Humboldt vor der Wahl: Olbertz pokert
Die Zeit drängt, doch Jan-Hendrik Olbertz, der Präsident der Humboldt-Universität, will noch nicht klar sagen, ob er wieder kandidiert.
Will er? Oder will er nicht? Jan-Hendrik Olbertz, der Präsident der Humboldt-Universität, lässt erstaunlich lange offen, ob er sich für eine zweite Amtsperiode zur Wahl stellen wird. Inzwischen wird an der HU darüber spekuliert, ob der ursprünglich geplante Wahltermin, der 5. Mai, noch zu halten ist. Denn Olbertz könnte seinen Hut theoretisch noch lange nach Auslaufen der offiziellen Bewerbungsfrist am morgigen Freitag in den Ring werfen. Eine abgelaufene Frist ist schließlich kein Grund dafür, einen präsidiablen Bewerber aus dem Verfahren zu halten. Dem Tagesspiegel sagte Olbertz am Mittwoch: „Ich bin grundsätzlich bereit, zu kandidieren.“ Diese Aussage bringt aber keine finale Klärung. Schließlich sagt der Präsident bewusst nicht glasklar: „Ich kandidiere.“ Er laviert.
Folgt die HU ihm nicht, kann er auf das Amt auch verzichten, so die Botschaft
Das wurde schon durch die ungewöhnliche Formulierung der Ausschreibung vom 15. Januar deutlich: „Der derzeitige Amtsinhaber hat in Aussicht gestellt, erneut für das Amt zu kandidieren.“ – In Aussicht gestellt? Üblicherweise heißt es in solchen Fällen schlicht: „Der derzeitige Amtsinhaber bewirbt sich.“ Die Humboldtianer haben den feinen Unterschied sehr wohl registriert: Der Präsident macht seine Kandidatur von Bedingungen abhängig, er verlangt einen Treuebeweis. Folgt die HU nicht, könnte er auf die Kandidatur verzichten, lautet seine Botschaft.
Welche Bedingungen dazu führen könnten, dass er seine Kandidatur ohne Wenn und Aber erklärt, will Olbertz öffentlich nicht sagen. An der Uni ist jedoch allgemein bekannt, worum es ihm geht. Olbertz will, dass das Konzil der HU die Verfassung der Uni ändert und das „Kanzlermodell“ einführt. Der Posten des Vizepräsidenten für Haushalt würde abgeschafft. Diesen Wunsch hat das Konzil, dem 61 Mitglieder angehören, dem Präsidenten im November aber abgeschlagen. Zu Olbertz’ Verdruss ist die Position des im Moment nur interimsweise besetzten Vizepräsidenten für Haushalt inzwischen zur Neubesetzung ausgeschrieben. Olbertz will, dass das Konzil seine Meinung rechtzeitig vor seiner Wahl ändert, heißt es aus der Uni. Schließlich würde das Gremium sonst widersprüchlich handeln: Es würde sich erneut für Olbertz entscheiden, sein zentrales Anliegen aber ablehnen.
Der Haushalt soll professioneller geleitet werden
Olbertz geht es um eine Professionalisierung des Haushaltens an der HU. Die Verantwortung für Finanzen sowie für das Personal der zentralen Uni-Verwaltung soll in eine Hand gelegt werden, eben in die des Kanzlers. Bislang teilen sich die Vizepräsidenten die Zuständigkeiten, auch der Vizepräsident für Forschung und der Vizepräsident für Studium verwalten Teile des Budgets und des Personals – was bestimmte Abläufe hemmen kann, wie nicht nur Olbertz meint. Womöglich wäre die HU vor einem Jahr nicht in eine Haushaltskrise gerutscht, hätte sie den Überblick über die Finanzen behalten. Ein weiterer Nachteil: Der Vizepräsident Haushalt wird über einen öffentlich-rechtlichen Sondervertrag bezahlt und nicht als Beamter auf Zeit. Personen, die bisher Beamte auf Zeit sind, würden dabei Ansprüche aus der Altersversorgung verlieren. Die von der TU Berlin an die HU abgeworbene Kanzlerin Ulrike Gutheil verzichtete im November 2010 darum auf die Position.
