Digitalisierung in der Schule: Die Krux mit den Computern
Deutsche Schulen kommen bei der Digitalisierung kaum voran - das zeigt erneut eine Studie. Schon in der Lehrerausbildung hapert’s.
Warum es mit dem Einsatz digitaler Medien in deutschen Schulen selbst bei guten Voraussetzungen oft nicht klappt, hat ein Direktor dem Bildungsforscher Wilfried Bos einmal an einer Anekdote verdeutlicht. Seine Schule habe zwar 400 Computer, sagte der Direktor – eigentlich sei sie damit bestens ausgestattet. Doch immer wieder gingen Geräte kaputt, fielen aus.
Vorhersehbare Pannen, könnte man meinen. Doch leider kann sich die Schule einen eigenen Techniker für die Wartung nicht leisten. Daher muss sich der Direktor Hilfe von außen organisieren. Das dauert. Der Schulträger verweist ihn gerne mal an die Kommune, die Kommune ans Land. Oft vergehen 14 Tage, bis jemand für die Reparatur vorbeikommt. Die Folge: Der schöne Pool an Computern liegt weitgehend brach.
Bos erzählte die Anekdote am Donnerstag auf einer Bildungskonferenz der „Zeit“. „Viele Lehrkräfte sind ja froh, wenn eine Reparatur tatsächlich schon nach 14 Tagen erfolgt“, merkte Bos leicht sarkastisch an. Für ihn zeigt sich an dieser Malaise exemplarisch, wie Deutschland mit der Digitalisierung in der Bildung hinterherhinkt – ein Befund, den Studien wiederholt bestätigt haben.
Es passiert nicht viel in Sachen IT an Schulen
Bos stellte jetzt die neueste Ausgabe eines „Länderindikators“ zum Einsatz digitaler Medien in den Schulen vor. Im Auftrag der Telekom-Stiftung hat er 1210 Lehrkräfte zu dem Thema befragt. Da die Fragen teilweise schon im vergangenen Jahr gestellt wurden, lässt sich daran ablesen, ob sich etwas in Sachen IT bewegt. Das ernüchternde Ergebnis laut Bos: „Es passiert nicht viel.“
Immerhin halten fast zwei Drittel der Befragten die Computer an ihrer Schule für aktuell, zwei Drittel den Internetzugang für ausreichend. Das sind geringfügig bessere Werte als im Vorjahr. Allerdings stelle sich hier die Frage, was der Erwartungshorizont der Lehrer sei, sagte Bos. „Ausreichend“ könne ja schon meinen, dass man mit funktionierenden Geräten zufrieden ist, unabhängig davon, was sie zu leisten vermögen. Verschlechtert hat sich sogar die Verbreitung von W-Lan im Klassenzimmer. 34 Prozent sagen, Schüler könnten es nutzen, 2015 waren das noch 37 Prozent. In Berlin ist wie berichtet bisher kaum eine Schule so ausgestattet, dass sie komplett mit W-Lan „ausgeleuchtet“ werden könnte. In der Umfrage rutscht Berlin bei der IT-Ausstattung von der Mittel- in die Schlussgruppe der Länder.
Dass es bundesweit auch mit der Nutzung digitaler Medien kaum vorangeht, dürfte angesichts der lückenhaften Ausstattung wenig verwundern. 56,7 Prozent der befragten Lehrkräfte geben an, dass an ihrer Schule genügend Beispielmaterialien für computergestützten Unterricht vorhanden sind (erneut etwas weniger als 2015). 41 Prozent fühlen sich pädagogisch beim IT-Einsatz unterstützt, wobei nur ein Drittel der Schulen Workshops für den Einsatz von IT im Unterricht anbietet. In Berlin nutzen Lehrkräfte übrigens überproportional häufig digitale Medien, mit den Kollegen aus Brandenburg und Thüringen kommen sie in die Spitzengruppe.
