"Klima-Engineering": Kühlung für den Globus
Unaufhaltsam steigen die Temperaturen. Forscher erwägen nun Methoden des „Klima-Engineering“, um gegenzusteuern.
Das Pariser Klimaschutzabkommen hat das Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu beschränken. Das soll unter anderem über einen verringerten Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid erreicht werden. „Leider haben wir aber keinen Fahrplan, wie wir solche Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele schnell genug umsetzen sollen“, sagt Andreas Oschlies vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung „Geomar“ in Kiel. Forscher tüfteln daher längst an Möglichkeiten, das Klima aktiv zu regulieren – per „Klima-Engineering“.
Ein möglicher Eingriff wäre, riesige Mengen winziger Teilchen und Tröpfchen in die obere Etage der Atmosphäre zu bringen. Das diskutieren Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und Simone Tilmes vom National Center for Atmospheric Research im US-amerikanischen Boulder in der Zeitschrift „Science“. In der Stratosphäre würden diese Partikel Sonnenschirmen gleich die Erde beschatten und so das Klima ein wenig abkühlen.
Neu ist diese Idee nicht. Vorgeschlagen hat sie bereits 2006 der Nobelpreisträger Paul Crutzen vom Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie. Vorbild ist ein natürlicher Vorgang: Starke Vulkanausbrüche – wie 1991 der Pinatubo auf den Philippinen – schleudern winzige Teilchen mit Schwefelverbindungen in die Stratosphäre und senken messbar die Temperatur auf der Erde für einige Jahre.
Schwefelwolken in der Stratosphäre könnten verheerend wirken
Perfekt ist diese Methode allerdings nicht. So kühlen die Schatten der Schwefelwolken vor allem dort, wo viel Sonne scheint, also in den tropischen Regionen. Dort hat der Klimawandel allerdings einen vergleichsweise geringen Einfluss auf die Temperatur, während sie nahe den Polen viel stärker steigt. In den eisigen Regionen scheint weniger Sonne, weshalb die Schwefelwolken weniger Wärme abfangen und deutlich weniger kühlen. „Genau dort, wo wir bisher die stärkste Erwärmung sehen, bringt diese Methode also am wenigsten“, kritisiert Geomar-Experte Oschlies. Die Schwefelwolken brächten noch mehr Probleme mit sich: In den wärmeren Regionen sinken in ihrem Schatten nicht nur die Temperaturen, es verdunstet auch weniger Wasser. So bremst die Methode den Wasserkreislauf und verringert die Niederschläge. Sollte aber zum Beispiel der Monsunregen schwächer werden, könnte das für die betroffenen Regionen eine Katastrophe werden.
Damit nicht genug. 160 Jahre lang müssten Jahr für Jahr je acht Millionen Tonnen Schwefel in die Stratosphäre transportiert werden, um eine Kühlwirkung zu erreichen, die die Temperaturen nicht stärker als zwei Grad Celsius über das Vor-Industrie-Zeitalter-Niveau steigen lässt, schätzen Niemeier und Tilmes. Gleichzeitig sollten in wenigen Jahrzehnten nicht nur der Kohlendioxidausstoß auf null reduziert werden, sondern auch noch jedes Jahr fünf Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus der Luft gefischt werden – mehr als die Hälfte der heutigen Kohlendioxidemissionen. „Wie das funktionieren soll, ist völlig unklar“, sagt Oschlies, der auch Sprecher des Schwerpunktprogramms „Climate Engineering – Risiken, Herausforderungen, Chancen?“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist.
Und so sieht er auch gleich ein weiteres Problem: Um jährlich acht Millionen Tonnen Schwefel in die Stratosphäre zu bringen, müssten jeden Tag 6700 Flugzeuge mit dieser Fracht starten, kalkulieren Ulrike Niemeier und Simone Tilmes. Obendrein nimmt der Kühleffekt mit jeder Schwefel-Ladung ein wenig ab. Vermutlich müssten täglich also erheblich mehr Jets starten.
Fallen die Schwefel-Injektionen auch nur ein paar Monate aus, verschwindet auch die Kühlung und die Temperaturen steigen schlagartig kräftig an. „Wer aber garantiert eine politische Stabilität über 160 Jahre, ohne dass in dieser Zeit eine Gruppe aus einem solchen Projekt aussteigt?“, fragt Oschlies, der wenig von der Schwefelwolken-Methode hält. Nicht zuletzt, weil sie nur die Symptome, nicht aber die Ursache des Problems bekämpft, die Treibhausgasemissionen.
Ausdünnen von Zirruswolken als Notfallmaßnahme
Das gilt auch für eine andere „Klima-Engineering“-Methode, die Ulrike Lohmann und Blaž Gasparini von der Eidgenössisch-Technischen Hochschule in Zürich ebenfalls in „Science“ vorstellen. Aber immerhin beeinflussen die von ihnen untersuchten Zirruswolken das Klima über genau den gleichen Mechanismus wie die Treibhausgase: Diese dünnen, oft kaum sichtbaren Wolken wirken ähnlich wie ein Gewächshausdach: Sie halten die Wärme in der Atmosphäre, weil sie von der Erde reflektierte langwellige Strahlung nicht in den Weltraum durchlässt. Aus diesem Grund kühlt die Erdoberfläche in klaren Nächten viel stärker als unter einer Wolkendecke ab, die ähnlich dem Deckel einer Thermoskanne den Wärmefluss nach oben weitgehend stoppt.
Bringen Drohnen die ungiftige Chemikalie Wismuttrijodid aus, würden sich die Zirruswolken nicht nur in tieferen und wärmeren Luftschichten bilden, in denen sie weniger Wärme zurückhalten. Bei dieser Methode entstehen auch weniger und größere Eiskristalle. Die Wolken werden also dünner und halten auch dadurch weniger Wärme zurück. Die größeren Kristalle fallen schneller in tiefere Schichten. Das wiederum löst die wärmenden Zirruswolken schneller auf und entfernt gleichzeitig Wasser aus diesen Schichten, das ebenfalls Wärme zurückhält.
Da die Methode auch regional wirkt, könnte sie gezielt in den besonders von der Erwärmung betroffenen Gebieten im hohen Norden eingesetzt werden, um dort zum Beispiel das Eis auf dem Polarmeer oder die Gletscher Grönlands zu schützen. „Dieses Ausdünnen der Zirruswolken ist nicht nur eine recht neue Idee, sondern scheint vor allem in langen Polarnächten auch relativ vielversprechend zu sein“, sagt Oschlies. Allerdings ist das Ganze auch relativ sensibel: So müssen die Wolken in der richtigen Höhe und mit einer genau dosierten Menge Wismuttrijodid geimpft werden. Abweichungen könnten dazu führen, dass die künstlichen Wolken die Atmosphäre erwärmen, statt sie abzukühlen. Vor allem aber sollte die Zirruswolken-Ausdünnung eine Notfallmaßnahme bleiben, die man ähnlich wie einen Notarzt hoffentlich nie braucht, die aber funktioniert, wenn man sie doch einmal benötigt.