Alle Fäden würden beim Kanzler zusammenlaufen
So einfach ist das aus Sicht vieler an der HU aber gar nicht. Sie haben die Vor- und Nachteile beider Modelle über viele Monate hinweg geprüft und diskutiert. Doch eine eigens dafür eingesetzte Verfassungskommission der HU konnte sich nicht einigen. Probleme in der Finanzverwaltung könne es auch mit Kanzlermodell geben, hieß es. Das Konzil sah im November denn auch keinen Anlass, den Kanzler einzuführen. Die Mehrheit wollte lieber treu zur Verfassung stehen als treu zum Präsidenten. Womöglich auch aus Sorge um die Demokratie an der Uni. Die Gewaltenteilung würde geschwächt, laufen erst alle Fäden beim Kanzler zusammen.
Eine Anhörung der Bewerber für die Vizepräsidentschaft Haushalt ist für den 28. April im Konzil angesetzt. Gelingt es, einen soliden Kandidaten zu gewinnen, wird dies als Triumph über Olbertz ausgelegt werden – jedenfalls vonseiten der Widerständigen, die sich in den Reihen der Studierenden, der nicht-wissenschaftlichen sowie teilweise auch der wissenschaftlichen Mitarbeiter befinden.
"Er wartet, bis das Volk auf die Knie fällt"
Dort hat man für Olbertz’ Zögern wenig Verständnis: „Es ist befremdlich, wenn jemand so kurz vor den Wahlen keine Entscheidung treffen will“, sagt der Studierendenvertreter Tobias Roßmann. Aus dem Mittelbau heißt es gar: „Olbertz will warten, bis das Volk vor ihm auf die Knie fällt.“ Er verknüpfe seine Forderungen ja auch nicht zum ersten Mal mit seinem Amt – eine Anspielung auf den Dezember 2013, als Olbertz aus Unmut über den Widerstand gegen die Fakultätsreform zurücktrat, um eine halbe Stunde später vom Rücktritt zurückzutreten.
Olbertz spiele bei seiner Kandidatur auf Zeit, damit am Ende doch noch alles auf ihn hinausläuft, heißt es an der HU. Für die Uni wäre sein Verzicht schon deshalb misslich, weil Olbertz sich erst so spät erklären würde, dass es kaum noch möglich wäre, andere adäquate Bewerber zu gewinnen. Manche Humboldtianer erinnern sich noch mit Grauen an die peinlich langwierige Kandidatensuche vor zehn Jahren nach dem überraschenden Abgang des damaligen Präsidenten Jürgen Mlynek. Um eine solche Situation zu vermeiden, wären die widerspenstigen Gremien sicher irgendwann bereit, Olbertz Zugeständnisse zu machen – unter Führung der Professoren.
Professoren hoffen, dass Olbertz Präsident bleibt
Aus deren Reihen kommen freundliche Töne: Angesichts der Berliner Haushaltslage sei es ja kein Wunder, dass Olbertz sich seine Kandidatur gut überlege, sagt ein Professor. Die Politologin Julia von Blumenthal, Dekanin der Philosophischen Fakultät III, erklärt: „Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Olbertz zunächst ausloten möchte, ob die notwendige Unterstützung für seine Person und seinen Reformkurs gegeben ist.“ Blumenthal wünscht sich, dass Olbertz Ja sagt: „Er ist für die HU der richtige Präsident.“ So denkt auch die Historikerin Gabriele Metzler: „Jan-Hendrik Olbertz hat an der HU vieles in Bewegung gebracht, was natürlich nicht ohne Friktionen über die Bühne gegangen ist.“ Die HU sei jedenfalls „viel besser aufgestellt, als gerne behauptet wird.“
Sowohl Metzler als auch von Blumenthal gelten an der HU als geeignete Nachfolgerinnen von Olbertz – natürlich erst für die übernächste Amtsperiode. Denn dass Olbertz schließlich doch noch einmal antritt, gilt allgemein als sicher.
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