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Trauma ist nicht gleich Trauma. Wiederholte Vergewaltigungen lasten besonders schwer auf der Psyche.
© picture alliance / Sueddeutsche

Posttraumatische Belastungsstörung: Mit dem Leid leben lernen

Flucht, Krieg, sexuelle Gewalt: Nicht jeder wird nach einem traumatischen Erlebnis psychisch krank. Doch Betroffene brauchen schnelle Hilfe.

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Der Spruch klingt hart, ganz falsch ist er nicht: Menschen können ihren Lebensmut und sogar ihre Fröhlichkeit zurückgewinnen, nachdem sie einen Unfall oder eine lebensbedrohliche Krankheit überstanden haben, sie können als psychisch stabile Erwachsene aus einer schweren Kindheit hervorgehen. Schlimme Erlebnisse können ihre seelische Widerstandsfähigkeit, die Resilienz, stärken. Es kann sogar vorkommen, dass Soldaten aus einem Kampfeinsatz zurückkommen und ein seelisches Problem los sind, das vor dem Einsatz bestand.

Verletzung durch Mitmenschen führt häufiger zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung

Doch Vorsicht. Studien zeigen, dass es ein großer Unterschied ist, ob ein solches Ereignis die Ausnahme bleibt oder ob es sich wiederholt, wie der sexuelle Missbrauch eines Kindes in der Familie. Und dass es eine wichtige Rolle spielt, ob es sich um einen Schicksalsschlag handelt oder um eine Verletzung, die Mitmenschen uns zufügen. Nur einer von zehn Opfern eines schweren Verkehrsunfalls, aber die Hälfte der Vergewaltigungsopfer leidet danach unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sagt der Epidemiologe Frank Jacobi von der TU Dresden.

Der Begriff ist in den Medien schnell bei der Hand, wenn es um die psychischen Folgen von Krieg, Folter, Flucht und sexueller Gewalt geht. In der Medizin ist er jedoch klar definiert und im Diagnose-Handbuch ICD-10 festgehalten. „Es ist eine der wenigen psychischen Störungen, bei denen man die Ursache genau festlegen kann“, sagt Iris Hauth, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und Ärztliche Direktorin am Alexianer St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Weißensee. Das muss immer eine konkrete seelische Verletzung sein, die so groß ist, dass sie viele andere Menschen ebenfalls aus der Bahn werfen würde. Tage bis Wochen, vielleicht Monate oder Jahre danach kommt es zu den Symptomen, die typisch sind für eine PTBS. Erinnerungen drängen sich immer wieder auf, tagsüber oder nachts in Albträumen. Der Betroffene wird schreckhaft, versucht bestimmten Schlüsselreizen aus dem Weg zu gehen. Er zieht sich zurück, wird eventuell von Scham- und Schuldgefühlen geplagt, weil er sich eine Mitschuld einredet. Im Lauf eines Jahres erfüllen zwei von hundert Erwachsenen zumindest zeitweise diese Kriterien, zeigt eine Teilstudie des Deutschen Gesundheits-Surveys.

Psychotherapie wirkt oft besser als Medikamente

Wie kann ihnen geholfen werden? Eine israelische Studie von 2012 zeigte, dass Psychotherapie besser wirkt als Medikamente. Dabei geht es nicht um ellenlange Therapien: „Schon fünf Stunden bringen etwas“, sagt Ulrich Frommberger, Psychiater in der MediClin Klinik an der Lindenhöhe in Offenburg. Bewährt habe sich die traumafokussierte Psychotherapie, in der Therapeut und Patient immer wieder über das Erlebnis reden – auch wenn das für beide sehr belastend ist. So kann es gelingen, den Vorfällen ihren Platz in der Biografie zuzuweisen. In einem Leben, das ein unbeschwertes „Davor“ beinhaltet und zusätzlich die Perspektive für ein erträgliches, vielleicht erfülltes „Danach“ bieten muss. Nachweislich helfen auch kognitiv orientierte Behandlungen, in denen an Gedanken, Bildern und Beurteilungen gearbeitet wird, die das traumatische Ereignis nach sich zog. Zum Beispiel an der Überzeugung „Alle Männer sind schlecht“, die nach schweren sexuellen Übergriffen entstehen kann. Es handelt sich dabei um nachvollziehbare, zum Teil schräge und auf die Dauer wenig hilfreiche Gedanken.