Lehrer attestieren sich selber gute Kompetenzen
Erstaunen löste auf der Konferenz aus, dass sich Lehrkräfte selbst gute Kompetenzen beim Umgang mit digitalen Medien im Unterricht attestierten. Drei Viertel der Befragten gaben an, ihren Unterricht so gestalten zu können, dass Inhalte, eingesetzte digitale Medien und die entsprechenden Lehrmethoden gut kombiniert würden. Genauso viele sagen, sie können digitale Medien so auswählen, dass die Schüler mit ihnen mehr lernen als ohne. Michael Kirch, Grundschuldidaktiker an der LMU München, zweifelte an, dass die Selbsteinschätzungen mit den realen Fähigkeiten übereinstimmen: „Wenn ich gar nicht weiß, was möglich wäre, bin ich natürlich schnell zufrieden.“ Das betreffe nicht nur ältere, sondern auch jüngere Lehrkräfte. Er berichtete von einem jungen Lehrer, der mit Tesa Pappkarten auf einer teuren digitalen Tafel befestigte: „Da musste ich erstmal in mein iPad beißen.“
Die Souveränität, die sich Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Medien zuschreiben, widerspricht zudem auch anderen Studien. Oft genug bleibt ja bereits die Lehrerausbildung an den Unis weitgehend analog. Soraya Cornelius, Referendarin an einem Gymnasium in Baden-Württemberg, sagte, bei ihr hätte der Umgang mit digitalen Medien im Studium kaum eine Rolle gespielt. Sie nehme Kollegen eher als überfordert war. Dass die Lehrerausbildung an dem Punkt dringend weiterentwickelt werden muss, bestätigte Wilfried Bos, der an der TU Dortmund forscht und lehrt: „Wir haben da genauso viel Nachholbedarf wie die Lehrer an der Schule.“
Wie kann man an Schulen den Einsatz digitaler Medien fördern? Michael Voges, Staatsrat in der Hamburger Schulbehörde, wünscht sich Anreizsysteme: „Wenn Schulen einen W-Lan-Zugang bekommen, müssen sie auch ein pädagogisches Konzept vorlegen, was sie damit machen wollen.“ Die Herausforderung dürfe nicht nur auf technische Aspekte reduziert werden. „Wir können mit digitalen Medien den Unterricht viel individueller gestalten. Das eröffnet unheimliche Möglichkeiten.“
Es hakt beim Digitalpakt von Ministerin Wanka
Nun hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) Anfang Oktober ein Programm zur Digitalisierung der Schulen und zur Fortbildung der Lehrkräfte vorgeschlagen. Fünf Milliarden Euro könnte der Bund in den „DigitalPakt#D“ bis 2021 investieren. Das sei aber erst ein Thema für die nächsten Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Herbst 2017. Doch die Verhandlungen über die Rolle der Länder könnten früher beginnen.
Das ist bislang aber nicht geschehen. Zu hören ist zudem, die rot-grün geführten Länder seien enttäuscht, dass die von Wanka versprochenen fünf Milliarden nicht im Bundeshaushalt vorgesehen sind und dies für diese Legislatur auch nicht geplant ist. Sie wollen mit ihr über eine „Bildungsallianz“ sprechen, in der es um Digitalisierung und Sanierung der Schulen zugleich geht.
Aber nur bei Letzterem bewegt sich etwas: Mitte Oktober einigten Bund und Länder darauf, dass der Bund finanzschwachen Kommunen bei der Sanierung ihrer Schulen helfen darf. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat jetzt bestätigt, dass dafür 3,5 Milliarden Euro bereitstehen. Mit dem Digitalisierungsprogramm habe das nichts zu tun, soll er am Mittwoch im Haushaltsausschuss betont haben. Unterdessen drängt auch die „Initiative Digitaler Bildungspakt“, zu der Microsoft, Unternehmerverbände und der Städte- und Gemeindebund gehören, auf Eile: Alle Akteure gehörten jetzt an einen Tisch, „um diese Hausaufgabe zu lösen“.
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