zum Hauptinhalt
Um eine neue Rapssorte aus den USA erblüht eine neue Diskussion um die Grenze zwischen konventioneller, auf Mutagenese-Verfahren basierender Pflanzenzucht und gentechnischer Sortenentwicklung.
© Federico Gambarini/dpa

Neue Werkzeuge zum Schnippeln im Erbgut: Ist das Gentechnik oder kann das auf den Acker?

Neue Pflanzenzuchttechniken, die laut Gesetz nicht als Gentechnik gelten, stehen in der Kritik. Aber wer jede Veränderung eines Gens verteufelt, macht sich lächerlich. Ein Kommentar.

Der Aufschrei ist groß. 30 Biolobby-Organisationen, von Bioland bis zum Verband Katholisches Landvolk, echauffieren sich über eine Entscheidung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Das Pflänzchen des Anstoßes ist eine neue, gegen bestimmte Unkrautvernichtungsmittel resistent gemachte Rapssorte, die von der kalifornischen Firma Cibus entwickelt wurde. Das Amt prüfte und stufte die Pflanze nicht als gentechnisch veränderten Organismus ein – sondern gab sie zum Anbau frei. Zum Entsetzen der Biolobby, denn der erbgutveränderte Raps falle „eindeutig“ unter das Gentechnik-Gesetz. Und wenn das 30 Naturschutzorganisationen sagen, dann kann so ein Amt ja nur unrecht haben. Oder?

„Bisher wird nicht einmal im Detail verstanden, wie genau die RTDS-Technik ihre Wirkung im Erbgut entfaltet“, schreibt Anti-Gentechnik-Aktivist Christoph Then von Testbiotech in einer Pressemitteilung. Doch. RTDS (für „Rapid Trait Development System“) wird verstanden. Und es ist auch gar nicht so schwer.

Keine Gentechnik sondern Mutagenese

Aber fangen wir mit einer Zuchttechnik an, die den ausdrücklichen Segen der Biolobby hat, der „EMS-Mutagenese“. Ethylmethansulfonat ist eine Chemikalie, die einzelne Bausteine der DNS verändert, vor allem Guanin. Das erzeugt eine Fehlpaarung in der DNS-Doppelhelix. Beim Vervielfältigen und Korrekturlesen der DNS korrigieren spezielle Enzyme der Zelle die Fehlpaarung so, dass anstelle des Guanins ein Adenin eingebaut wird. Wo im Erbgut diese Mutation entsteht, lässt sich mit dieser Technik nicht steuern. Züchter müssen aus Tausenden von Pflanzen, die mit EMS behandelt wurden, mühsam die mit der gewünschten Genveränderung heraussuchen. Diese Pflanzen haben dann aber nicht nur die eine gewünschte Genveränderung, sondern die EMS-Chemikalie verursacht auch in anderen Erbgutabschnitten ungewollte Mutationen. Schätzungsweise jeder 300 000ste Erbgutbaustein wird mit der Methode verändert – also gegebenenfalls tausende im 1,3 Milliarden Bausteine großen Rapsgenom.

Die Zelle selbst verändert ihr Erbgut

So weit also die Technik, die die Biolobby akzeptiert. Bei der RTDS-Technik von Cibus werden kurze Erbgutstücke (40 Bausteine lang) in den Zellkern eingeschleust. Sie können nicht ins Pflanzenerbgut eingebaut werden, sie sorgen lediglich dafür, dass in einem ganz bestimmten Abschnitt im Erbgut eine Fehlpaarung entsteht. So wie bei EMS, aber im Unterschied dazu nur an einer und nicht an Tausenden von Stellen im Genom. Es sind dann wieder die zelleigenen Korrektur-Enzyme, die die Fehlpaarung so korrigieren, dass das Gen verändert wird.

Der Unterschied zwischen den beiden Methoden liegt also nur darin, dass RTDS Gene viel gezielter als EMS verändert. Eindeutig ein Vorteil gegenüber der schrotschussartigen EMS-Methode. Und genauso eindeutig ist RTDS wie EMS eine „Mutagenese“-Methode – und gilt damit laut deutschem Gentechnikgesetz ausdrücklich „nicht als Verfahren der Veränderung genetischen Materials“.

Mutation auch auf natürlichem Wege möglich

Als gentechnisch verändert werden dort nur Organismen eingestuft, „deren genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen (...) nicht vorkommt“. Auch das trifft auf Cibus’ Raps nicht zu, denn die Veränderung eines einzelnen Genbausteins kann auch zufällig passieren. Kein Test könnte unterscheiden, ob die Veränderung des Cibus-Rapses natürlichen oder menschlichen Ursprungs ist.

Der Fall des Cibus-Rapses ist deshalb so absurd, weil die Methode Züchtern auch ermöglicht, in Nutzsorten vorteilhafte Mutationen aus Wildvarianten einzustellen. Mit herkömmlichem Kreuzen dauert das aber Jahre. Warum sollte es „böse Gentechnik“ sein, solche in der Natur ohnehin vorkommenden Genvarianten mit RTDS direkt und schnell in den Kulturpflanzen herbeizuführen?

Nicht die Herstellungstechnik sollte über das Ausmaß behördlicher Prüfung entscheiden, sondern die Veränderungen der Pflanze sollten im Mittelpunkt stehen, betonten erst kürzlich mehrere Wissenschaftsorganisationen. Denn nur weil etwas per Gentechnik gezüchtet wurde, muss es nicht per se ein Risiko sein. Und nur weil etwas gentechnikfrei entstand, ist es nicht zwangsläufig harmlos. Doch dazu müsste die Biolobby endlich den Reflex überwinden, alles zu verteufeln, was Gene verändert.

Zur Startseite