Kampf gegen das Zika-Virus: Mit Mücken gegen Mücken
Das gefährliche Zika-Virus breitet sich rasant aus. Genetisch veränderte Mücken könnten das verhindern.
„Explosionsartig“ – so beschreibt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausbreitung des Zika-Virus auf dem amerikanischen Kontinent. Es steht im Verdacht, die Hirnentwicklung von über 4000 Kindern infizierter Schwangerer geschädigt zu haben. Da über das Virus nur wenig bekannt ist, ist mit Medikamenten oder Impfstoffen in den nächsten Jahren kaum zu rechnen. Deshalb konzentrieren sich die brasilianischen Behörden vor allem auf den Überträger, um der Zika-Krise Herr zu werden: Mücken. Hunderttausende Soldaten durchstreifen das Land, um jede Pfütze in der Nähe von Siedlungen zuzuschütten, in denen sich die eingeschleppte Ägyptische oder Asiatische Tigermücke vermehren könnte. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Doch es gibt durchaus Wege, Insektenpopulationen so stark zu reduzieren, dass eine Übertragung von Krankheitserregern ausgeschlossen oder zumindest unwahrscheinlicher wird.
Auf der Insel Sansibar ist es 1997 gelungen, die Tsetsefliege auszurotten, die Überträgerin der Schlafkrankheit. Die Fliegen wurden in großem Stil gezüchtet, die Männchen mit radioaktiver Strahlung sterilisiert und freigelassen. Sie paarten sich mit den freilebenden Tsetsefliegen, bekamen aber keine Nachkommen: nach 18 Monaten brach die Population zusammen. Zuvor waren mit Hilfe der Sterilisationstechnik die Schraubenwurmfliege in Nordamerika und die Mittelmeerfruchtfliege in Mittelamerika besiegt worden.
Freilassungsstationen für Schraubenwurmfliegen
„In Panama gibt es immer noch Freilassungsstationen für sterilisierte Schraubenwurmfliegen, damit sie aus Südamerika nicht wieder einwandern kann“, sagt Ernst Wimmer. Der Biologe an der Universität Göttingen entwickelt Techniken, mit denen Mücken oder Fliegen nicht per Bestrahlung, sondern genetisch so verändert werden, dass sie keine Nachkommen haben. „Anders als Fliegen sind Mücken nach der Bestrahlung nicht so fit, dass sie für die freilebenden Artgenossen tatsächlich eine Konkurrenz darstellen.“ Deshalb setze man auf gentechnisch veränderte Mücken. Sie tragen entweder Gene, die sie selbst oder die folgende Generation unfruchtbar machen, oder die das Insekt resistent gegen den Erreger machen, der Menschen gefährlich werden kann.
Dieser Weg dürfte auch für die Experten der WHO interessant sein. Die Erforschung von Methoden zur „innovativen Vektorkontrolle“ sei nun besonders wichtig, hieß es auf einer Pressekonferenz am letzten Donnerstag. Dazu zählen unter anderem genmanipulierte Mücken.
Die britische Firma Oxitec (inzwischen Teil der Biotechfirma Intrexon) testet solche gentechnisch veränderten Tigermücken der Art Aedes aegypti seit 2009 in Freilassungsversuchen auf den Kaiman-Inseln, in Brasilien und in Panama. Den „Ox513a“-Mücken wurde ein Gen ins Erbgut eingepflanzt, das verhindert, dass die Männchen Nachkommen zeugen – es sei denn, sie bekommen ein bestimmtes Antibiotikum zu fressen. Bislang war das Ziel, die Übertragung von Dengue-Viren zu verhindern. Jetzt kommen die Oxitec-Mücken auch als Mittel gegen Zika-Viren in Frage.
Mendels Regeln werden auf den Kopf gestellt
Forscher wie Anthony James von der Universität Irvine verfolgen einen anderen Ansatz. Sie wollen die Mücken so verändern, dass sie die Erreger loswerden, die sie übertragen. 2012 manipulierte er Anopheles-Mücken so, dass sie Antikörper gegen den Malariaerreger Plasmodium falciparum entwickeln. Allerdings würde es viel zu lange dauern, bis sich der Effekt unter den Mücken verbreitet. Denn paart sich eine Labormücke mit einem freilebenden, erben zwar alle Nachkommen eine Kopie des künstlichen Gens. Aber schon in der zweiten Generation erbt es nur noch jeder vierte. Mit der neuen Genscheren-Technik Crispr lässt sich das jedoch umgehen. Indem die Forscher dem Genkonstrukt eine solche „Schere“ mitgeben, schreibt es sich auch auf das Chromosom, das von freilebenden Elternmücken vererbt wurde. Binnen kürzester Zeit ist es in allen Mücken zu finden. „Gene Drive“ (Gendrift) nennt sich die Technik, die die Vererbungsregeln Gregor Mendels auf den Kopf stellt.
Kevin Esvelt, der am Wyss-Institut in Cambridge selbst an Gene Drives forscht, mahnt sich und seine Kollegen zur Vorsicht. Er habe kein gutes Gefühl, wenn in Labors flugfähige Insekten gezüchtet werden, deren gentechnische Veränderung sich rasend schnell in der Natur verbreiten könnte, sollten sie entkommen. Selbst wenn das keine ökologischen Folgen hätte, würde es Wissenschaftler wie „sorglose Cowboys“ aussehen lassen, woraufhin schlimmstenfalls jegliche Forschung gestoppt würde. Er forderte deshalb im Fachblatt „Science“ strenge Regeln für diese Forschung, wie eine Genehmigung durch eine Expertenkommission und spezielle Laborkonstruktionen, die ein Entkommen der Insekten verhindern.
