Nur noch 19 Landkreise ohne Corona-Infektion: RKI warnt vor Menschengruppen in Innenräumen
Das Infektionsgeschehen in Deutschland „nimmt an Dynamik zu“, schreibt das Robert Koch-Institut in seinem Lagebericht – und gibt eine neue Empfehlung heraus.
Angesichts immer weiter steigender Coronavirus-Infektionszahlen appelliert das Robert Koch-Institut (RKI) eindringlich an die Deutschen, sich an die bestehenden Regeln und Empfehlungen zu halten. In seinem aktuellen Lagebericht warnte das RKI am Samstag erneut, dass eine weitere Verschärfung der Situation unbedingt vermieden werden müsse und fügt als neue Warnung hinzu: „Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – sollten möglichst gemieden und Feiern auf den engsten Familien- und Freundeskreis beschränkt bleiben.“
Die Zahl der täglich neu übermittelten Fälle sei seit der Kalenderwoche 30 angestiegen. Es gebe bundesweit eine große Anzahl kleinerer Ausbruchgeschehen in verschiedenen Landkreisen, die mit unterschiedlichen Situationen in Zusammenhang stünden wie zum Beispiel größeren Feiern im Familien- und Freundeskreis, Freizeitaktivitäten, an Arbeitsplätzen, aber auch in Gemeinschafts- und Gesundheitseinrichtungen.
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Hinzu komme, dass Covid-19-Fälle zunehmend unter Einreisenden identifiziert werden. Am Freitag hatte das RKI ganz Spanien inklusive der Ferieninsel Mallorca auf die Liste der Risikogebiete gesetzt; das Auswärtige Amt sprach daraufhin eine Reisewarnung aus. Ausgenommen davon sind lediglich die Kanaren.
RKI fordert Einhaltung der Regeln auch im Freien
Das RKI schreibt in seinem Lagebericht weiter, all dies summiere sich zu einer substantiellen Zunahme der Fallzahlen. „Diese Entwicklung ist sehr beunruhigend und nimmt an Dynamik zu.“ Die gesamte Bevölkerung müsse weiterhin Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhalten, Innenräume lüften und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt tragen.
Die Warnung des RKI, Menschengruppen in Innenräumen zu meiden, ist kein Verbot, zeigt aber deutlich, wie ernst die Situation aus Sicht der Behörde ist. Konkret bedeutet dies, dass die Bürger sich zum Beispiel überlegen sollen, ob sie sich innerhalb von gastronomischen Einrichtungen aufhalten.
In Berlin waren seit Mitte Juli wiederholt Infektionen bei Kneipenbesuchern nachgewiesen worden. Erschwert wird die Situation hier dadurch, dass es durch falsche oder unvollständige Angaben auf den vorgeschriebenen Kontaktlisten Probleme gibt, weitere Gäste zu identifizieren, um so die Infektionskette zu unterbrechen.
Innerhalb eines Tages haben die Gesundheitsämter in Deutschland 625 neue Corona-Infektionen gemeldet. Dies geht aus den Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom frühen Sonntagmorgen hervor. Am Freitag und Samstag hatte das RKI jeweils noch mehr als 1400 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet – so viel wie seit Anfang Mai nicht mehr. An Sonntagen sind die gemeldeten Zahlen erfahrungsgemäß oft niedriger, weil am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln.
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Seit Beginn der Coronakrise haben sich mindestens 223.453 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, wie das RKI am Sonntagmorgen im Internet meldete (Stand 16.8., 0 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion liegt bei 9231. Bis Samstag hatten 201.300 Menschen die Infektion RKI-Schätzungen zufolge überstanden.
Seit Ende Juli steigen die Coronavirus-Fallzahlen wieder
Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Anfang April bei mehr als 6000 gelegen. Die Zahl war nach den immer noch über 1000 liegenden Werten im Mai in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Experten sind besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, der die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Ansteckungsketten an Grenzen bringt.
