Sanitäterinsekten: Raubameisen retten ihre Verletzten
Wenn Matabele-Ameisen Termitenkolonien überfallen, werden verletzte Artgenossen nicht zurückgelassen, sondern gerettet.
Militärexperten kennen den enormen Wert jener Soldaten, die den Äskulapstab der Medizin auf der Schulterklappe tragen: Die von ihnen Geretteten stärken später die Truppe wieder. Eine Erfindung der Menschheit sind solche Helfer nicht. Auch bei der afrikanischen Matabele-Ameise Megaponera analis gibt es Sanitäter, die verwundete Artgenossen vom Schlachtfeld holen, berichten Erik Frank, Karl Eduard Linsenmair und Kollegen vom Biozentrum der Universität Würzburg in der Zeitschrift „Science Advances“. Die Insekten tun das aus den gleichen Gründen wie Menschen: „Es rentiert sich“, erklärt Thomas Hovestadt von der Würzburger Universität.
420 Raubzüge beobachtet
Das liegt vor allem daran, dass der Alltag der Tiere aus gut organisierten Raubzügen besteht, auf denen sie zwar reichlich Beute machen, auf denen aber auch viele Ameisen verwundet werden. Grund für die Feldzüge ist die einseitige Speisekarte: Termiten. Späher durchsuchen die Jagdgründe südlich der Sahara bis hinunter nach Südafrika nach Termitennestern und alarmieren die Kolonie, sobald sie fündig werden. Eine Ameisen-Streitmacht marschiert dann in einer langen Kolonne zu dem bis zu 50 Meter entfernten Fundort.
Im Comoé-Nationalpark im Norden der Republik Elfenbeinküste haben Erik Frank und seine Kollegen 420 solcher Raubzüge beobachtet, die von 52 Ameisen-Kolonien ausgingen. In Marsch setzen sich durchschnittlich 416 der Insekten, die bis zu zwei Zentimeter lang werden. Am Ziel stürmen die größten Matabele-Ameisen voran und brechen die harte Erdkruste auf, mit der die Termiten ihre Gänge vor dem Austrocknen schützen. Kleinere Ameisen stoßen durch diese Löcher vor, töten die Termiten und schleppen sie aus ihrem Nest heraus. Begleitet von ihren kleineren Kollegen tragen die großen Ameisen dann die Beute ins Nest zurück und der Feldzug endet.
Wehrlos sind die Termiten solchen Überfällen allerdings nicht ausgeliefert. Eine Soldaten-Kaste mit stark gepanzerten Köpfen und sehr kräftigen Beißwerkzeugen wehrt sich heftig. Aus den Nestern der Termiten kommen daher auch verwundete Ameisen zurück, denen die Verteidiger ein oder zwei ihrer sechs Beine abgebissen haben oder in deren Gliedmaßen sich noch Termiten-Soldaten verbissen haben. Solche Verletzte schleppen sich aber viel langsamer als gesunde Artgenossen samt Beute zum Nest zurück. Fast ein Drittel von ihnen endet daher in den Mägen anderer Räuber, bei denen es sich meist um Spinnen handelt, beobachtete Erik Frank in einem Experiment.
Ein Duft als Hilferuf
Normalerweise aber kommt es dazu gar nicht, weil die Verwundeten aus Drüsen an den Beißwerkzeugen eine Mischung aus den beiden Verbindungen Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid absondern. Dieses Duftstoff-Gemisch wirkt auf Artgenossen wie ein Hilferuf und löst Sanitäterverhalten aus: Die gesunden Ameisen schleppen bei einem Raubzug im Durchschnitt drei Verwundete zum Nest zurück. Nur tote Ameisen und hoffnungslose Fälle lassen sie zurück. Im Nest erholen sich die Verletzten rasch. 95 Prozent der Geretteten sind beim nächsten Raubzug wieder dabei, wenn auch mitunter nur mit vier statt sechs Beinen. Der Sanitäter-Einsatz hat sich gelohnt.