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Im Fadenkreuz. Eine junge Patientin während einer Bestrahlung.
© Imago

Junge Erwachsene mit Krebs: Nach der Behandlung, vor dem Beruf

Ein Online-Portal berät jüngere Erwachsene, wie sie ihr Leben nach der überstandenen Krankheit neu einrichten.

Krebs bei jungen Erwachsenen ist glücklicherweise selten, meist heilbar. „Nur“ 15 000 neue Diagnosen treffen in jedem Jahr Menschen zwischen 15 und 39 Jahren. Das kann Lymphknotenkrebs oder Leukämie sein, bei Frauen Brustkrebs, bei jungen Männern Hodenkrebs. Vier von fünf Erkrankten werden geheilt oder leben zumindest längere Zeit ohne Rückfall. So kommt es, dass mindestens eine Viertelmillion Jüngere unter uns leben, die in den letzten 20 Jahren Krebs hatten.

Äußerlich merkt man ihnen vielleicht nichts mehr an, auch wenn Müdigkeit und Konzentrationsstörungen sie nach der Therapie meist noch länger plagen. Möglicherweise haben sie aber noch andere Sorgen. „Zu den unmittelbaren medizinischen Folgen einer Diagnose kommt bei jungen Menschen mit Krebs ein erhöhtes Armutsrisiko, das die schwierige Situation noch deutlich verschärft“, sagt der Krebsspezialist Mathias Freund von der Uni Rostock, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie und Vorsitzender der Deutschen Stiftung für Junge Erwachsene mit Krebs.

Nur jeder Zweite kehrt ins Erwerbsleben zurück

Speziell für junge Menschen, die Krebs haben und hatten, ist das bisher noch nicht systematisch erhoben worden. Bekannt ist, dass von all denjenigen, die im Alter unter 65 Jahren Krebs bekommen, nur rund die Hälfte ins Erwerbsleben zurückkehrt. Unter den Jüngeren dürfte die Quote höher sein. Viele schaffen es jedoch nicht innerhalb des Zeitraums von eineinhalb Jahren, währenddessen ihnen Krankengeld zusteht, sie müssen deshalb auf Arbeitslosengeld oder eine Erwerbsminderungsrente zurückgreifen.

Von den 76 besonders schwer kranken Patienten, deren Geschicke die Krebs- und Sozialmediziner um Ulf Seifart von der Reha-Klinik Sonnenblick der Deutschen Rentenversicherung im Auftrag der Hessischen Ärztekammer nachverfolgt haben, haben nur 30 Prozent zurück ins Berufsleben gefunden. Sie alle hatten eine Transplantation von Spender-Knochenmark hinter sich. „Im Durchschnitt haben sie nun in jedem Monat 500 Euro weniger zum Leben als vor der Erkrankung“, berichtet Seifart.

Wirtschaftliche Sorgen quälen viele junge Patienten

Bei vielen Krebspatienten drängen sich nach dem Diagnoseschock und den Härten der Behandlung wirtschaftliche Sorgen in den Vordergrund. Eine Studie von Ärzten und Gesundheitsforschern aus Lyon und aus Texas belegte 2014, dass 90 Prozent der Kranken mit langwierigen Therapien unter solchen Ängsten leiden.

Die meisten Studien zum Thema kommen aus den USA und sind aufgrund der unterschiedlichen Sozialsysteme nicht vergleichbar. Seifart hält unser Gesundheits- und Sozialsystem weltweit für vorbildlich. Allerdings müsse man seine Vorgaben für die Hilfen kennen, um den im Einzelfall passenden Weg einzuschlagen. Da die meisten Krebspatienten heute nur kurz im Krankenhaus behandelt werden, sei für Beratung durch den dortigen Sozialdienst oft keine Zeit. Auch in der Praxis des Onkologen oder des Hausarztes müssen andere Prioritäten gesetzt werden.

Ein in dieser Woche freigeschaltetes Online-Portal der Stiftung soll die Lücke schließen. Betroffene im Alter zwischen 18 und 39 Jahren können unter www.junges-krebsportal.de einen persönlichen Datenbereich einrichten, eine konkrete schriftliche Anfrage zu ihrem Problem absenden und bei Bedarf auch Kontakt mit einem in der Nähe tätigen sozialmedizinischen Berater aufnehmen. Neben den beruflich-wirtschaftlichen Sorgen der Betroffenen hoffen die Initiatoren mit dem Portal auch das Unwissen der Fachleute über Art und Ausmaß dieser krankheitsbedingten sozialmedizinischen Probleme zu mindern. Denn das Projekt wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.

Adelheid Müller-Lissner

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