-Mais feststellen“, sagt er. In Langzeitstudien testete sein Team, ob MON810 außer dem Maiszünsler noch anderen Organismen schadet. Die Wissenschaftler platzierten Fallen auf Feldern, wo entweder Bt-Mais oder herkömmlicher Mais wächst, und sammelten so Käfer, Spinnen, Tausendfüßler und andere Organismen, die wichtige Funktionen für das Ökosystem erfüllen und zum Beispiel die Fruchtbarkeit der Böden fördern. Castañera und seine Kollegen verglichen die Anzahl der gefangenen Insekten über einen Zeitraum von drei und fünf Jahren und stellten fest: Lediglich auf den Feldern, auf denen Bauern das Insektizid Imidacloprid verwenden, sind die Anzahl und Vielfalt eines bestimmten Käfer-Typus leicht reduziert. Bienen, die mit dem Blütenstaub des gentechnisch veränderten Mais ihre Nachkommen ernähren, nehmen keinen Schaden.

Weniger hohe Preis, keine Subventionen - die Bio-Bauern trifft es doppelt

Die zweite große Frage der Sicherheitsforschung ist, ob der Schädling resistent wird, sich also im Falle des Maiszünslers eine besonders widerstandsfähige Super-Larve herausbildet. Castañera analysierte eine Vielzahl von Studien. Seit der Einführung des Bt-Mais im Jahre 1997 seien weltweit fünf Fälle von Resistenzen gegen bestimmte Bt-Sorten bekannt geworden. „Das ist vergleichsweise wenig“, meint der Wissenschaftler. Schließlich sei es ganz normal, dass Schädlinge gegenüber den Wirkstoffen, die zu ihrer Bekämpfung eingesetzt werden, Resistenzen entwickeln. Wird ein bestimmtes Insektizid jahrelang großflächig angewendet, haben zwangsläufig jene Individuen einen Vorteil, die sich unter den Bedingungen des Pflanzenschutzmittels besser vermehren als ihre Artgenossen.

Im Ebro-Becken in Aragon sowie in den anderen spanischen Anbaugebieten wehrt der Bt-Mais den Schädling aber gleichbleibend gut ab. Selbst wenn auf Feldern fünf oder acht Jahre lang Bt-Mais wuchs, fanden Castañera und seine Kollegen dort keine resistenten Maiszünsler-Larven. Castañera begründet das mit einer erfolgreichen Strategie, die beispielsweise der Landwirt José Manuel Cebollada anwendet: Er pflanzt mitten in seine Felder auch herkömmliche Maissorten. So ist es im spanischen Überwachungsplan vorgeschrieben. „Schädlinge, die eventuell gegen das Bt-Gift immun werden, kreuzen sich dann mit den Schädlingen, die auf konventionellem Mais leben und folglich keine Resistenzen entwickeln,“ sagt Castañera. „Die Nachkommen sind nicht resistent.“

Die Bio-Landwirte sprechen von grundsätzlicher Unvereinbarkeit

Sowohl sein Team als auch das um Ramón Albajes von der Universität von Lleida, das ähnliche Studien durchgeführt hat, geben dem Bt-Mais spanienweit gute Noten. Die Sicherheitsbedenken haben sich nicht bewahrheitet, zeigen die umfangreichen Erfahrungen. Was nicht heißen soll, dass MON810 gar keine Probleme mit sich bringt. Für Cebolladas Nachbarn, die Ökobauern Aragons, bedeutet er handfeste Schwierigkeiten.

Die Bio-Landwirte sprechen von grundsätzlicher Unvereinbarkeit. Man müsse sich entscheiden – entweder Gentechnik auf den Feldern oder ökologischer Anbau. „Weil in Aragon immer mehr Genmais wächst, war es mir nicht mehr möglich, biologischen Mais anzubauen“, sagt der Bauer José Ballarín Cabellud. Denn wenn im Sommer Wind und Hitze die Pollen von Feld zu Feld tragen, kann der Blütenstaub von MON810 auf die Blütennarbe von Bio-Mais gelangen. Selbst wenn die Felder zweihundert Meter und weiter auseinanderliegen. Die Inspektoren des aragonesischen Ausschusses für ökologische Landwirtschaft weisen mit eigens dafür angefertigten Messgeräten Anteile des Bt-Mais unter den Bio-Maiskolben nach – sehr geringe Anteile.

Trotzdem bedeutet das Abschied nehmen von den erhofften Preisen für das Bioprodukt. Die Landwirte müssen das Korn so verkaufen, als ob es herkömmlich produziert wurde. Finanzielle Verluste ergeben sich auch, weil ihnen Subventionen gestrichen werden. In Aragon liegen sie bei jährlich 136 Euro pro Hektar für Bio-Mais. Für konventionellen Mais, Bt-Mais oder eben Bio-Mais mit Spuren der genveränderten Pflanze gibt es keinen zusätzlichen Cent. „In Spanien wächst immer weniger Bio-Mais“, sagt Víctor Gonzálvez von der spanischen Gesellschaft für ökologischen Landbau.

Es gibt eine Möglichkeit, friedlich zu koexistieren

Dabei wäre es möglich, die Felder der Öko-Bauern für die Pollen des genveränderten Mais unerreichbar zu machen. Die Biologen um Jeroni Galmés von der Universität der Balearischen Inseln ermitteln auf ihren Versuchsfeldern einen Mindestabstand. Den Standort gibt der Forscher nicht preis. Er befürchtet, dass Umweltaktivisten die Felder zerstören würden. Der Widerstand gegen den Bt-Mais ist auf Mallorca groß, wie auch in einigen anderen Regionen Spaniens. So viel verrät Jeroni Galmés dann doch: Die Felder befinden sich in bester Lage, „fast direkt an der Küste. Hier herrschen extreme Bedingungen. Der Wind vom Meer trägt die Pollen des transgenen Mais ins Landesinnere, wo konventioneller Mais wächst.“ Trotzdem reicht selbst bei starkem Wind eine Distanz von 30 Metern zwischen den Feldern – sofern das Land dazwischen ebenfalls mit Mais bewachsen ist. Die Pflanzen bilden eine weitere Barriere.

Ob Galmés’ Forschung dazu beitragen kann, dass Bt-Mais und Öko-Mais künftig friedlich koexistieren, ist ungewiss. „Wir liefern den Politikern mit unseren Studien Daten. Entsprechende Regeln können nur sie festschreiben“, sagt er. Allerdings hat sich bisher kein Politiker für seine Ergebnisse interessiert.

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