Coronavirus in Würzburg: Neun Tote in Pflegeheim – Patientenschützer warnen
Nach den Entwicklungen in einer Würzburger Senioreneinrichtung fordern Patientenschützer sofortige Konsequenzen. Sonst werde es viele Opfer geben.
Deutschland kämpft mit dem Coronavirus, es gibt immer mehr Infizierte, die Zahl der Toten steigt. Und wie hoch die Gefahr für eine besondere Risikogruppe tatsächlich ist, zeigt sich in Würzburg jetzt auf dramatische Weise – und alarmiert Patientenschützer, die schwere Vorwürfe erheben.
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In der Stadt in Franken sind inzwischen neun Bewohner eines Pflegeheims an den Folgen einer Coronavirus-Infektion gestorben, wie das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) am Freitagabend der Nachrichtenagentur dpa bestätigte.
Das ist fast die Hälfte aller Toten in Bayern. Bisher vermeldete der Freistaat insgesamt 20 Tote. Nach Angaben des LGL waren in Bayern bis Freitag mindestens 3107 Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden.
Alle Verstorbenen aus der Würzburger Einrichtung, die zur Stiftung Bürgerspital gehört, waren über 80 Jahre alt und sollen vorerkrankt gewesen sein.
Von den insgesamt 160 Bewohnern lägen derzeit fünf weitere mit einer Covid-19-Erkrankung in Würzburger Kliniken, weitere zehn seien positiv auf das Virus getestet und würden isoliert in ihren Zimmern im Heim versorgt, teilte die Heimleitung mit. Eine Evakuierung des Heims ist nach Angaben des LGL derzeit "aus fachlichen Gründen nicht angezeigt". Man habe in dem Heim besondere Schutzvorkehrungen ergriffen. Die Lage sei sehr ernst, hatte Stiftungsdirektorin Annette Noffz der "Main-Post" bereits Mitte der Woche gesagt. "Aber wir tun alles, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern."
Wie das Coronavirus ins Heim gelangte, ist unklar
Besonders schwierig ist, dass die Infektionskette nicht nachvollzogen werden kann: Wie das Virus ins das Heim gelangte und sich verbreiten konnte, ist unklar.
"Wir haben das Pech, dass das Virus bei uns eingeschlagen hat", sagte Noffz dem Blatt nun. Die Heimleitung und alle Pflegekräfte würden an der Belastungsgrenze arbeiten. Umso mehr ärgern sie wilde Gerüchte und Schuldzuweisungen: "Das frustriert die Mitarbeiter."
Seit dem ersten Todesfall am 12. März gilt in der Einrichtung nach Angaben des LGL ein striktes Besuchsverbot. Die Bewohner würden isoliert und dürften ihre Zimmer nicht verlassen. Die Patientenräume würden von Pflegekräften nur in Schutzanzügen und mit Atemschutzmasken betreten.
Mehr als 20 Pflegekräfte mit dem Coronavirus infiziert
Weil infiziertes Personal vorübergehend in Quarantäne zu Hause bleiben muss, schichtet das Bürgerspital um. Das Geriartriezentrum wird geleert, von dort sind bereits erste Mitarbeiter in eine andere Einrichtung gewechselt. Hinzu kommen aktuell 23 Pflegekräfte mit ebenfalls positivem Test. Sie sind in häuslicher Quarantäne. Nach Angaben des LGL sind bei allen die Krankheitsverläufe recht mild.
Nach Angaben des Würzburger Gesundheitsamts waren bis Freitag insgesamt 166 Personen in Stadt und Land Würzburg positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden, wie die „Main-Post“ berichtet. Derzeit stünden 716 Personen unter häuslicher Quarantäne.
Der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Würzburg, Georg Ertl, sagte, für die Testung und Behandlung von Coronavirus-Patienten der Region seien zusätzliche Kapazitäten geschaffen worden. Im Bedarfsfall könnten 75 Beatmungsplätze eingerichtet werden. Alle medizinisch nicht zwingenden Operationen und Eingriffe würden auf unbestimmte Zeit verschoben.
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Nach den Entwicklungen in Würzburg fordert die Deutsche Stiftung Patientenschutz Bund und Länder auf, Bewohner und Personal in Pflegeheimen besser zu schützen. "Der Tod von allein neun Pflegeheimbewohnern in Würzburg muss ein Weckruf sein. So darf es nicht weitergehen", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch am Samstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Es gilt, die Pflegebedürftigen und ihre Helfer wirksam zu schützen. Sonst kommt es zu einem Flächenbrand, der zu viele Opfer kosten wird."
Patientenschützer kritisiert wegen Coronavirus Notfallplan
Viele der insgesamt 3,6 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland seien hochbetagt und litten an vielen Krankheiten, sagte Brysch weiter: "Doch bisher fehlt es im Bund und in den Ländern an überzeugenden Maßnahmen, die Hochrisikogruppe dort zu schützen, wo sie wohnt und lebt." Daher sei es "unverantwortlich", dass der Notfallplan zum Schutz der 800.000 Pflegebedürftigen und 764.000 Beschäftigten in 13.700 Pflegeheimen aus dem Jahr 2013 "immer noch nicht angepasst wurde".
Damals sei der Plan erstellt worden, um eine Grippewelle abzuwehren, ergänzte Brysch: "Aber selbst die darin festgelegten Minimalstandards werden seit Wochen nicht mehr eingehalten. Es fehlen Schutzmasken und Schutzkleidung für die Beschäftigten und die infizierten Bewohner." Auch von den jetzt notwendigen Spezialbrillen komme nichts vor Ort an.
Müssen in Zeiten des Coronavirus alle Bewohner eigene Ärzte haben?
Fraglich sei auch, ob im Krisenfall das Konzept sinnvoll ist, das jeder Pflegebedürftige seinen eigenen Arzt hat: "Da ist Chaos programmiert." Ebenso sei "höchst bedenklich", dass infizierte Bewohner weiter im Pflegeheim bleiben können.
Bund und Länder müssten jetzt in der Corona-Krise verstärkt die Pflege in den Blick nehmen, fordern die Patientenschützer: "Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn ist gefordert. Denn was in der Pflege schiefläuft, kann die Intensivstation kaum retten."
Spahn hatte am Donnerstag angekündigt, die Betreuung in den Pflegeheimen in der Krise wegen des Coronavirus mit Sonderregelungen abzusichern. Pflegebedürftige und auch die Pflegekräfte selbst bräuchten besonderen Schutz und besondere Unterstützung.
Mit Pflegekassen und Pflegeverbänden sei dafür unter anderem die befristete Aussetzung bürokratischer Anforderungen vereinbart worden, so ist der Pflege-Tüv, mit dem die Qualität in Heimen überwacht wird, ausgesetzt. Von Mehrkosten wegen der Corona-Epidemie sollten Pflegeheimbewohner und ihre Angehörige verschont bleiben, sagte Spahn.