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Für Deutschland trägt der Tagesspiegel die Zahlen aus allen Landkreisen zusammen. Im 7-Tage-Mittel stecken sich aktuell pro Tag 1086 Menschen mit dem Virus an. In der Vorwoche lag der Wert bei 832. Am Sonntag meldeten Tagesspiegel-Daten zufolge nur noch 19 der 401 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland keinen Coronavirus-Fall. Mitte Juni waren es noch 143.
Am meisten Neuinfizierte je 100.000 Einwohner haben Dingolfing-Landau (91,5), Bochum (31,8), Offenbach (30,3), Hagen (30,2), Herne (30,1), Wuppertal (28,8) und Unna (27,4). In Berlin sind es 15,1. Seit Beginn der Pandemie gab es 223.780 registrierte Coronavirus-Fälle in Deutschland. Aktuell (Stand Sonntag, 9 Uhr) sind deutschlandweit 13.888 Personen infiziert, in Berlin 774 (Stand 15.8.). Zum Vergleich: Am 6. April gab es 72.881 aktive Fälle in Deutschland. Das war der bisherige Spitzenwert.
Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:
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- Zweite Welle? Wo die Fälle wieder steigen und welche Muster es dabei gibt
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- Das Rätsel um R: Das steckt hinter der Reproduktionszahl
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Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen (Datenstand 15.8., 0 Uhr) in Deutschland bei 1,29 (Vortag 1,09). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwas mehr als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Zudem gibt das RKI ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. RKI-Schätzungen zufolge lag dieser Wert bei 1,23 (Vortag 1,14). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen. Die R-Werte liegen nach RKI-Angaben seit Mitte Juli 2020 wieder bei 1 beziehungsweise leicht darüber.
Auch Rate der positiven Coronavirus-Tests gestiegen
Dem Lagebericht des RKI vom 12. August zufolge, an dem letztmalig die Daten zu durchgeführten Tests aufgeführt wurden, zeigt, dass in der Kalenderwoche 32 (3. bis 9. August) 672.171 Untersuchungen auf das Coronavirus durchgeführt wurden. 6909 Tests fielen positiv aus.
Die Quote von 1,0 Prozent entspricht der der Vorwoche. In der Kalenderwoche 30 lag sie bei 0,8 Prozent, in den Wochen 29, 28 und 27 bei 0,6 Prozent. Letztmalig höher lag die Positivrate mit 1,4 Prozent in der Kalenderwoche 25 (22. bis 28. Juni), als es 387.484 Tests gab.
Wie das RKI weiter mitteilte, haben sich zwei Monate nach ihrem Start rund 17 Millionen Menschen die Corona-Warn-App heruntergeladen. Die App auf dem Smartphone kommuniziert via Bluetooth mit anderen Smartphones. Wird ein Nutzer positiv auf das Coronavirus getestet, gibt die App an diejenigen Nutzer einen Alarm aus, die dem Infizierten für eine gewisse Zeit so nahe gekommen sind, dass sie sich angesteckt haben könnten.
Nach einem Alarm sollten Nutzer das Gesundheitsamt kontaktieren und selbst einen Test machen. Die Nutzung der App ist freiwillig. Wie viele sie tatsächlich nutzen und an die Empfehlungen halten, lässt sich aus der Downloadzahl daher nicht ablesen.
Weil die notwendigen Daten verschlüsselt und nicht zentral gespeichert werden, gibt es dem RKI zufolge keine Informationen dazu, wie viele Menschen sich aufgrund einer Mitteilung der Corona-Warn-App haben testen lassen. Auch Auswertungen darüber, wie oft sich Nutzer an das Gesundheitsamt gewendet haben, lägen nicht vor, teilte das Institut auf Nachfrage der Nachrichtenagentur epd mit. Das Institut wertet die App dennoch als wichtiges Mittel zur Unterbrechung von Infektionsketten. „Die Corona-Warn-App ist ein wichtiger Baustein in der Pandemiebekämpfung.“