Drohende Umsatzsteuer bei "Personalgestellung": Rettet die gemeinsamen Berufungen!
Das Berliner Modell der Doppelberufungen zwischen Außeruniversitären und Universitäten, das wissenschaftliche Exzellenz ermöglicht, ist bedroht. Ein Plädoyer.
Ja, Wissenschaft ist teuer. Jährlich finanziert die öffentliche Hand Hochschulen und außeruniversitäre Forschungsinstitute mit vielen Milliarden Euro. Aber das Geld ist gut angelegt. Das dürfte den meisten nicht erst seit der Corona-Pandemie klar sein. Nur durch exzellente Forschung wird technischer und gesellschaftlicher Fortschritt möglich, viele Wissenschaftler*innen informieren und beraten die Öffentlichkeit bei schwierigen Entscheidungen.
Genauso wichtig wie ausreichende finanzielle Ressourcen ist allerdings die enge Zusammenarbeit in der Wissenschaftslandschaft. Denn nur über gut vernetzte Köpfe gelingt eine wirklich schlagkräftige, international wettbewerbsfähige und effektive Organisation von Forschung.
Wir haben in Deutschland ein bewährtes Instrument dafür: die gemeinsame Berufung von Professor*innen durch Hochschulen und außeruniversitäre Institute. Letztere tragen dabei in der Regel den Großteil der Kosten. Gleichzeitig erhält die oder der Berufene eine Professur an der Hochschule und übernimmt Lehrveranstaltungen.
Zugang zum wissenschaftlichen Nachwuchs
Gemeinsam berufene Spitzenwissenschaftler*innen haben auf beiden Seiten Zugang zum wissenschaftlichen Nachwuchs, zu Infrastrukturen und Dienstleistungen. Ein Gewinn für alle Beteiligten. Diese Vernetzung ist gerade für Berlin essentiell. Sie führt zu seiner Stärke und außergewöhnlichen Synergien in der Wissenschaft. Viele renommierte Forscherpersönlichkeiten wären Studierenden vorenthalten geblieben, wenn wir sie nicht mit vereinten Kräften aus Oxford oder Harvard zu uns geholt hätten.
Jetzt sehen wir dieses wichtige Instrument zur Förderung wissenschaftlicher Exzellenz bedroht. Eine unflexible Finanzpolitik will künftig Umsatzsteuer auf dieses wichtige Element der Zusammenarbeit erheben. Im Prinzip erfolgen gemeinsame Berufungen nach zwei Modellen: Im Gegensatz zum „Jülicher Modell“ bei dem die Hochschule eine*n Forschende*n beruft, um sie*ihn sofort und auf Dauer zu beurlauben, wird im „Berliner Modell“ der*die Wissenschaftler*in berufen und unter Zuweisung von Dienstaufgaben an die außeruniversitäre Forschungseinrichtung abgestellt.
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Dies bewertet die Finanzverwaltung nun als „Personalgestellung“, eine auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Und die ist umsatzsteuerpflichtig. Setzt sich dieser Bewertungsansatz auch für die Wissenschaft durch, werden ab 2023 gemeinsame Professuren deutlich teurer.
Rigide Haltung der Finanzverwaltung
Die Argumentation ist jedoch mit Fug und Recht anzuzweifeln: Der Zweck der Umsatzbesteuerung liegt in der Besteuerung eines privaten Endverbrauchs und der findet in der öffentlich finanzierten Wissenschaft einfach nicht statt. Aus der rigiden Haltung der Finanzverwaltung entstünden drei große Probleme.
Erstens: Das Geld für die schlagartig steigenden Kosten ist nicht da. Personalentscheidungen werden langfristig getroffen. Spontan werden sich keine Spielräume auftun, die eine solche Mehrbelastung auffangen können. Besonders abenteuerlich wird das Ganze, wenn man bedenkt, dass sich die Wissenschaft im Wesentlichen über staatliche Zuwendungen finanziert, die diese dann wieder an die Finanzverwaltung abführen müssten – ein Beispiel für „linke Tasche, rechte Tasche“, wobei im Ergebnis viele Forschungseinrichtungen eine Budgetsenkung fürchten müssen.
Zweitens: Der Vielfalt der Wissenschaftslandschaft droht ein empfindlicher Rückschlag. Über viele Jahre hat sich das einst auf Wettbewerb und Abgrenzung ausgerichtete Verhältnis von Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen weiterentwickelt. Berlin ist ein hervorragendes Beispiel.
Eine Säule des Erfolgs in der Exzellenzstrategie
Der Erfolg in der jüngsten Runde der Exzellenzstrategie wäre ohne die Verknüpfungen von Universitäten mit den Außeruniversitären nicht denkbar gewesen. Grundlage dafür sind gemeinsame Berufungen. Diese würden nun aber zum Auslaufmodell. Alternativen wie das Jülicher Modell können das kooperative Element nicht gleichwertig abbilden und sind nur zeitlich begrenzt möglich. Der längst überwunden geglaubte Graben zwischen Hochschulen und Außeruniversitären würde sich alsbald wieder auftun.
Drittens: Die Wissenschaft in Deutschland würde weniger international werden. Die weltweit besten Forscher*innen können wir hierzulande nur gemeinsam gewinnen – und halten. Nur so entsteht ein intellektuell vibrierendes Umfeld, nur so können attraktive Gehälter geboten werden. In diesem Spannungsfeld entscheidet man den Wettbewerb um die klügsten Köpfe für sich.
Die gemeinsame Berufung nach dem Berliner Modell ist hierfür zentral, in Berlin und im ganzen Land. Dieses bewährte Instrument dürfen wir nicht verlieren. Dazu brauchen wir die Unterstützung von Bund und Ländern. Sie müssen bewährte Rahmenbedingungen erhalten, die für die wissenschaftliche Zusammenarbeit nötig sind. Wir, Hochschulen und Außeruniversitäre, sorgen dann gemeinsam dafür, dass daraus exzellente Forschung entsteht.