Nicht jeder braucht nach einem traumatischen Erlebnis psychologische Hilfe. Und beileibe nicht immer handelt es sich um PTBS, wenn die Seele infolge eines Traumas krank wird. Psychiater und Psychologen sprechen deshalb allgemeiner von „Traumafolgestörungen“. Dazu können Depressionen oder Angsterkrankungen gehören. Und körperliche Beschwerden, etwa Kopfschmerzen, die ein Folteropfer chronisch plagen. Meryam Schouler-Ocak von der psychiatrischen Universitätsklinik der Charité im St.-Hedwig-Krankenhaus und Leiterin des DGPPN-Referates „Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie, Migration“, berichtet von einer Patientin aus dem Kosovo mit Unterleibsbeschwerden. Mehrfach wurde sie gynäkologisch untersucht und operiert. Erfolglos. „Später stellte sich heraus, dass sie zu den Opfern einer Massenvergewaltigung gehörte, was in ihrer Umgebung keiner wissen durfte.“

Betroffene betäuben sich mit Alkohol

Andere greifen zum Alkohol. Eine kurzfristig wirksame, auf Dauer aber ungünstige Bewältigungsstrategie. Sie kann zudem dazu führen, dass die PTBS unbehandelt bleibt. Betroffene bekommen oft zu hören, sie müssten zuerst „trocken“ sein, bevor sie mit der Behandlung beginnen dürfen. „Das ist falsch, wir können beides behandeln“, hebt Frommberger hervor.

Unfreiwillig und unter Gefahren sein Heimatland zu verlassen, ist zweifellos eine schwere seelische Belastung. Zum Stress der Flucht kommen Umstände, die die Psychologin Maria Böttche vom Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin als „Postmigrationsstressoren“ bezeichnet: beengt in Gemeinschaftsunterkünften zu leben, lange nicht arbeiten zu dürfen, eventuell angefeindet zu werden.

Einer Studie der Psychologin Ulrike Gäbel von der Universität Konstanz zufolge erfüllen 40 Prozent der Asylbewerber die Kriterien für eine PTBS. Laut Gesetz wird nur im Fall einer akuten Erkrankung die Behandlung übernommen. Die DGPPN fordert deshalb Akutsprechstunden, um schnell zu helfen. „Wird erst ein Amtsarzt dazwischengeschaltet, bedeutet das eine massive Verzögerung“, kritisiert Schouler-Ocak. Dabei werden Therapieangebote von den Betroffenen bereitwillig angenommen, wenn sie zuvor gut erklärt werden, wie Böttche berichtet. „Der Kitt sind hier die Dolmetscher.“

Männlichkeitsideale halten Soldaten davon ab, Hilfe zu suchen

Bundeswehrsoldaten finden in den psychiatrischen Abteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser Hilfe. 21 Prozent der Soldaten leiden nach Auslandseinsätzen an psychischen Störungen, wie eine Studie von Hans-Ulrich Wittchen von der TU Dresden ergab. Neben lebensbedrohlichen Situationen wirken der Verlust von Kameraden, Erschöpfung und innere moralische Konflikte nach. Maximal jeder Fünfte unter den Soldaten, die Symptome zeigen, ist allerdings ein Jahr nach dem Einsatz in Behandlung, berichtet Peter Zimmermann vom Zentrum für Psychiatrie und Psychotraumatologie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Neben der Sorge um Karriere und Ansehen spielten Männlichkeitsideale eine große Rolle, wenn keine Hilfe gesucht wird, sagt er. Mit einem Programm zur Vorbeugung und mit viel Aufklärung wollen die Bundeswehrärzte nun gegensteuern.

Was mich nicht umbringt, macht mich stärker? Nietzsche, der den Satz in seiner „Götzen-Dämmerung“ anführt, setzt eine einordnende Bemerkung davor: „Aus dem Kriegs-Tagebuch des Lebens.“

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