Die "springenden Gene" der Drosophila melanogaster
Allen Spradling an der Carnegie Institution in Washington hält die Bedenken für übertrieben. Er war einer der ersten, der das Prinzip eines Gene Drive erdacht hat, als er „springende Gene“ der Fruchtfliege Drosophila melanogaster untersuchte. In den 1970er und 80er Jahren war Forschern aufgefallen, dass ihre Fliegen nur wenige Nachkommen hatten, wenn sie im Labor gezüchtete Fliegen mit Artgenossen aus der freien Wildbahn kreuzten. Dabei stellten sie fest, dass die freilebenden Fliegen ein „P-Element“ enthielten, eine Art parasitäres Gen. Es kann sich selbst in das Erbgut der Fliege einklinken, kopiert und wieder ins Erbgut geschrieben werden; das P-Element „springt“ im Erbgut herum wie ein Floh im Bärenpelz. Allerdings zerstören die P-Element-Flöhe beim Herumspringen im Erbgut mitunter wichtige Gene – daher die reduzierte Nachkommenschaft.
Die Forscher fanden heraus, dass sich die P-Element-Parasitengene irgendwann nach 1930 in der Fliegenpopulation verbreitet haben müssen, weltweit binnen weniger Jahre. Denn Fliegenstämme, die vor 1930 aus der Natur entnommen und seitdem im Labor gehalten wurden, sind frei von P-Elementen. „Die Evolution hat viel machtvollere Gene Drives gebaut, als wir es mit der Crispr-Technologie können“, sagt Spradling. Und offenbar hat die Natur gegen die sprunghaften Parasiten-Gene Abwehrmechanismen entwickelt, denn in freilebenden Fliegen springen die P-Elemente nicht mehr.
Besondere Sicherheitsmaßnahmen scheinen unnötig
„Es gibt viele Gründe anzunehmen, dass im Labor konstruierte Gene Drives viel weniger gefährlich sind als in hypothetischen Szenarien zurzeit spekuliert wird“, argumentiert Spradling. Diese Forschung jetzt vorschnell zu regulieren oder zu verkomplizieren würde dazu führen, dass solche Schutzmechanismen unterschätzt und die Technik nicht optimal genutzt werden könne.
Auch Ernst Wimmer hält Sicherheitsmaßnahmen, die über die ohnehin strengen Auflagen für gentechnische Arbeiten in Deutschland hinausgehen, für unnötig. „Obwohl das P-Element zunächst ein genetisches Chaos auslöst, hat das der Fliegenpopulation offensichtlich langfristig nicht geschadet.“ Trotzdem arbeitet er in seinem Labor nur in Innenräumen, deren Lüftungen Fliegen mit feinmaschiger Gaze zurückhalten, sollten sie aus den Zuchtgläsern entkommen.
An Bedenken gegen den Einsatz gentechnisch veränderter Mücken, ob mit oder ohne Gene Drive, mangelt es nicht. „Wir können schlecht absehen, was passiert, wenn wir eine Art aus einem großen Ökosystem entfernen“, sagt Todd Kuiken vom Woodrow Wilson Center in Washington, das sich mit Technologiefolgenabschätzung beschäftigt. Wimmer ist anderer Meinung: „Wenn wir eine Spezies ausrotten, die ursprünglich gar nicht in Südamerika vorkam, kann ich mir schwer vorstellen, dass es ein großes Problem wäre, wenn man die wieder loswird.“ Eine völlige Ausrottung sei ohnehin kaum zu erreichen. Meist genüge es, die Mücken in der Nähe einer Stadt oder Siedlung zu dezimieren, um das Übertragungsrisiko spürbar zu senken.
Auch politische Fragen sind zu klären
Befürchtungen, die künstlichen Gene könnten sich in der Natur ungewollt verbreiten oder gar auf andere Arten übertragen werden, hält Wimmer nicht für stichhaltig, zumindest was die Insektensterilisierungstechnik betrifft. „Ihr Ziel ist ja nicht, eine Mückenart langfristig gentechnisch zu verändern, sondern nur, dass die nächste Generation stirbt – und mit ihr die eingesetzten Gene.“
Aber nicht nur biologische Fragen gilt es zu klären. Wer soll entscheiden dürfen, ob der Nutzen groß und die Risiken gering genug sind, um gentechnisch veränderte Mücken und Fliegen freizulassen? Darf das ein Land allein, obwohl sich die Insekten um Grenzen nicht scheren werden? Mit solchen Fragen hat sich jüngst sogar eine Kommission des britischen Oberhauses beschäftigt – ohne zu einfachen Antworten zu kommen.
Wimmer kann mit den Spekulationen über eventuelle Folgen eines Einsatzes genmanipulierter Insekten nichts anfangen: „Es kann kein Argument sein, ein substanzielles medizinisches Problem wie Malaria, Dengue-Fieber oder auch Zika nicht anzugehen, nur weil die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, dass daraus irgendwann später noch ein anderes Problem entstehen könnte.“