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Ein Jugendlicher verfolgt den Unterricht auf einem Laptop zu Hause.
© Getty Images

Schwachstellen im Bildungssystem: Kultusminister holen sich wissenschaftlichen Rat

Statt des Nationalen Bildungsrats tritt die Wissenschaftliche Kommission an. Zuerst erhoffen sich die Bildungsverantwortlichen Hinweise zur Corona-Bewältigung.

"Wie gelingt es, die coronabedingten Lernrückstände aufzuholen und welchen Jahrgängen müssen wir uns dabei besonders zuwenden?" Auf diese Fragen erhofft sich Britta Ernst, Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Schulministerin in Brandenburg, Antworten von der neuartigen Ständigen wissenschaftlichen Kommission der KMK, die am Donnerstag berufen und vorgestellt wurde.

Dass zur Bewältigung der Corona-Folgen mit dem am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossenen, zwei Milliarden Euro schweren Aufholpaket von Bund und Ländern bereits eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen wurde, sieht Ernst auf Nachfrage nicht als Problem. Es sei eine große Herausforderung, die Programme in den Ländern umzusetzen und dafür zusätzliches Personal zu rekrutieren.

"Wie die Wissenschaftler das bewerten - dem können wir nicht vorgreifen", sagte Ernst. Auch Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD), KMK-Koordinator der von der SPD mitregierten A-Länder, sieht auch nach dem Start des Aufholprogramms im August noch genug Beratungsbedarf.

Milliardenprogramm nicht Antwort auf alle Fragen

"Die Lernrückstände werden nicht in einem Jahr aufgeholt sein und wir brauchen auch wissenschaftlichen Rat, wie soziale Ungleichheiten aus der Coronazeit ausgeglichen werden können", so Rabe. Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU), Koordinator der B-Länder, sagte: "Das Milliardenprogramm ist nicht die Antwort auf alle Fragen." Die wissenschaftliche Kommission solle sich auch damit befassen, wie es "nach Corona" in den Schulen weitergeht - insbesondere mit der Digitalisierung.

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Berufen wurden 12 Kommissionsmitglieder, darunter die Berliner Expertin für Schulentwicklung Felicitas Thiel, Professorin an der Freien Universität, der bundesweit vielfach engagierte Kieler Bildungsforscher Olaf Köller, die Bielefelder Inklusionsexpertin Birgit Lütje-Klose und Michael Becker-Mrotzek vom Kölner Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache.

Ein Porträtbild von Felicitas Thiel.
Felicitas Thiel, Professorin für Grundschulpädagogik an der Freien Universität Berlin.
© Promo

Unter den vier qua Amt bestellten Mitgliedern sind die Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Uni, Petra Stanat, und der Sprecher Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Kai Maaz, Leiter es DIPF - Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Information.

Die Kommissionsmitglieder hätten allesamt eine hohe Reputation in der Bildungsforschung, seien mit der Schulpraxis gut vertraut und in der Politikberatung erfahren, sagte der ehemalige Leiter der deutschen Pisa-Studie Manfred Prenzel als Vorsitzender der Findungskommission.

Die Kommission soll sich im Mai konstituieren, vor August werde aber keine Stellungnahme erwartet, hieß es. Keines der Mitglieder äußerte sich am Donnerstag - und auch Prenzel wollte nichts zu drängenden Themen für das Gremium sagen. Es seien langfristig geplante Gutachten und kürzere Positionspapiere zu erwarten, die Probleme des Bildungswesens aufzeigen würden.

Ersatz für den Nationalen Bildungsrat

Im November 2019 hatte sich Prenzel gegenüber dem Tagesspiegel sehr kritisch geäußert, als allen voran Bayern und Baden-Württemberg den im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarten Nationalen Bildungsrat gekippt hatten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte damals vor vor einem "bürokratischen Monster", mit dem der Bund in die Klassenzimmer hineinregieren wolle.

Prenzel dagegen sah im Bildungsrat die Chance, im deutschen Bildungssystem "herauszufinden aus egozentrischen Betrachtungen, die sich nur ums eigene Land drehen". Der offizielle Beschluss, statt des Nationalen Bildungsrats die Ständige wissenschaftliche Kommission zu berufen, fiel dann im Oktober 2020 - mittlerweile offenbar zur Zufriedenheit aller Beteiligten.

Hamburgs Senator Ties Rabe lobte denn auch den "Mut der KMK, sich einem klaren Blick von außen zu stellen, der nicht durch Proporz gesteuert ist". Nun sei es an der Kommission "ernsthaft die Schwachstellen im Bildungssystem aufzuzeigen". Über ihre Programmatik austauschen werde sich die KMK einmal im Jahr mit der Kommission, sagte Britta Ernst.

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