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Pille danach
© picture alliance / dpa

Notfall-Verhütung: "Pille danach" in deutschen Apotheken bald ohne Rezept

Eine Entscheidung der EU-Kommission zwingt Gesundheitsminister Hermann Gröhe zum Einlenken bei der "Pille danach": Sowohl EllaOne als auch Pidana sollen künftig nicht mehr verschreibungspflichtig sein.

Wenn eine Frau nach ungeschütztem Sex nicht schwanger werden will, muss sie sich in Deutschland künftig nicht mehr vom Arzt die „Pille danach“ verschreiben lassen. Sie kann sie rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Die Europäische Kommission hat sich dem Expertenvotum der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema) vom November angeschlossen. Die „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat (Handelsname EllaOne) wurde 2009 in Europa zugelassen, nun soll sie europaweit ohne Rezept erhältlich sein.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe sicht rasche Regelung zu

Nach der Freigabe durch die EU-Kommission sicherte Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine rasche nationale Regelung zu. „Wir werden der Entscheidung der Kommission folgen und das deutsche Recht für beide Präparate, die derzeit auf dem Markt sind, schnellstmöglich anpassen“, erklärte Gröhe am Donnerstag in Berlin. „Unser Ziel ist es, weiterhin eine gute Beratung für beide Präparate aus einer Hand sicherzustellen.“ Man wolle nun zusammen mit Frauenärzten, Apotheken und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Kriterien für eine qualitativ hochwertige Beratung in den Apotheken entwickeln. Die Bundesapothekerkammer begrüßte die Entscheidung.

In 23 EU-Staaten ist die "Pille danach" bereits rezeptfrei

Diskutiert wurde die Rezeptfreiheit in Deutschland lange Zeit nur für eine ältere Variante der „Pille danach“ mit dem Wirkstoff Levonorgestrel (Handelsname: Pidana). In 23 EU-Staaten und etwa 80 Staaten weltweit ist sie in Apotheken frei verkäuflich. Nur in Malta, Kroatien, Ungarn, Griechenland, Italien, Liechtenstein und Polen gibt es wie in Deutschland eine Verschreibungspflicht.

Geschluckt wird das Hormon Levonorgestrel seit 40 Jahren millionenfach, vor allem als gewöhnliche Pille zur Empfängnisverhütung, seit etwa 15 Jahren auch als „Pille danach“. In den ersten 72 Stunden nach dem Sex kann es den Eisprung um etwa fünf Tage verschieben – länger, als Spermien überleben. Die Einnistung einer befruchteten Eizelle wird folglich nicht unterbunden, es wird kein Embryo geschädigt. Für Frauen, die mehr als 75 Kilogramm wiegen, ist das Mittel allerdings ungeeignet. In Deutschland ist deshalb seit 2013 das zuverlässigere und bislang europaweit verschreibungspflichtige Ulipristalacetat Standard. Es verhindert, dass das Hormon Progesteron den Eisprung und die Gebärmutterschleimhaut vorbereitet. Und es wirkt auch noch zu einem späteren Zeitpunkt als Levonorgestrel. Frauen können das Mittel bis zu fünf Tage nach dem Sex nehmen.

Ulipristalacetat ist zuverlässiger

Eine Vergleichsanalyse mit 3368 Frauen ergab, dass Ulipristalacetat bei 75 bis 84 Prozent eine unerwünschte Schwangerschaft verhinderte, Levonorgestrel nur bei 52 bis 69 Prozent. Ulipristalacetat kann den Eisprung auch dann noch verschieben, wenn er bereits unmittelbar bevorsteht. Dieses Mittel sei ebenfalls keine Abtreibungspille, betont zum Beispiel die deutsche Gesellschaft für Endokrinologie. Einige Forscher weisen aber darauf hin, dass es zusätzlich die Struktur der Gebärmutterschleimhaut verändert. Bruno Mozzanega und seine Kollegen von der Universität in Padua argumentieren deshalb, dass es damit die Einnistung eines Embryos verhindern könnte.

 Die Rezeptfreiheit sorgt für einen schnelleren Zugang

Jede „Pille danach“ wirkt dann am besten, wenn sie in den ersten 24 Stunden nach dem ungeschützten Sex genommen wird. Das gilt insbesondere für Levonorgestrel, aber auch für Ulipristalacetat. Die Rezeptfreiheit würde für einen schnelleren Zugang und damit für mehr Zuverlässigkeit sorgen, schrieb die Ema in ihrer Empfehlung. Ulipristalacetat wurde erst 2009 in der EU zugelassen, die Behörde hat nun alle verfügbaren Daten analysiert. Es sei genauso gut verträglich wie Levonorgestrel, heißt es. Die Bewertung dieses älteren Mittels fällt in die Zuständigkeit der einzelnen EU-Staaten.

Für Levonorgestrel gebe es „keine medizinischen Argumente, die zwingend gegen eine Entlassung aus der Rezeptpflicht sprechen“, wiederholen die Sachverständigen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte seit 2003 gebetsmühlenartig. Auch die Weltgesundheitsorganisation hält Levonorgestrel für eine sichere und gut verträgliche Notfallverhütung, die schnell und unkompliziert zugänglich sein sollte. Nebenwirkungen wie Kopf- und Bauchschmerzen seien selten und verliefen meist mild. Erst die Entscheidung aus Brüssel hat die deutsche Politik zum Einlenken bewegt. (mit dpa)

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